Der Streit zwischen Jan Böhmermann und Imker Rico Heinzig um dessen "Beewashing Honey" ging vor dem OLG Dresden in die zweite Runde. Einen Vergleich lehnten beide Seiten ab, denn es geht um Grundsätzliches.
Durfte der Meißener Imker Rico Heinzig mit Gesicht und Namen von Jan Böhmermann für einen Honig werben? Als Revanche dafür, dass Böhmermann ihn zuvor in einer Sendung über Bienen und Borkenkäfer des Greenwashings mit Bienenpatenschaften bezichtigt hatte? Darum geht es in einem vom Satiriker angestoßenen einstweiligen Verfügungsverfahren. Nachdem das Dresdener Landgericht (LG) einen Unterlassungsanspruch gegen Heinzig Anfang Februar abgelehnt hatte, sieht es das dortige Oberlandesgericht (OLG) in zweiter Instanz nun wohl genauso. "Die Auffassung des Landgerichts lässt sich gut teilen", so der Vorsitzende Richter Markus Schlüter zu Beginn der Berufungsverhandlung am Dienstag.
Nach diesem Satz scheint der sich anschließende anderthalbstündige Austausch rechtlicher Argumente zunächst zu einer Farce zu verkommen. Immerhin aber beste Unterhaltung für die zahlreichen Zuschauer im großen Saal 2.5. Böhmermann selbst jedenfalls ersparte sich das Theater erneut und tauchte gar nicht erst auf. Er ließ allerdings ausrichten, den Verfahrensverlauf sehr interessiert zu verfolgen. Ihm geht es um Grundsätzlicheres als die Frage, ob er eine Weile für Honigwerbung herhalten musste.
Er will vielmehr wissen: Muss er, wenn er in seiner investigativ-satirischen Sendung Geschäftsleute durch den Kakao zieht, künftig damit rechnen, dass diese ihn ebenfalls öffentlich verschaukeln und daraus auch noch Kapital schlagen? Heinzig verfolgt ein ebenso grundsätzliches Interesse: Die Gerichte sollen feststellen, dass man sich mit satirischer Werbung gegen satirische Kritik wehren darf – weil es im Wege des Presserechts so schwer sei, gegen Böhmermanns Sendungskonzept vorzugehen.
"Die Sendung interessiert uns nur am Rande"
Diese grundsätzlichen Fragen sprengen den Rahmen des Dresdener Eilverfahrens. "Die Böhmermann-Sendung interessiert uns hier allenfalls am Rande", stellte Richter Schlüter zu Beginn klar. Es sei nicht zu klären, inwiefern Böhmermanns Sendungskonzept selbst Satire oder Investigativjournalismus sei und ob die Redaktion des "ZDF Magazin Royale" im Zusammenhang mit der Bienen-Episode journalistische Fehler gemacht hat. Dann hätte sich Heinzig gegen die Sendung auf dem üblichen presserechtlichen Weg wehren müssen, so Schlüter in Richtung der Beklagtenbank.
Nun geht es stattdessen umgekehrt um die Zulässigkeit der zwei Werbeaktionen Heinzigs, die Böhmermann im Verfügungsverfahren angreift. Zum einen ein Werbeplakat, das in einem lokalen Edeka-Markt aufgehängt worden war. In der Collage zeigt Jan Böhmermann mit seinem Finger auf ein übergroßes Glas "Beewashing Honey", darüber ist zu lesen: "Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt." Zum anderen bewarb Heinzig den Beewashing-Honig auf der Imkerei-Website als "Böhmermann-Honig". Dazu fanden sich dort die Worte: "Der Honig zur ZDF Magazin Royale Sendung – auf Wunsch mit eigenem Firmenbranding."
Diese beiden Aktionen hält das OLG wie zuvor das LG wohl für zulässig. Hinsichtlich des Werbeplakates halten die Gerichte § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) für einschlägig. Demnach ist es erlaubt, das Bild einer fremden Person auch ohne deren Einwilligung zu veröffentlichen bzw. zu verbreiten, wenn es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte handelt.
"Beewashing" als Ereignis der Zeitgeschichte?
