Frauen sind in Führungspositionen der Wirtschaft, Migranten im Öffentlichen Dienst unterrepräsentiert. Aber braucht Deutschland wirklich die Quote? Während sie für Frauen zwar möglich, aber kaum erforderlich ist, ist sie für Migranten wohl nicht einmal umsetzbar - ein Kommentar von Christian Oberwetter.
Konjunkturlokomotive Deutschland, allgemeine Entspannung am Arbeitsmarkt und sogar das seit der Wiedervereinigung so schmerzlich vermisste Wort der Vollbeschäftigung geistert durch die Republik. Mit einer Mischung aus Bewunderung und ein klein wenig Neid betrachten unsere europäischen Nachbarn und selbst die USA das neue deutsche Jobwunder. Haben die Deutschen doch mal wieder alles richtig gemacht! Das ist auch ein Lob für das deutsche Arbeitsrecht, das wider Erwarten doch flexibel genug ist, bei der Bewältigung von Krisen hilfreich zu sein.
In solchen guten Zeiten ist dann wieder Raum, um den sozialen Umbau der Gesellschaft mittels des Arbeitsrechts zu gestalten. Das Gespenst der Quote geht um: Eine Frauenquote in den Vorständen und Aufsichtsräten der Unternehmen, eine Migrantenquote für den öffentlichen Dienst.
Die Begründungen dafür lassen sich hören: Frauen sind bei gleicher Qualifikation nicht entsprechend ihrem Anteil an der Erwerbsbevölkerung in den Führungsetagen vertreten und Migranten sind nicht entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung im Öffentlichen Dienst tätig. Das lässt den Rückschluss auf Diskriminierung zu. Zwar besteht mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Regelung, die Benachteiligungen verhindert. Das AGG reicht jedoch nach Meinung der Befürworter von Quotenregelungen nicht aus, um die bereits bestehenden Ungleichheiten zu beseitigen.
Quote ist nicht gleich Quote – qualifikationsabhängige Entscheidung
Quoten können unterschiedlich ausgestaltet sein sowohl betreffend ihre Höhe und die verfahrensgemäße Ausgestaltung als auch die von ihnen Begünstigten und ihre Durchsetzbarkeit. In den neunziger Jahren erließen verschiedene Bundesländer so genannte qualifikationsabhängige Entscheidungsquoten, die eine Bevorzugung von Frauen bei Personalentscheidungen regelten. Streit darüber war vorprogrammiert, so dass schließlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) hierzu Kriterien aufstellte.
Zulässig ist die Bevorzugung einer Frau gegenüber männlichen Mitbewerbern nur dann, wenn beide eine gleiche Qualifikation aufweisen, der Anteil der Frauen in dem vorgesehenen Arbeitsbereich unterrepräsentiert ist und schließlich die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der die besondere persönliche Lage aller Bewerber berücksichtigt wird.
Ein automatischer Vorrang einer Frau gegenüber einem gleich qualifizierten männlichen Mitbewerber ist nach dem EuGH nicht zulässig.
Eine starre Quote wäre offensichtlich verfassungswidrig
In der Quotendiskussion taucht auch immer wieder der Begriff der "Starren Quote" auf: Das sind solche Quoten, die darauf abzielen, einen bestimmten Anteil von Arbeitsplätzen für die unterrepräsentierte Gruppe zu reservieren ohne Rücksicht auf deren Qualifikation.
Die Unterstützer solcher Quoten gestehen zwar zu, dass dadurch eine eindeutige Benachteiligung der überrepräsentierten Gruppe vorliegt, sind aber der Auffassung, dass dadurch eine jahrzehntelange Benachteiligung der unterrepräsentierten Gruppe ausgeglichen wird und halten eine solche Benachteiligung daher für gerechtfertigt.
Unserer Rechtsordnung ist allerdings die Aufrechnung von Unrecht fremd. Gesetzliche Regelungen müssen einer Überprüfung durch das Grundgesetz standhalten. Eine starre Quote wäre verfassungswidrig, denn es läge ein offensichtlicher Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art.3 GG vor.
Sind Migranten qualifiziert genug für die Quote?
In Frage käme demnach lediglich die Einführung einer qualifikationsabhängigen Entscheidungsquote, die die Kriterien erfüllen müsste, die der EuGH aufgestellt hat. Außerdem müsste der Begriff der "gleichen Qualifikation" auf die tatsächlichen Befähigungen der Bewerber abstellen. Unzulässig wäre es, die unabdingbare Mindestqualifikation für die zu besetzende Stelle ausreichen zu lassen, denn damit würde der schlechter qualifizierte Bewerber bevorzugt, weil er aus der unterrepräsentierten Gruppe kommt.
Damit der Anteil unterrepräsentierter Personengruppen erhöht werden kann, stellt sich die Frage, ob überhaupt genügend Bewerber aus diesen Gruppen zur Verfügung stehen, die die Position nachfragen und dafür auch qualifiziert sind. Da die Ausbildung von Frauen denen von Männern heute in nichts mehr nachsteht, stehen genügend befähigte Frauen bereit.
Bei Migranten ist fraglich, ob sie über die ausreichenden fachlichen Qualifikationen verfügen. Dabei ist zu differenzieren: Je nach ethnischer Herkunft gibt es Zuwanderergruppen, die über die gleiche oder sogar über eine bessere Ausbildung als ethnische Deutsche verfügen wie zum Beispiel Chinesen oder Vietnamesen. Auf der anderen Seite stehen aber Migranten, die überproportional häufig erhebliche Ausbildungsmängel aufweisen. Dabei handelt es sich vorwiegend um muslimische Zuwanderer.
Was möglich ist, ist vielleicht gar nicht erforderlich
Nach allem wäre eine qualifikationsabhängige Frauenquote ein gangbarer Weg, wenngleich fraglich ist, ob eine solche Regelung aufgrund der demografischen Entwicklung überhaupt noch erforderlich wäre.
Eine qualifikationsabhängige Migrantenquote dagegen verbessert die problematische Situation der größten Zuwanderergruppe nicht, da eine große Anzahl nicht über die entsprechenden Befähigungen verfügt.
Einziges Mittel wäre es, die Einstellungsvoraussetzungen abzusenken. Das kann jedoch keine Lösung sein. Integration und Teilhabe am Arbeitsleben ist nur über Leistung möglich.
Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg.
Christian Oberwetter, Gleichstellung: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2032 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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