Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamten will die Leihmutterschaft in Deutschland erlauben, die Haager Konferenz bastelt an einer internationalen Lösung. Derweil engagieren jährlich hunderte kinderlose deutsche Paare Leihmütter im Ausland. Dabei kann das Kind im schlimmsten Fall in einem ausländischen Heim landen, erklärt Tobias Helms im LTO-Interview.
LTO: Herr Professor Helms, in ausländischen Filmen sind Leihmutterschaften ebenso selbstverständlich wie bei Prominenten vor allem in den Vereinigten Staaten. Warum ist eine Leihmutterschaft in Deutschland verboten?
Helms: Die deutsche Rechtsordnung kennt den Begriff der Leihmutter gar nicht, und es gibt auch keine verbindliche juristische Definition. Gemeint ist mit der Leihmutterschaft heutzutage aber üblicherweise der Fall, dass eine Frau, also die Leihmutter, eine befruchtete Eizelle übertragen bekommt. Meist stammen die Eizellen von der Wunschmutter und die Samen vom Wunschvater. Jedenfalls stammt das geborene Kind genetisch regelmäßig nicht von der Leihmutter ab.
Das Embryonenschutzgesetz verbietet künstliche Befruchtungen bei Leihmüttern, das Adoptionsvermittlungsgesetz untersagt ihre Vermittlung. Diese Gesetze stammen aus den Jahren 1989 und 1991, sind also schon etwas älter. Der Gesetzgeber hatte damals vor allem zwei Befürchtungen: Eine Sorge war, dass ein auf diese Weise geborenes Kind unter Identifikationsproblemen leiden könnte, sobald es erfährt, dass seine Mutter es nicht zur Welt gebracht hat.
Noch stärker war die Angst, dass es bei Leihmutterschaften zu menschenunwürdigen Konflikten kommen könnte. In erster Linie dachte man dabei an Leihmütter, die ihr Kind doch nicht an die Wunscheltern herausgeben möchten. Ferner hatte der Gesetzgeber Fälle im Blick, in denen die Leihmutter ein behindertes Kind zur Welt bringt, das die Wunscheltern dann möglicherweise gar nicht haben möchten.
LTO: Haben diese Befürchtungen sich in anderen Ländern bewahrheitet?
Helms: Zumindest die Konstellation, dass eine Leihmutter das Kind dann doch nicht hergeben möchte, gibt es im Ausland immer wieder, und die sorgen dort auch für entsprechendes Aufsehen. Die Staaten, in denen die Leihmutterschaft erlaubt ist, gehen mit solchen Fällen unterschiedlich um. In einigen Ländern gibt es für die Wunscheltern tatsächlich einen Anspruch auf Herausgabe des Kindes. Aber selbst wenn es einen solchen Anspruch nicht gibt, sind Konflikte natürlich vorprogrammiert.
"Vergleich der Leihmutterschaft mit der Adoption hinkt"
LTO: Befürworter einer Leihmutterschaft fordern die Streichung des hierzulande geltenden Verbotes und ziehen dabei gerne Parallelen zur Adoption, die ja erlaubt ist. Überzeugt Sie diese Argumentation?
Helms: Ich denke, der Vergleich mit der Adoption hinkt. Dort ist die Situation so, dass es ein fürsorgebedürftiges Kind gibt, für das man Eltern finden muss – dort steht also das Kindeswohl im Mittelpunkt. Bei der Leihmutterschaft hingegen geht es primär um den Kinderwunsch der Eltern.
Ein weiterer Unterschied ist, dass die Leihmutter ein Kind bekommt, das im Regelfall mindestens von einem der Wunscheltern abstammt. Dies ist in manchen Ländern sogar Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Leihmutterschaft.
LTO: Wie halten es eigentlich andere europäische Staaten mit der Leihmutterschaft?
Helms: International dominiert nach wie vor das Verbot. Aber die Anzahl der Länder, die liberaler gegenüber der Leihmutterschaft eingestellt sind, nimmt zu. In Europa gibt es unter diesen liberal eingestellten Ländern verschiedene Modelle. In Belgien, den Niederlanden und Großbritannien beispielsweise ist die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt.
In Belgien und in den Niederlanden kann die rechtliche Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern aber nur über die Adoption erfolgen, während in Großbritannien für die Fälle der Leihmutterschaft ein vereinfachtes Verfahren zur Übertragung der Elternstellung geschaffen wurde.
Am einfachsten ist es insoweit in Griechenland, wo sich die Wunscheltern die Leihmutterschaft vorher gerichtlich genehmigen lassen und dann nach der Geburt automatisch zu den rechtlichen Eltern werden. In Russland und anderen post-sowjetischen Ländern ist sogar die kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt.
