Die Supermarktkette Real und die Deutsche Post erproben in einigen ihrer Filialen Systeme zur Gesichtserkennung und individualisierten Videowerbung. Ob und wann solche Verfahren zulässig sind, untersuchen Markus Dinnes und Hauke Hansen.
Das Verfahren klingt futuristisch, ist technisch aber schon heute machbar: Kameras erfassen die Blicke der Kunden, die an der Kasse warten und auf einen Videobildschirm mit Werbung schauen. Die passende Auswertungssoftware stellt fest, welches Alter die Person ungefähr hat und welches Geschlecht sie besitzt. Auf dieser Grundlage wird sodann individualisierte Werbung ausgespielt: Für einen älteren Herren folgt Bierwerbung, für eine junge Dame werden neue Pflegeprodukte beworben. Nach Medienberichten erprobt die Deutsche Post diese Technik aktuell in 25 Partnerfilialen, bei der Supermarktkette Real kommt sie demnach in 40 Filialen zum Einsatz.
Anders als im Einzelhandel ist das Ausspielen personalisierter Werbung im Internet seit jeher eine Selbstverständlichkeit. Fernab jeglicher datenschutzrechtlicher Diskussionen haben sich Nutzer längst daran gewöhnt, dass der Einsatz von Cookies es den Seitenbetreibern ermöglicht, den Weg des Kunden durchs Netz zu verfolgen und so auf ihn zugeschnittene Werbung anzuzeigen. Individualisierte Videowerbung ist weitaus seltener, besonders in Deutschland. Die im internationalen Vergleich strengen deutschen Datenschutzvorschriften und das (vermutete) Unbehagen der Kunden dürften die Unternehmen bislang abgeschreckt haben.
Technisch ginge noch viel mehr
Die Technik dazu gibt es seit Langem, sie wurde bislang vor allem für wissenschaftliche Studien oder eben im Ausland eingesetzt. Die genaue Funktionsweise ist das Geheimnis der Anbieter dieser Werbesysteme. Alle Systeme arbeiten mit einer Gesichtserkennungssoftware, bei der jedenfalls Teile des Gesichts erfasst und anschließend in einem Algorithmus umgewandelt werden. Dieser ermittelt nach einem Abgleich mit bereits vorliegenden Daten die Eigenschaften des gefilmten Kunden, die für individualisierte Werbung relevant sein können.
Nach Angaben der Betreiber werden die Daten nur anonymisiert verarbeitet und gespeichert, Rückschlüsse auf die Person seien nicht möglich. Die Anbieter versuchen den datenschutzrechtlichen Anforderungen dadurch Rechnung zu tragen, dass sie den Aufnahmebereich der Kamera auf den zentralen Gesichtsbereich beschränken.
Technisch geht noch viel mehr. So wäre es auch möglich, nicht nur Geschlecht und Alter, sondern auch den Gesichtsausdruck und so die Gefühlslage des Kunden zu erfassen oder einen Abgleich mit bekannten Daten durchzuführen, um etwa auf eine bestimmte Person rückschließen zu können. Da solche Funktionsweisen aber klar rechtswidrig sind, können sie in Deutschland nicht legal eingesetzt werden.
BDSG-Reform macht grenzwertige Verfahren riskanter
Kunden stehen derartigen Systemen trotz zugesicherter Anonymität kritisch gegenüber. Denn wenn die Infrastruktur für eine Gesichtsanalyse erst einmal installiert ist, bedarf es nur eines Softwareupdates, um eine Identifizierungsfunktion nachzurüsten. Zudem hatten die Unternehmen angesichts der dünnen personellen Ausstattung der Datenschutzbehörden und des geringen Bußgeldrahmens des Bundesdatenschutzgesetztes (BDSG) kaum etwas zu befürchten.
Dies ändert sich nun. Zum 25. Mai 2018 wird das Datenschutzrecht durch die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) europaweit vereinheitlicht. Zukünftig drohen bei Datenschutzverstößen Bußgelder in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des weltweit erzielten (Konzern-)Umsatzes.
Ob derartige "neue" Werbemaßnahmen in Deutschland tatsächlich zulässig sind, ist derzeit noch ungeklärt und hängt vor allem auch von der genauen technischen Ausgestaltung der jeweils eingesetzten Video-Werbesysteme ab.
Hauke Hansen und Markus Dinnes, Gesichtserkennung an der Kasse: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23112 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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