Wann müssen Influencer ihre Produktpräsentationen als Werbung kennzeichnen? Am Montag beginnt in München ein Verfahren, durch das sich eine völlig verunsicherte Branche Klarheit erhofft, wie Sabrina Dücker und Nele Todsen zeigen.
Die Marschroute im Verfahren vor dem Landgericht (LG) München I (Az.: 4 HK O 14312/18) ist klar: "Recht auf freie Meinungsäußerung, dafür kämpfe ich", schreibt Cathy Hummels auf ihrem Instagram-Account. Auch ihr Anwalt Christian-Oliver Moser gibt sich kämpferisch: "Wir gehen notfalls bis zum Bundesgerichtshof; das ist ein grundsätzliches Thema." Das sieht nicht nur Moser so. Vielmehr wird die gesamte Influencer-Szene mitfiebern, wenn sich seine 31-jährige Mandantin am kommenden Montag ab 10 Uhr, vermutlich persönlich, vor Gericht gegen den Vorwurf verbotener Werbung auf Instagram verteidigen wird.
Der Streit um die rechtlichen Rahmenbedingungen des sogenannten Influencer-Marketings schwelt schon seit Langem. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob und unter welchen Umständen sogenannte Influencer, die über ihre diversen Social-Media-Kanäle ein Millionenpublikum erreichen, selbst gekaufte Produkte anpreisen dürfen, ohne das als Werbung kennzeichnen zu müssen.
Ein aufsehenerregendes Urteil des LG Berlin vom Mai 2018 (Az. 52 O 101/18) sorgte für völlige Verunsicherung in der Szene. Das Berliner Gericht entschied, dass Influencer unter Umständen auch bei der Präsentation selbst gekaufter Produkte ihre Instagram-Posts als Werbung kennzeichnen müssten. Jedenfalls gelte dies für Nutzer mit besonders vielen Followern, wenn der betreffende Post um einen Link zum Instagram-Account des jeweiligen Unternehmens ergänzt werde.
Pauschale Kennzeichnung als Werbung ist keine Lösung
Klare Vorgaben für das Kennzeichnen von Influencer-Beiträgen ließ das Urteil jedoch vermissen. Ein Blick auf die relevante Rechtsprechung zeigt sogar: So zahlreich die Entscheidungen zur Problematik inzwischen auch sind, so undurchsichtig bleibt die Rechtslage. In jüngster Vergangenheit hat das dazu geführt, dass ein großer Teil der Influencerschaft seine Posts grundsätzlich als Werbung kennzeichnet. Eine absurde Situation, kann der gemeine Nutzer doch überhaupt nicht mehr zwischen Werbung und "normalen" Seiteninhalten unterscheiden.
Zu Recht befürchten die Landesmedienanstalten durch den Trend der pauschalen Kennzeichnung eine Verwässerung des Werbebegriffes. Ebenfalls problematisch: Teilweise wird durch das übereifrige Kennzeichnen eines Beitrags als Werbung fälschlicherweise eine Partnerschaft mit einem Unternehmen suggeriert. Je nachdem, um wen es sich bei dem Kennzeichner im Einzelfall handelt, ist das dem Unternehmen aber überhaupt nicht recht.
Das LG Berlin spricht den entscheidenden Punkt in seinem Urteil an: Private Motivation kann bei besonders einflussreichen Influencern nicht sauber von gewerblicher getrennt werden. Genau dieses Spiel mit Glaubwürdigkeit und Authentizität ist es aber, was Influencer-Marketing überhaupt so attraktiv macht. Die Frage bleibt, wie man dem berechtigten Verlangen nach Transparenz und Glaubwürdigkeit gegenüber den Nutzern Rechnung tragen kann.
Ein Mittelweg muss her
Sinn und Zweck der Kennzeichnungspflicht bei werbenden Beiträgen ist die Wahrung des Trennungsgebotes. Dieses liegt dem Rundfunkstaatsvertrag (RStV), dem Telemediengesetz (TMG) und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als rechtlichem Rahmen zugrunde und verpflichtet dazu, redaktionelle von werblichen Inhalten zu trennen. Letztlich geht es dabei um den Schutz der freien Entscheidungsmöglichkeit des Verbrauchers. Der privaten Äußerung eines Instagram-Idols tritt dieser natürlich weniger skeptisch entgegen als offensichtlicher Werbung.
