Die EU überarbeitet derzeit die Richtlinie zur Verpackung von Zigaretten. Der schon seit Jahren vorgeschriebene Warnhinweis auf jeder Zigarettenschachtel soll größer und mit einem abschreckenden Bild kombiniert werden. Gerade junge Menschen will man so vom Griff zur Zigarettenschachtel abhalten. Irgendwie gruselig findet Stephan Schäfer.
Grau verfärbte Zahnstummel, faulende Füße, schwärende Lungen. Grausame Bilder in Hochglanz, die man weder an der Supermarktkasse noch am Frühstückstisch sehen möchte. Doch nach einem Bericht der Tageszeitung Die Welt soll der Anblick solch ekelerregender Schrecklichkeiten bald europaweit zum Alltag gehören.
Tonio Borg, der frisch ins Amt gekommene EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, steht vor dem vorläufigen Abschluss seines ersten Großprojekts: Die Novelle der Tabakproduktrichtlinie. Seit jeher ist das ein von Interessengruppen vermintes Feld, über das sein Vorgänger John Dalli aus dem Amt gestolpert war. Die Vorschriften regeln Herstellung, Aufmachung und Verkauf der Tabakprodukte, insbesondere also deren Verpackungsgestaltung.
Der Vorschlag, alle Packungen vollständig und ohne Herstellermarken zu vereinheitlichen (Plain Packaging), ist zwar fürs Erste vom Tisch. Zufrieden ist die Tabaklobby dennoch nicht und kündigte bereits im Vorfeld der offiziellen Vorstellung des Entwurfs heftige Gegenwehr an. In der Tat enthält auch Borgs Vorschlag viel Zündstoff.
Ekelerregende Bilder als Genussverderber
Besonders sauer stößt den Herstellern auf, dass zukünftig je drei Viertel der Vorder- und Rückseite der Verpackung für eine "kombinierte Bild-/Textwarnung" reserviert werden müssen. Auch die Seiten sind vollständig mit Warnhinweisen zu füllen. Inhalt und Layout dieser Gesundheitswarnung soll die EU-Kommission bestimmen können. Wahrscheinlich wird sie dabei auf abstoßende Ekelbilder setzen, die auf die Folgen des Tabakkonsums hinweisen. In einigen EU-Ländern, darunter Spanien, gibt es längst solche Fotos.
Die Tabakindustrie befürchtet eine Einführung von Einheitspackungen "durch die Hintertür". Zwar verbleibt den Verpackungsdesignern – anders als beim Plain Packaging – auf Front- und Rückseite jeweils ein Viertel der Fläche, auf der sie ihre Marke unterbringen können. Aber wer möchte seinen wertvollen Markennamen schon neben einem faulenden Fuß präsentieren?
Der heftige Widerstand der Zigarettenhersteller kommt daher nicht unerwartet: Würden sie die vergrößerten Warnhinweise einfach hinnehmen, akzeptierten sie die "schleichende Entwertung" ihrer Marken. Damit würden sie selbst dazu beitragen, dass am Ende der Debatte doch Einheitsverpackungen stünden.
Wahrscheinlich wird sich irgendwann der Europäische Gerichtshof (EuGH) damit beschäftigen müssen, wie viel Prozent der Packungsoberfläche von einem Warnhinweis in Beschlag genommen werden darf. Nicht so wahrscheinlich ist, dass Borg mit seinem Entwurf dann auch als Sieger den Platz verlässt.
Schleichende Entwertung der Marke
Bereits die heute vorgeschriebenen Warnhinweise nach der Tabakproduktrichtlinie hatte der EuGH nämlich differenziert beurteilt (Urt. v. 10.12.2002, Az. C-491/01). Er stellte fest, dass die Gestaltungsvorgaben sehr wohl in das unionsrechtliche Eigentumsgrundrecht eingreifen. Der Schutz der Gesundheit rechtfertigte aus der damaligen Sicht der Luxemburger Richter jedoch die heute gebräuchlichen Warnhinweise.
Die Urteilsbegründung lässt allerdings erahnen, dass eine darüber hinausgehende Verkleinerung der Fläche, die dem Hersteller zur freien Verfügung steht, recht schnell in den Wesensgehalt des Eigentumsgrundrechts eingreifen könnte. Zumal nach der Neufassung auch Hüllen verboten werden sollen, die über die Zigarettenpackung gestülpt werden können.
Damit deutet sich die Unverhältnismäßigkeit von Borgs Entwurf an: Ein Viertel der Packungsfront wird wohl nicht ausreichen, um die Marke auch nur ansatzweise zur Geltung zu bringen. Ebenso ist längst nicht geklärt, ob sich die Größe der Warnhinweise überhaupt auf das Konsumverhalten auswirkt. Das wird die Verhaltensforschung klären müssen. Greift der Verbraucher trotz drastischer Hinweise unverändert zum Glimmstengel, wäre die geplante Verpackungsregel schlicht ungeeignet.
Zeit für die Lobbyisten
Die Luft auf dem Feld der Tabakwerbung wird seit Jahren immer dünner, sodass auch außerhalb der Verpackung kaum mehr eine sinnvolle Werbemöglichkeit mehr besteht. Mit jeder neuen Maßnahme steigt daher die Eingriffsintensität, es sei denn die Hersteller bekämen es nur mit einer größeren Textwarnung ohne Bild zu tun. Denn das würde die Markenwahrnehmung weniger stark dämpfen.
Im politischen Prozess gibt es nun noch viele Möglichkeiten, den Entwurf an entscheidender Stelle zu verändern. Die Lobbyisten werden sich an die Arbeit machen.
Nicht ausgeschlossen ist, dass einige der sinnvolle Änderungen dem politischen Geschachere zum Opfer fallen. Und zwar gerade solche, die dem Ziel dienen, junge Leute vom Qualmen abzuhalten: das Verbot von Aromastoffen – das Aus für die Mentholzigarette – , die Vereinheitlichung der Packungsgrößen oder der obligatorische Hinweis auf Möglichkeiten der Suchthilfe.
Der Autor Stephan Schäfer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth und promoviert bei Prof. Dr. Stefan Leible zum Verbraucherschutz in Italien.
Stephan Schäfer, Schockbilder auf Zigarettenschachteln: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7825 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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