Verkehrspolitiker aus der Regierungskoalition wollen Radarwarner im Straßenverkehr erlauben. Bundesminister Ramsauer prüft bereits die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Gesetzesänderung. Eine solche Reform hätte jedoch unabsehbare negative Folgen für die Verkehrssicherheit und stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zu möglichen Vorteilen, meint Dieter Müller.
"Radarwarn- und Laserstörgeräte" sind nach § 23 Abs. 1b der Straßenverkehrs-Ordnung verboten, da sie dazu bestimmt sind, Autofahrer vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen zu warnen oder letztere zu stören. In solche verbotene Gegenstände verwandeln sich durch Blitzer-Apps auch zahlreiche Navigationsgeräte und Smartphones.
Das Verbot gilt seit 2002 und soll nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers vor allem Geschwindigkeitsverstöße erfolgreich bekämpfen helfen. Niemand soll sich mit technischen Hilfsmitteln des Standortes eines Blitzers sicher sein. Diese Absicht soll nun nach den Vorstellungen zahlreicher Verkehrspolitiker aus Union und FDP wie zum Beispiel des Verkehrsexperten der Union-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, aufgegeben werden. Die Parlamentarier verfolgen das populistische Ziel, dass sich Autofahrer zukünftig legal vor stationären Blitzern warnen lassen können, um so das Geschwindigkeitsniveau an Unfallschwerpunkten zu senken. Der mächtige ADAC sieht in dieser Initiative gar eine längst überfällige Anpassung des Rechts an die Realität. Warnungen vor mobilen Blitzern sollen dagegen weiter verboten bleiben.
Die meisten der heutigen Navigationsgeräte sind tatsächlich bereits ab Werk mit Blitzer-Apps ausgerüstet oder werden von ihren Eigentümern entsprechend nachgerüstet. Sie erreichen dadurch de facto den Status illegaler technischer Geräte, die die Polizei rechtmäßig beschlagnahmen dürfte (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.10.2002, Az. 1 S 1925/01). Allerdings werden Polizeibeamte nur sehr selten auf diese ja äußerlich vollkommen legal erscheinenden Apparate aufmerksam.
Nutzen von stationären Kontrollen begrenzt sich auf einen Kilometer
Stationäre Blitzer werden hauptsächlich von Städten, Gemeinden und Landkreisen angebracht und waren in der Vergangenheit auf Unfallschwerpunkte sowie Gefahrenstellen beschränkt. In der jüngsten Zeit bringen jedoch zahlreiche Kommunen Radarkontrollen auch an anderen Orten an, um das Geschwindigkeitsniveau insgesamt im erlaubten Rahmen zu halten und quasi nebenbei auch das Stadtsäckel aufzufüllen.
Der örtliche Nutzen dieser stationären Messanlagen ist dabei nach Informationen der Unfallforschung der Deutschen Versicherer regelmäßig auf einen räumlichen Bereich von 500 Metern vor dem Kontrollgerät bis 500 Meter danach begrenzt. In diesem Bereich halten sich Autofahrer, die den Standort des Blitzers kennen, an die Geschwindigkeitsbegrenzung, nur um diese davor und danach wieder zu überschreiten.
Sollten Radarwarner zukünftig erlaubt sein, würde es rund um stationäre Messanlagen tatsächlich zu einem niedrigeren Geschwindigkeitsniveaus kommen, und zwar an sämtlichen fest installierten Kontrollgeräten, die von den Blitzer-Apps erfasst werden, und eben nicht nur an Unfallschwerpunkten.
Berechenbare Blitzer bergen trügerische Sicherheit
Das verkehrspolitische Signal einer solchen – sicherlich von der Automobilindustrie rasch durch aktuelle Ausstattungsvarianten antizipierten – Legalisierung wäre allerdings verheerend. Jeder Verkehrspolitiker und jeder Polizist weiß, dass auf deutschen Straßen nahezu überall zu schnell gefahren wird. Dies beweisen die täglichen, mobilen Geschwindigkeitsmessungen von Polizei und Kommunen. Radarwarngeräte hätten für derart technisch ausgerüstete Autofahrer den Charme, Blitzer zukünftig gekonnter umgehen zu können, und würden das Gefühl vermitteln, unkontrolliert ihre illegalen Geschwindigkeitsbedürfnisse ausleben zu können. Ein solcher Effekt wäre kontraproduktiv für die Verkehrssicherheit und würde womöglich insgesamt zu einem höheren Geschwindigkeitsniveau auf deutschen Straßen führen.
Zudem hätte die Autofahrer-Lobby das begründete Gefühl, eine mit guten Argumenten erst vor einem Jahrzehnt eingeführte Verbotsvorschrift nach Belieben einer Regierungsmehrheit in ihrem Sinne verändern und der Verkehrsüberwachung ein Schnippchen schlagen zu können. Dies könnte auch Begehrlichkeiten gegenüber der Rotlicht- und Abstandsüberwachung oder gar der mobilen Geschwindigkeitsüberwachung wecken. Die Verkehrspolitik geriete dadurch unter einen Druck, den sie weder wollen, noch verantworten kann.
Gerade die Unberechenbarkeit der Geschwindigkeitskontrollen auf deutschen Straßen lässt viele Autofahrer die erlaubten Grenzen einhalten. Jede Erhöhung der Berechenbarkeit der Verkehrsüberwachung würde eine trügerische Sicherheit erzeugen, die jenseits der bekannten Messstellen ins Gegenteil umschlagen würde. Außerdem würde das andauernde Piepsen der akustischen Warnsignale die Autofahrer auf Dauer mehr nerven, als ihre Nerven zu schonen.
Der Autor Prof. Dr. Dieter Müller ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen, Hochschullehrer und Autor zahlreicher Publikationen zum Verkehrsrecht und Betäubungsmittelrecht.
Dieter Müller, Legalisierung von Radarwarnern: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7156 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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