Anwesen betreten, Roomtour drehen, Video verbreiten: Sogenannter Immo-Content ist sehr beliebt, wenn auch rechtlich nicht unproblematisch. Georg Jacobs und Marc Dümenil zur Rechtslage und warum es keinen grenzenlosen Immo-Content gibt.
Immobilien-Influencer liegen voll im Trend. Bekannte US-amerikanische Influencer gewähren auf ihren Social-Media-Kanälen Millionen von Followern exklusive Einblicke in (Luxus-)Immobilien. Die Influencer bringen dem Zuschauer per Video Immobilien aller Art von innen und von außen im Detail näher.
Das Format ist bekannt: MTV war bereits ab dem Jahr 2000 mit seiner Show „MTV Cribs“ sehr erfolgreich. Video-Touren durch außergewöhnliche Villen (und auch jegliche andere Immobilien niedrigerer Preisklassen) sind auch weiterhin äußerst beliebt. Einerseits ist der Zugang zu exklusiven Objekten von vornherein nur wenigen Menschen vorbehalten. Nicht jeder hat die Gelegenheit, die schönsten Immobilien der Welt selbst zu besichtigen. Andererseits gehört es sicher zur naturhaften Neugier des Menschen, zu sehen, wie andere Menschen leben.
Dieser Trend lebt nun auch in Deutschland wieder auf und passt zum Zeitgeist („Ich will Immos, ich will Dollars“). Auch hierzulande sind viele Immobilien einfach zu schön, zu außergewöhnlich oder zu interessant, um sie nicht zu zeigen. Doch gibt es Grenzen? Und was sagen die Eigentümer?
Aufnahmen gegen Eigentumsrecht
Alles könnte so einfach sein, wäre da nicht die Grundstücksgrenze. Immo-Content steht im Spannungsfeld mit dem Eigentumsrecht am Grundstück. Jeder Grundstückseigentümer ist Inhaber eines ausschließlichen Rechts an seinem Grundstück. Nach deutschem Recht darf ein Eigentümer mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren. Er darf auch andere von sogenannten Einwirkungen auf sein Grundstück ausschließen. Das Eigentumsrecht erlaubt es, jegliche Eigentumsbeeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen, zu verbieten (§ 1004 BGB). Doch gilt das auch für Bildaufnahmen von Grundstücken, Häusern und Wohnungen? Schließlich sind solche Aufnahmen doch üblich und Teil jedes Maklerexposés.
Für die Antwort auf diese Frage kommt es in erster Linie nicht auf das Eigentum am Aufnahmeobjekt, sondern auf die Grundstücksgrenze an. Das Eigentum ist auch gegen Beeinträchtigungen durch die Veröffentlichung von Bildaufnahmen geschützt, die von dem Grundstück aus angefertigt wurden. Der Eigentümer darf also bestimmten – wortwörtlich grenzüberschreitenden – Immo-Content untersagen. Auf den ersten Blick überrascht das. Denn in der Rechtspraxis steht häufig vielmehr im Fokus, „was“ der Schuldner getan hat und nicht „von wo“ er es getan hat. Der Kern des Ganzen ist bereits in älterer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) angelegt.
Nutzung eines fremden Vermögenswertes
Bereits im Jahr 1974 entschied der BGH zu Immo-Content, nämlich zu Postkartenfotos des Schlosses Tegel. Die gewerbliche Verbreitung von solchen Aufnahmen, die nur angefertigt werden können, wenn das Grundstück betreten wird, bedarf der ausdrücklichen Erlaubnis des Eigentümers (BGH, Urt. v. 20.09.1974, Az.: I ZR 99/73). Liegt eine solche Erlaubnis nicht vor, kann der Eigentümer die Verbreitung verbieten.
Der BGH stellte seinerzeit auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab. Entscheidend war nicht, ob das Fotografieren selbst eine Eigentumsbeeinträchtigung ist. Vielmehr erkannte das Gericht, dass ein fremder Vermögenswert nutzbar gemacht wird, wenn mit Postkarten Aufnahmen eines Gebäudes, das nicht frei zugänglich ist, gewerblich verwertet werden. Dafür benötigt man die Erlaubnis des Eigentümers. Die ausdrückliche Gestattung des Fotografierens reichte dementsprechend nicht (auch) für eine rechtmäßige Verwertung aus.
