Die europäischen Staats- und Regierungschefs zanken nun zumindest nicht mehr um den Sitz des zentralen Europäischen Patentgerichts. Nebenstellen, Zuständigkeiten und selbst die Gerichtssprache sind aber weiter ungeklärt. Martin Quodbach sieht die letzte Hürde für ein einheitliches EU-Patent noch lange nicht genommen.
Die Geschichte des geplanten EU-Patents währt nun bereits vier Jahrzehnte. In den letzten Jahren haben erneute Anläufe für viel Verwirrung, Diskussionen und Zweifel an der politischen Durchsetzbarkeit des Vorhabens gesorgt. Vertreter der Industrie sowie Praktiker kritisieren insbesondere das Zusammenspiel von regionalen Kammern und einem zentralen Gericht heftig. Immerhin der Streit um den Sitz des geplanten zentralen Patentgerichts, das nun in Paris ansässig sein soll, wurde am vergangenen Freitag anlässlich des EU-Gipfels beigelegt.
Die Diskussionen waren zwar auch von der Sorge geprägt, das Gericht mit qualifizierten Richtern besetzen zu können. Argumente wie die Verkehrsanbindung, die Nähe zu anderen patentrechtlichen Institutionen oder der schlichte Hinweis auf Fallzahlen von Patentverletzungen in bestimmten Ländern waren aber wohl eher von dem politischen Willen getragen, das Gericht ins eigene Land zu holen, als der Sorge um die Funktionsfähigkeit des Gerichts geschuldet.
So erklärt sich auch die Einrichtung von Nebenstellen in München und London in der Sache nicht. Es ist schon fraglich, ob Nebenstellen verwaltungstechnisch Sinn ergeben. Außerdem ist abzusehen, dass das Gericht in der Anfangsphase gar nicht ausgelastet sein wird. Vor allem angesichts der geplanten langen Übergangsphase, in der optional nationale Gerichte weiterhin bemüht werden können, muss man die Nebenstellen daher wohl eher als das Ergebnis eines Kompromisses ansehen.
Zuständigkeiten der Nebenstellen unklar
Jedenfalls haben die Regierungschefs nun offenbar ein Konzept gefunden. Die Informationen über dessen Inhalt beruhen bislang allerdings auf mündlichen Äußerungen der Gipfelteilnehmer. Es bleibt insbesondere unklar, wann man mit einer Patentstreitigkeit nach München oder London gehen sollte.
Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel soll München für die Automobilindustrie beziehungsweise den Maschinenbau zuständig werden, London für die Biotech- und Pharmabranche, das heißt für Chemie- und Pharmapatente. Daneben kursieren Gerüchte, dass München verwaltungstechnische Aufgaben zukommen sollen.
Denkbar ist, die Zuständigkeiten der Nebenstellen nach Patentklassen aufzuteilen. Eine Differenzierung nach Branchenbezug oder Themengebiet ist dagegen schon wegen technischer Überschneidungen zwischen den Branchen nicht praktikabel. Dies gilt insbesondere für den Versuch bestimmte technische Teile allein als Automobil-Patent zu klassifizieren.
Sprache, Zuständigkeit, Unionsrecht - es bleiben viele Fragen
Der Patentrechtsanwalt wird in Zukunft noch vor ganz anderen Fragen stehen als der nach Reiseverbindung und Unterkunft in Paris: In welcher Sprache muss er in Paris verhandeln? Wann muss er überhaupt vor das zentrale Gericht, und nicht vor eine lokale Kammer, ziehen? Und welche Möglichkeit hat der Beklagte, die Zuständigkeit zu beeinflussen?
Nicht zuletzt muss geklärt werden, welche Auswirkungen das Unionsrecht auf das nationale Recht hat: Wann wird ein nationales Patentgericht einen Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen?
Die bisherigen Verordnungsentwürfe werden weiter heftig diskutiert. Dabei beanstanden Praktiker auch die mangelnde Transparenz der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene.
Der Autor Dr. Martin Quodbach, LL.M. ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte in Köln und mit Patentrechtsstreitigkeiten befasst.
Zentrales EU-Patentgericht kommt nach Paris: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6516 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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