Unklar blieb jedoch am Ende der genaue Anknüpfungspunkt. "Die Sendung an sich ist für uns jetzt erst mal kein Ereignis der Zeitgeschichte", stellte Schlüter klar. Stattdessen soll nach Auffassung des Gerichts der Begriff "Beewashing" – als Greenwashing im Imkereiwesen – einen Unterschied machen. Wenn man das Wort googele, finde man nur Treffer im Zusammenhang mit der November-Folge des "ZDF Magazin Royale", so Schlüter. Die Sendung und die anschließende Berichterstattung hätten also ein zeitgeschichtliches Interesse an dem Begriff erzeugt.
Warum damit auch das verwendete Bild des Moderators aus der Sendung ein Bild der Zeitgeschichte wird, wurde aber nicht erörtert. Als Böhmermanns Rechtsanwalt Dr. Torben Düsing (Preu Bohlig) das Gericht zudem darauf hinwies, dass in der Sendung selbst ein Zeitungsartikel mit dem Begriff "Beewashing" von 2020 zitiert wird, es sich also nicht um eine Wortkreation Böhmermanns handelt, wies Schlüter darauf hin, dass das Merkmal nicht an dem Begriff allein hänge.
Die weitere zentrale Rechtsfrage war, inwieweit bei Heinzigs Werbeaktionen stärker das werbende oder das satirische Element im Vordergrund stand. Insofern kam es auf den Lehrsatz an: Satire muss als solche erkennbar sein. Ob das bei dem Werbeplakat sowie bei dem Hinweis im Online-Shop wirklich der Fall war, darüber hatten die Parteien schon in der Verhandlung vor dem LG im Januar munter gestritten. Klar als satirische Kritik erkennbar ist die Werbung für diejenigen, die die Sendung über Bienen und Borkenkäfer im November gesehen haben. Aber gilt das auch für die übrigen Imkerei-Kunden?
Auch Boris Becker hilft Böhmermann nicht
Nein, meint Böhmermanns Anwalt Düsing. Die auf dem Werbeplakat über Böhmermanns Kopf angebrachte "Empfehlung" für den Beewashing-Honig könne der unbefangene Kunde so deuten, als würde der Satiriker tatsächlich das Produkt empfehlen. Dadurch nutze Heinzig Böhmermanns Berühmtheit zu Werbezwecken aus. Das sei unzulässig – und zwar unabhängig davon, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliege. Jedenfalls im Rahmen der stets nach § 23 Abs. 2 KUG erforderlichen Interessenabwägung müsste das Werbeinteresse hinter dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten zurückstehen.
Das OLG sieht das aber wohl – wie schon das LG – anders. Schlüter stellte mehrfach klar, der satirische Charakter der Werbung sei hier klar erkennbar. Also auch für diejenigen, die die Bienen-Episode des "ZDF Magazin Royale" nicht gesehen haben. Hinsichtlich der Online-Werbung verwies das Gericht darauf, dass durch den Hinweis "der Honig zur Sendung" der Bezug zu der – dort auch verlinkten – Folge klar werde.
In Bezug auf das Werbeplakat führte Schlüter aus, Böhmermanns "Empfehlung" für den Honig nehme der Kunde nicht ernst, da klar sei, dass der Satiriker kein "führender Käfer- und Bienenexperte" ist. Diese Klarstellung rief beim Publikum das gleiche – hörbare – Schmunzeln hervor wie schon in der Verhandlung vor dem LG. Aber ist das Plakat wirklich als satirische Kritik an Böhmermann erkennbar, nur weil dieser kein Bienenexperte ist? Könnte es nicht dennoch freiwillige Werbung Böhmermanns sein?
"Boris Becker macht auch aktuell Werbung für Fenster, ohne Fensterexperte zu sein", konterte Düsing die Ausführungen des Gerichts. Und weiter: "Wer Jan Böhmermann kennt, für den wäre es gar nicht so fernliegend, dass er sich selbst als führender Käfer- und Bienenexperte darstellen würde." Diese Selbstironie gehöre auch zum Merchandise-Konzept, so der Anwalt. Diese Argumente schienen am 4. Senat allerdings abzuprallen.
"Cancel Culture" statt "Beewashing Honey" – wie geht es weiter?
Und so wird Jan Böhmermann diese zweite Runde wohl auch verlieren. Sein Urteil will das OLG am 18. Juli verkünden, das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist damit beendet. Doch der Beewashing-Rechtsstreit wird sich fortsetzen – weil es beiden Parteien um mehr geht als um eine zeitlich begrenzte Werbeaktion für Honig. Und weil fraglich ist, wie zeitlich begrenzt die Aktion wirklich ist.