Keine Lösung kann es sein, die Kennzeichnungspflicht auf alle Arten von empfehlenden Posts auszuweiten. Dagegen spricht vor allem, dass dies massiv in die Meinungsfreiheit des Betroffenen eingriffe. Die Möglichkeit privater Äußerungen wäre einem Influencer damit gänzlich genommen.
Dem entgegen könnte man Instagrammer auch von jeglicher Kennzeichnungspflicht entbinden, ganz nach dem Motto: "Freies Internet für mündige Bürger!" Dieser libertäre Gedanke hat zwar einen gewissen Charme: Dem erfahrenen Internet-Nutzer wird ohnehin klar sein, dass sein Lieblingsfußballspieler die Hautcreme nicht ohne Gegenleistung als die beste ihrer Art empfiehlt.
Gerade in der Welt der sozialen Netzwerke tummelt sich aber besonders schutzwürdige und unbedarfte Kundschaft, zum Beispiel Kinder und Jugendliche. Diesen fällt es oft schwerer, zwischen gut gemeintem Tipp und gut bezahlter Werbung zu unterscheiden. Berücksichtigt hat dies auch der Gesetzgeber – und mit dem Verbot der unmittelbaren Kaufaufforderung an Kinder (UWG) oder dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag besondere Maßnahmen getroffen.
Hinzu kommt, dass es auch erfahrene Nutzer häufig interessiert, was Meinung und was Werbung ist.
Rechtsunsicherheit für alle Akteure
In der sich rasant entwickelnden Welt der sozialen Netzwerke fehlen aber bisher konkrete Regelungen zur Kennzeichnung potenziell werbender Beiträge. Dadurch entsteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die die beteiligten Akteure – sowohl Influencer und Unternehmen als auch Gerichte – zunehmend vor große Probleme stellt. Wünschenswert wäre daher eine echte Klarstellung durch den Gesetzgeber.
Influencer müssen in der Lage sein, auch auf ihren teilweise gewerblich genutzten Accounts private Äußerungen zu tätigen; das gebietet schon die Meinungsfreiheit. Verfolgen sie dabei nicht erkennbar gewerbliche Zwecke, darf ihnen das auch nicht pauschal unterstellt werden.
Das LG Berlin hatte ausgeführt, dass auch die Präsentation selbst erworbener Produkte unter anderem dazu geeignet sei, konkrete Geschäftsbeziehungen anzubahnen. Das ist zwar nicht grundsätzlich falsch, unterstellt dem betroffenen Influencer aber, keinerlei rein private Interessen mehr zu verfolgen und immer nur die Erweiterung seines Geschäfts im Blick zu haben.
Ein Elefant als Problembär
Im Fall Hummels geht es unter anderem um einen blauen Stoff-Elefanten. Den hatte die Influencerin laut eigener Aussage von Verwandten zur Geburt ihres Sohnes bekommen. "Ich habe ihn lediglich benutzt, um Ludwigs Gesicht unkenntlich zu machen. Daraufhin kam die Abmahnung. Angeblich hab ich Werbung für dieses Tierchen gemacht", schrieb Hummels in einem Instagram-Post. Das Gericht muss nun jede einzelne "Empfehlung" genau überprüfen. Nach Auffassung der Vorsitzenden Richterin mache es einen Unterschied, ob Hummels für das beworbene Produkt eine Gegenleistung erhalten habe oder eben nicht.
Dies entspricht im Ergebnis der jüngsten Rechtsprechung des Kammergerichts (KG, Urt. v. 08.01.2019, Az. 5 U 83/18), das das Urteil des LG Berlin zu Recht in Teilen aufgehoben hat. Das KG hält selbst Beiträge, die Links auf Internetauftritte von Produktanbietern enthalten, nicht für generell kennzeichnungspflichtig. Zumindest solange sie allein der Information und Meinungsbildung ihrer Adressaten dienen und der Influencer hierfür weder monetär noch in anderer Weise entlohnt wird.
Jedenfalls was das Elefanten-Bild anbetrifft, dürfte die Klage gegen Cathy Hummels keine Chance haben.
Dr. Sabrina Dücker und Dr. Nele Julie Todsen sind Associates bei Hogan Lovells International LLP in der Praxisgruppe Intellectual Property, Media & Technology. Als Mitglieder der kanzleiinternen Retail and Fashion Content Group beschäftigen sie sich insbesondere auch mit dem Thema Influencer Marketing.
LG München I zum Influencer-Marketing: . In: Legal Tribune Online, 09.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33765 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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