Bevor sie Fördergelder verteilt, will sich die Bundesregierung von Projekten gegen Rechtsextremismus künftig eine politisch unbedenkliche Gesinnung bescheinigen lassen. Nicht nur im Bundestag wächst der Widerstand gegen die verfassungsrechtlich problematische "Demokratieerklärung". Von Prof. Dr. Ulrich Battis.
Seit mittlerweile bald zwanzig Jahren hat der Bund Programme zur Bekämpfung des Neonazismus aufgelegt. Auch wenn über ihre konkrete Ausgestaltung stets diskutiert wurde: Im Ergebnis haben sie eine Vielfalt vor Ort unterstützt und hervorgebracht, die von außerschulischer Bildung und Jugendarbeit, Hilfen für Opfer, Förderung von demokratischen Jugendstrukturen, Infrastrukturentwicklung, Beratung von politischen Entscheidungsträgern bis hin zu Ausstiegshilfen reicht.
Dabei waren die Programme Ausdruck für die unübersehbare Notwendigkeit, gegen neonazistische, rassistische und antisemitische Tendenzen insbesondere unter Jugendlichen, einer wachsenden Gewaltbereitschaft und neuer Organisationsformen im neonazistischen Bereich vorzugehen. Diese Notwendigkeit besteht noch immer.
Extremismusklausel muss bestimmt sein und dem Gleichheitsgrundsatz genügen
Folgerichtig führt die aktuelle Bundesregierung dieses Anliegen fort. Das derzeitige Programm "Toleranz fördern – Kompetenz stärken" sieht erstmals vor, dass die Träger von Projekten gegen Rechtsextremismus als Zuwendungsempfänger eine Erklärung unterzeichnen, wonach sie sich sowohl zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes (GG) förderliche Arbeit gewährleisten als auch ihre Kooperationspartner dahingehend überprüfen sollen.
Die Bedeutung einer solchen Erklärung für die betreffenden Organisationen ist hoch. Wenn sie nicht unterzeichnen oder gegen die dortige Selbstverpflichtung verstoßen, werden die Mittel entzogen. In vielen Fällen würde dies ein Ende ihrer Arbeit bedeuten - und für die Gesellschaft ein Projekt weniger, das sich für Demokratie, Zivilcourage und Toleranz einsetzt.
Dabei dient die Extremismusklausel dem legitimen Ziel, die Demokratie zu fördern und zu gewährleisten. Nur solche Projektträger sollen die Zuwendung erhalten, die sich für Demokratie im Sinne des GG einsetzen. Sie muss in ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch darüber hinaus hinreichend bestimmt sein und dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG genügen.
Eine unterschiedliche Behandlung von den Organisationen, die die Erklärung unterzeichnen und denjenigen, die das ablehnen ist nämlich nur dann verfassungskonform, wenn Differenzen von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn die Ungleichbehandlung zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist.
Alleinige Selbstverpflichtung als milderes Mittel
Zum einen sollen sich die Projektträger zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und eine den Zielen des GG förderliche Arbeit gewährleisten. Das formale Bekenntnis und die Verpflichtung, die Arbeit des Projektes entsprechend auszurichten, sind geeignete Mittel um zu gewährleisten, dass nur solche Projektträger gefördert werden, die im Sinne der Verfassung arbeiten. Sie sind darüber hinaus auch erforderlich und angemessen.
Zum anderen sollen die Projektträger Sorge dafür tragen, dass die als Partner ausgewählter Organisationen eine den Zielen des GG förderliche Arbeit leisten und keinesfalls der Anschein erweckt werden dürfen, dass eine Unterstützung extremistischer Arbeit geleistet werde. An dieser Verpflichtung ist problematisch, dass sie nicht genau definiert, welche Kontrollhandlungen die Projektträger vorweisen müssen, welcher Verdachtsgrad der mangelnden Verfassungstreue für eine Ablehnung der Zusammenarbeit anzunehmen und auf wessen Bewertung abzustellen ist.
Dabei ist zu beachten, dass zur Überprüfung dieser Voraussetzungen erhebliche Ressourcen gebunden sein werden, die zumindest parallel nicht in die Demokratieförderung fließen können. Außerdem würde die gegenseitige Kontrolle zu einem Klima des Misstrauens führen. Dabei handelt es sich bei den Antragstellern um Gruppen, die in den letzten Jahren zu einem wesentlichen zivilgesellschaftlichen Fundament gegen Neonazismus geworden sind. Für die Effektivität und Effizienz ihrer Arbeit ist Vertrauen, Zusammenarbeit und Vernetzung unabdingbar. Eine solche Pflicht zur gegenseitigen Überwachung und Kontrolle ist unverhältnismäßig, da sie zu einer erheblichen Belastung der Zusammenarbeit der verschiedenen Initiativen führen wird. Diese Folge steht nicht in einem angemessen Verhältnis zu ihrem Nutzen.
Im Ergebnis stellt die alleinige Selbstverpflichtung ein milderes Mittel zur Erreichung des legitimen Zwecks der Demokratieförderung dar. Verhältnismäßig wäre es, den Projektträgern lediglich das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung aufzuerlegen und von einer Pflicht zur gegenseitigen Kontrolle und Überwachung abzusehen. Entsprechende Forderungen im gemeinsamen Antrag der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen werden wahrscheinlich im Parlament keine Mehrheit finden. Die zivilgesellschaftliche Diskussion wird angesichts der vom Land Berlin gegen die so genannte Demokratieerklärung eingelegten Rechtsmittel sowie Äußerungen von Seiten des DGB in jedem Fall andauern.
Der Autor Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis ist Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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Proteste gegen Extremismusklausel: . In: Legal Tribune Online, 04.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2482 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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