Zwar betonte Heinzigs Rechtsanwalt Dr. Markus Hoffmann (Lippert Stachow) am Dienstag immer wieder, es habe sich nur um eine einmalige Marketing-Maßnahme gehandelt. Auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden, wie lange Heinzig den Beewashing-Honig im Fall eines gerichtlichen Erfolgs noch in der beanstandeten Weise vertreiben wolle, kam von Heinzig und Hoffmann allerdings nichts Konkretes. Klar ist nur, dass das Plakat aktuell nirgendwo mehr hängt und der Honig nun online unter dem Label "Cancel Culture – Deutscher Honig" vertrieben wird. Auf dem Etikett sichtbar ist die Collage von dem Plakat, von Böhmermann zu sehen sind aber lediglich Anzug, Hemd, Krawatte, eine Hand und der hohe Haaransatz des Satirikers – Böhmermanns Gesicht ist weiß, wie ausradiert. Böhmermanns Klage – die sich unter dessen eigenen Begriff der Cancel-Klagen-Culture subsumieren lässt – hat offenbar Heinzigs Kreativität geweckt.
Zudem ist dieser trotz des bisherigen Erfolgs im Eilverfahren skeptisch, ob er auch im Hauptsachverfahren gewinnen wird. Dass Böhmermann dieses im Fall einer weiteren Niederlage im Eilverfahren betreiben wird, ist sehr wahrscheinlich. Als das Gericht am Dienstag andeutete, der vom LG festgesetzte Streitwert sei zu niedrig bemessen, zeigte sich Böhmermann-Anwalt Düsing erfreut wie interessiert, ob das Gericht den Wert über 20.000 Euro ansetzen wird. Oberhalb dieser Grenze kann die im Hauptsacheverfahren unterliegende Partei erzwingen, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Fall befasst, wenn das Berufungsgericht die Revision nicht zulässt.
Karlsruhe soll entscheiden
Die Streitlust der Parteien zeigte sich auch daran, dass sie sich am Dienstagnachmittag – wie schon vor dem LG – nicht auf einen Vergleich einlassen wollten. Obwohl das absehbar war, versuchte Schlüter trotzdem zum Ende der Verhandlung, die beiden Seiten zusammenzubringen. Genau dazu dienten wohl die langen rechtlichen Erörterungen zuvor.
Bevor der Fall im Hauptsachverfahren in Karlsruhe landet, wird er aber zunächst eine weitere Schleife durch die Dresdener Justiz ziehen müssen. Nach dem BGH könnte Böhmermann auch das benachbarte Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anrufen. Nach einem jüngeren BVerfG-Beschluss ist womöglich auch nach Ende des Eilverfahrens schon eine Verfassungsbeschwerde möglich.
In diesen Verfahren wird die Frage wieder auf den Tisch kommen, ob weiterhin ein zeitgeschichtliches Interesse an der Verbreitung des Böhmermann-Bildes besteht. Im Eilverfahren wies der Vorsitzende auf den am Dienstag gut gefüllten Zuschauerraum als Indiz für ein noch immer hohes Interesse hin. Er deutete jedoch – zur Enttäuschung von Heinzig und Hoffmann – an, dass das zeitgeschichtliche Ereignis mit der Zeit entfallen dürfte. Der Senat ließ sich nicht davon überzeugen, was allgemein als "Streisand-Effekt" bekannt ist und Hoffmann vorliegend "Böhmermann-Paradox" nennt: dass Böhmermann mit dem Betreiben des Rechtsstreits selbst das mediale Interesse erhöht und aufrechterhält.
Dass das vorliegend so ist, lässt sich kaum von der Hand weisen. Als Argument dafür, dass das für Böhmermann rechtlich nachteilige Ereignis der Zeitgeschichte hierdurch zeitlich verlängert wird, wollte das OLG diesen Effekt aber nicht gelten lassen. Ob die Bundes- und Verfassungsrichter in Karlsruhe das anders sehen, ist fraglich. Denn dadurch würde Böhmermann materiellrechtlich schlechter dastehen, weil er in prozessual zulässigerweise seine Rechte geltend macht. Eine weitere grundsätzliche Frage des Beewashing-Streits.
Berufungsverhandlung Böhmermann vs. Imker: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54746 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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