Aus dieser Unterscheidung könnte bereits das Erfordernis einer doppelten Erlaubnis des Eigentümers abgelesen werden, nämlich einerseits bezüglich der Anfertigung der Aufnahme und andererseits bezüglich der Verwertung der Aufnahme.
Eigentumsbeeinträchtigung durch Aufnahme und Verwertung
In jüngerer Zeit ergänzte der BGH seine Rechtsprechung. Er stellte klar: „Das Eigentum an einem Grundstück wird aber dann durch (das Aufnehmen und) die Verwertung von Fotografien von auf ihm errichteten Gebäuden und auf ihm angelegten Gartenanlagen und Parks beeinträchtigt, wenn das Grundstück zur Anfertigung solcher Fotografien betreten wird“ (Urt. v. 17.12.2010, Az.: V ZR 45/10). Danach kann bereits die Aufnahme (auch) eine Eigentumsbeeinträchtigung sein. Das gilt auch dann, wenn dadurch nicht in die Sachsubstanz des Eigentums eingegriffen wird. Diese Beeinträchtigung werde durch die spätere Verwertung bzw. Veröffentlichung der Aufnahmen „vertieft“.
Grundsätzlich unzulässig sind also solche Aufnahmen, die auf dem Grundstück oder in dem Gebäude angefertigt wurden. Es kommt also maßgeblich darauf an, von wo aufgenommen wird und nicht was aufgenommen wird. Denn anders liegt es, wenn die Aufnahmen nicht von dem Grundstück aus angefertigt wurden, sondern von außerhalb, beispielsweise von einer Straße oder dem Wasser aus. Solche Aufnahmen sind regelmäßig aus eigentumsrechtlicher Sicht zulässig. Denn das Abwehrrecht steht dem Eigentümer nur in den Fällen zu, in denen das Grundstück zur Anfertigung von Aufnahmen betreten wird.
Wenngleich es für Menschen das Recht am eigenen Bild gibt, gibt es also kein Recht am Bild der eigenen Sache. Aber warum ist die Grundstücksgrenze ausschlaggebend? Warum soll es darauf ankommen, ob ein Gebäude nun von der Straße aus oder von dem Grundstück selbst aus abgelichtet wird? In beiden Fällen wird dasselbe Gebäude abgelichtet.
Die Früchte eines Grundstücks
Der springende Punkt liegt darin, dass das Zivilrecht dem Grundstückseigentümer die sogenannten Früchte eines Grundstücks zuschreibt, also auch dessen Erträge. Wenn das Grundstück für bestimmte Aufnahmen betreten werden muss, kommt der Zuschauer allein deshalb in den Genuss der schönen Bilder, weil das fremde Grundstück tatsächlich für eigene Zwecke genutzt wurde. In diesem Moment werden aus dem fremden Eigentum Vorteile gezogen, die eigentlich nur der Eigentümer ziehen darf und nur ihm zustehen. Es ist der Eigentümer, der entscheiden darf, wer die Vorteile ziehen darf, die sich durch das Betreten des Grundstücks erst eröffnen (Urt. v. 01.03.2013, Az.: V ZR 14/12).
Diese Rechtsprechung wird kritisiert, weil es vom Zufall abhängen könne, ob das Grundstück für die Aufnahmen betreten werden muss oder nicht. Sie erscheint aber deshalb richtig, weil für bestimmte Bildaufnahmen ein Eigentumsrecht – aus dem das Betretungsrecht folgt – benötigt wird und für andere eben nicht. Es gibt schließlich kein Recht darauf, so gestellt zu werden wie derjenige, der sich das Eigentum und damit ein Betretungsrecht selbst verschafft hat.
Auch Drohnenaufnahmen sind nicht zulässig
Für die Zwecke von Immo-Influencern ist es natürlich unabdingbar, das Grundstück zu betreten. Im Hinblick auf den Einsatz von Drohnen zur Anfertigung von Aufnahmen ist zu ergänzen, dass sich die Rechte des Grundstückseigentümers auch auf den Luftraum über der Erde erstrecken () und über Wohngrundstücken regelmäßig unzulässig ist (§ 21h Abs. 3 Nr. 7 b) LuftVO).
Es kommt also entscheidend darauf an: Von wo aus wird gefilmt? Werden Aufnahmen ohne Erlaubnis des Eigentümers von seinem Grundstück aus angefertigt, kann der Eigentümer die Verbreitung der Aufnahmen verbieten. Dieses Recht steht auch dem Erwerber einer Immobilie oder einem Nacherben zu, die bereits ein Anwartschaftsrecht erworben haben. Sie sind Inhaber eines wesensgleichen Minus zum Eigentum und damit ebenso geschützt.