Wenn die Leihmutterschaft entdeckt wird: "Die Eltern müssen ins Ausland oder das Kind ins Heim"
LTO: Wie sieht die rechtliche Lage aus, wenn deutsche Paare in einem dieser Staaten von einer fremden Frau ein Kind gebären lassen?
Helms: Das kann sehr schwierig werden – für die Eltern und für das Kind. Man muss unterscheiden zwischen zwei Situationen. Wenn das Kind bereits nach Deutschland eingereist ist und sich hier aufhält, stellt sich die Frage, wer aus deutscher Sicht die rechtlichen Eltern sind. Ohne jetzt in die Details des internationalen Abstammungsrechts zu gehen: Wenn die Leihmutter verheiratet ist, sind aus deutscher Sicht die Leihmutter und ihr Mann die rechtlichen Eltern. Da kann nur eine Adoption Abhilfe schaffen, die zumindest dann erfolgreich sein wird, wenn das Kind schon länger in der Obhut der Wunscheltern lebt. Ist die Leihmutter nicht verheiratet, kann der deutsche Wunschvater nach den allgemeinen Regeln das Kind anerkennen und mit Zustimmung der Leihmutter der rechtliche Vater werden.
Sehr viel schwieriger ist es, wenn das Kind sich noch im Ausland befindet – die Leihmutterschaft also vor der Einreise entdeckt wurde. Dann geraten die Kinder zwischen die Stühle: Die ausländischen Behörden halten die deutschen Eltern für die rechtlichen Eltern, während die deutsche Rechtsordnung die Leihmutter und ihren Ehemann als rechtliche Eltern ansieht. Dann gibt es auch keine Einreisemöglichkeit für das Kind. Die Wunscheltern müssen dann entweder im Ausland bleiben oder das Kind wird in einem ausländischen Heim untergebracht.
LTO: Kann in der Situation nicht eine internationale Adoption stattfinden?
Helms: Das ist in diesen Fällen sehr schwierig, da die deutschen Behörden bei solchen Konstellationen von einer bewussten Umgehung des hiesigen Verbotes ausgehen und daher keine große Bereitschaft besteht, durch eine Adoption dieses Vorgehen nachträglich abzusegnen. Und die ausländischen Behörden wundern sich, da aus ihrer Sicht die Wunscheltern ja bereits die rechtlichen Eltern sind.
"Die Richter sind in einer Zwickmühle"
LTO: Das ist ja eine äußerst unbefriedigende Lage. Kann da nicht der deutsche Gesetzgeber entsprechend reagieren?
Helms: Zunächst muss man sagen, dass ja auch die deutschen Gerichte die ausländische Rechtsauffassung akzeptieren könnten. Zumindest dann, wenn nach den Regeln unseres internationalen Abstammungsrechts eigentlich die ausländische Rechtsordnung anwendbar ist, könnte die rechtliche Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern akzeptiert werden, die deutsche Justiz müsste sich schließlich nicht auf einen Verstoß gegen den ordre public berufen.
Die Richter sind dabei natürlich in einer Zwickmühle. Wenn sie sich bei der Bewertung der abstammungsrechtlichen Lage großzügig geben, laden sie dazu ein, das deutsche Verbot der Leihmutterschaft im Ausland zu umgehen. Aber das Ergebnis kann nicht sein, dass die Kinder bestraft werden, die trotz des Verbotes geboren werden. Der Konflikt kann also letztlich nicht anders gelöst werden, als dass die Gerichte versuchen, die beste Lösung für die Kinder zu finden. Obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen stehen noch aus.
Und was die von Ihnen angesprochene Frage der Gesetzgebung angeht: Derzeit gibt es eine Initiative der Haager Konferenz für internationales Privatrecht. Diese versucht, eine Lösung für die Fälle der internationalen Leihmutterschaft zu erarbeiten. Bis jetzt gibt es nur Vorüberlegungen, aber man hat die Brisanz des Problems erkannt. Da die Thematik aber sehr heikel ist, wird eine Einigung schwierig werden. Trotzdem wird der deutsche Gesetzgeber erst einmal abwarten, ob die Haager Konferenz nicht doch eine Lösung findet.
LTO: Würden sie Paaren mit Kinderwunsch derzeit von einer Leihmutterschaft im Ausland abraten?
Helms: Ja, auf jeden Fall. Die rechtlichen Risiken sind gravierend und die Wunscheltern bewegen sich bei ausländischen Leihmutterschaften in einer rechtlichen Grauzone mit ungewissem Ausgang.
LTO: Herr Professor Helms, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Prof. Dr. Tobias Helms hat an der Phillips-Universität zu Marburg die Professur für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung inne. Er hat das Thema der Leihmutterschaft bislang vor allem rechtsvergleichend erforscht.
Die Fragen stellte Jens Kahrmann.
Internationale Leihmutterschaften: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7599 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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