ARD und ZDF wollen die Kabelnetzbetreiber nicht mehr dafür bezahlen, dass sie ihr Fernsehprogramm übertragen. Während Kabel Deutschland und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Streit um die Einspeisegebühren vor Gericht ausfechten, können sich die Zuschauer entspannt im Fernsehsessel zurücklehnen und den ARD-Kommissaren bei ihren Ermittlungen zugucken, meint Karl-Nikolaus Peifer.
Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten und das ZDF haben ihre Einspeiseverträge mit den Kabelnetzbetreibern Kabel Deutschland sowie den mittlerweile fusionierten Unternehmen Unitymedia und Kabel BW im Frühjahr bzw. zum Ende des Jahres gekündigt. Sie wollen die Netzbetreiber nicht mehr für die Übertragung ihrer Programme bezahlen und begründen dies damit, dass Kabel Deutschland und Co. gesetzlich verpflichtet seien, die Programme unentgeltlich auszustrahlen und zwar nach § 52b des Rundfunkstaatsvertrages (RStV).
Die Netzbetreiber haben der Kündigung widersprochen und gehen nun gerichtlich zum Angriff über. Am Dienstag fand eine erste mündliche Verhandlung in Sachen Kabel Deutschland gegen den RBB vor dem Landgericht Berlin statt; am Donnerstag geht es vor dem LG München I weiter gegen den Bayerischen Rundfunk. Die Berliner Richter zweifelten daran, dass der RBB noch länger an Kabel Deutschland für die Verbreitung seiner Programme zahlen müsse. Eine Entscheidung soll erst am 26. Februar fallen.
Relikt aus der Zeit der Deutschen Bundespost
Der Streit mutet kurios an. Der Zuschauer ist es gewohnt, für den Empfang von Kabelprogrammen zu zahlen. Gastwirt und Hotelier zahlen für die Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen. Wie kommt es aber, dass die Programmgestalter den Transport ihrer eigenen Programme zusätzlich finanzieren?
Die Begründung dafür ist nur aus der Historie der Kabelversorgung zu erklären. Die Kabelnetze baute noch in den 1980er Jahren die Deutsche Bundespost auf. Die Mittel dazu steuerten unter anderen die Rundfunkanstalten bei, eben durch die Zahlung von Einspeiseentgelten. Vom Programmanbieter finanzierte Transportleistungen gibt es heute noch bei terrestrisch übertragenen Sendungen und frei empfangbaren Satellitenprogrammen. Der Grund ist einleuchtend: Wenn die Zuschauer nicht zahlen, muss der Sender den Transport finanzieren.
In einem liberalisierten Kabelmarkt ist für den Zuschauer allerdings nichts gratis. Er entrichtet – wie auch fürs Telefonieren – Empfangsgebühren, und zwar an den jeweiligen Netzbetreiber. Die Rundfunkanstalten argumentieren daher, dass ihr Einspeisebeitrag gar nicht mehr erforderlich ist, um die Netze aufzubauen und zu erhalten. In der Tat erhalten die großen Kabelnetzbetreiber mittlerweile von den Zuschauern sehr viel mehr Geld als von den Sendern. Die Anstalten wollen daher zum Normalfall zurückkehren: Wer wertvollen Content bereitstellt, muss dafür nicht zahlen.
Kabel Deutschland: Wer übertragen muss, muss auch bezahlt werden
Auch urheberrechtlich argumentiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk zutreffend. Die Sender haben Ausschließlichkeitsrechte an ihren Programmen. Nach der Logik des Urheberrechts sollten Rechteinhaber vergütet werden und nicht ihrerseits ein Entgelt an den Transporteur ihrer Leistung entrichten. Der Umstand, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Programme kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, hat mit der Gebührenfinanzierung, nicht aber mit einer urheberrechtlichen Bereichsausnahme zu tun.
Was hat Kabel Deutschland dem entgegenzusetzen? Nach § 52b RStV muss das Unternehmen öffentlich-rechtliche Programme transportieren („must-carry“) – nach Ansicht des Unternehmens folgt daraus ein Kontrahierungszwang, der die Kündigung des bestehenden Vertrages missbräuchlich mache.
Außerdem versteht Kabel Deutschland "must-carry" auch als "must-pay". Wer Daten transportiere und die Infrastruktur dafür zur Verfügung stelle, erwarte eine Gegenleistung. So tue es auch der Taxifahrer, der einen Fahrgast befördere. Die Hamburger Medienrechtler Hans-Heinrich Trute und Roland Broemel unterstützen diese Auslegung in einem von Kabel Deutschland beauftragten Gutachten, das dem Autor vorliegt.
Sonntag, 20:15 Uhr: Wohl kein Testbild statt Tatort
Ob für den öffentlichen Rundfunk aber tatsächlich dasselbe gilt wie für einen Taxifahrer? § 52b RStV schweigt dazu. Ausschlaggebend wird sein, ob das Medienrecht die von den Rundfunkanstalten genutzten Leitungskapazitäten einer kommerziellen Verwertung von vornherein entzieht.
Ein Testbild auf ARD und ZDF müssen die Zuschauer jedenfalls nicht befürchten. Denn zum einen haben die Sender angekündigt, ihre Programme weiterhin zur Verfügung zu stellen. Zum anderen wird Kabel Deutschland wohl den Ärger mit seinen Kunden scheuen, und nicht erklären wollen, ohne Vertrag mit der ARD sonntagabends nicht mehr den Tatort, sondern das Testbild zu senden.
Man kann nur hoffen, dass die Richter per Satellit oder DVBT empfangen und sich nicht für befangen erklären müssen.
Der Autor Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer ist Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln.
Tatort Kabelfernsehen: . In: Legal Tribune Online, 20.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7769 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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