Ohne die erforderliche Erlaubnis kann der Eigentümer eine Reihe von Ansprüchen geltend machen. Rechteinhaber werden regelmäßig ein Interesse an einer Untersagung haben. Denn gegen die Verbreitung von Aufnahmen ihrer Wohnungen sprechen Gründe der Privatsphäre, der Sicherheit (sichtbare Aufteilung der Wohnung, Erkennbarkeit von Sicherheitsmaßnahmen für potentielle Einbrecher, etc.) und des Werterhalts der Immobilie.
Keine Rechtfertigung durch Urheberrecht der Influencer
Allerdings sind die Influencer regelmäßig nicht rechtelos, was ihren Content anbelangt. Wer Videoaufnahmen herstellt, ist jedenfalls über § 95 Urheberrechtsgesetz (UrhG) als Rechteinhaber am Laufbild geschützt. In einigen Fällen wird der Immo-Content auch die erforderliche Schöpfungshöhe für einen urheberrechtlichen Schutz als Filmwerk, § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG, erreichen. Solche Urheber haben das ausschließliche Recht, ihr eigenes Werk in körperlicher oder unkörperlicher Form zu verwerten. Sie dürfen – ähnlich wie ein Eigentümer – mit ihrem Werk nach Belieben verfahren und Dritten die Benutzung verbieten.
Auf den ersten Blick steht also das Urheberrecht im Spannungsfeld mit dem Eigentum. Bei genauerer Betrachtung kann dem Eigentümer, der die Verbreitung von Aufnahmen verbieten will, das Urheberrecht aber nicht entgegengehalten werden. Das ergibt sich aus den unterschiedlichen Stoßrichtungen der gegenüberstehenden Rechtspositionen: Das Eigentumsrecht ermöglicht es, Beeinträchtigungen des Eigentums zu verbieten. Hingegen eröffnet das Urheberrecht dem Urheber, Dritten die Benutzung seines Werkes zu verbieten (ausschließliches Verwertungsrecht). Der Eigentümer benutzt aber nicht das Werk des Urhebers.
Zudem kann eine Eigentumsbeeinträchtigung nicht deshalb rechtmäßig werden, weil der Urheber Dritten die Benutzung seines Werkes verbieten kann. Diese Auffassung vertritt auch der BGH. Er verdeutlichte dies an einem Beispiel: Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten durch eine Fotoveröffentlichung ist nicht deshalb rechtmäßig, weil dem Fotografen ein Urheberrecht an dem Foto zusteht ( Urt. v. 01.03.2013, Az.: V ZR 14/12).
Aus dem Urheberrecht ergibt sich demnach keine Rechtfertigung. Daher muss in jedem Fall, in dem Aufnahmen eines Gebäudes von demselben Grundstück aus angefertigt werden, eine Erlaubnis des oder der Eigentümer bzw. der Anwartschaftsrechtsinhaber eingeholt werden. Es können auch mehrere Erlaubnisse erforderlich sein. Zudem darf man sich nicht auf das Wort des Bewohners verlassen: Er ist möglicherweise gar nicht der Eigentümer.
Im Ergebnis: Kein grenzenloser Immo-Content
Damit der exklusive Immo-Content also mehr Genuss als Streit bringt, sind außergewöhnlichen Einblicke in Luxusimmobilien mit den Eigentümern abzustimmen. Hinter der Grundstücksgrenze findet sich ansonsten nicht nur Glamour, sondern vor allem auch Ärger. Denn die Verwertung von Grundstücks- und Gebäudeaufnahmen von demselben Grundstück aus steht grundsätzlich dem Eigentümer zu. Wird das nicht beachtet, kann der Eigentümer Unterlassung verlangen. Das ist dann nicht mehr glamourös.
Dr. Georg Jacobs, LL.M. IP (Boston University) und Marc Dümenil sind Rechtsanwälte bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt insbesondere im gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Äußerungsrecht. Sie beraten nationale und internationale Unternehmen sowie Privatpersonen sowohl außergerichtlich als auch in streitigen Gerichtsverfahren.
Luxusvillen auf Tiktok, Instagram & Co.: . In: Legal Tribune Online, 04.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53550 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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