Gesichtserkennung an der Kasse: Vor­sicht, Kamera!

2/2: Werden überhaupt personenbezogene Daten erfasst?

Der Landesdatenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen hat personalisierte Video-Werbesysteme als "grundsätzlich kritisch" bezeichnet und auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar verlangt zumindest eine genaue Bezeichnung der Art der Videotechnik. Beide gehen davon aus, dass es sich um eine Videoüberwachung handelt, auf die der Kunde ausdrücklich hingewiesen werden muss.

Darüber, ob tatsächlich personenbezogene Daten erfasst werden und ob dies eine Form der Videoüberwachung im Sinne des BDSG darstellt, kann man indes unterschiedlicher Auffassung sein.

Denn das BDSG findet prinzipiell nur dann Anwendung, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Dies ist allerdings von vorneherein zweifelhaft, wenn etwa nur Teile des Gesichts gefilmt (oder nur fotografiert) und diese Aufnahmen zudem nicht gespeichert werden. Allerdings neigt die Rechtsprechung dazu, den Begriff der personenbezogene Daten sehr weit auszulegen, wie u.a. ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, demzufolge selbst dynamische IP-Adressen einen Personenbezug aufweisen (v. 16.05.2017, Az. VI ZR 135/13).

Gesichtserkennung als Form der Videoüberwachung?

Einen Sonderfall im BDSG nimmt die Regelung zur Videoüberwachung ein, die nach überwiegender Auffassung sogar dann anwendbar ist, wenn mit der Videoüberwachung gar keine Daten erhoben werden. Nach § 6b Abs. 1 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) datenschutzrechtlich auch dann relevant, wenn gar keine Daten erfasst werden.

Beobachten heißt aber mehr als nur ein punktuelles optisches Erfassen und setzt immer eine gewisse Dauer voraus. Eine einmalige Bilderfassung und das kurzzeitige Fokussieren wie bei einer Fotografie zählen gerade nicht dazu. Die Einzelaufnahme eines Bildes wird daher nicht unter den Begriff "Beobachtung" im Sinne einer Videoüberwachung gefasst. Etwas anderes gilt dann wieder für eine Aneinanderreihung solcher Einzelaufnahmen in engem zeitlichem Zusammenhang, die eine Videoüberwachung darstellen würden.

Beschränkt sich die Software also darauf, einen Teilbereich des Gesichts mittels einer einzigen Aufnahme zu erfassen und diesen ohne Speicherung in einen Algorithmus umzuwandeln, der nicht in einen konkreten Gesichtsteil rückübersetzbar ist, läge weder eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Sinne des BDSG vor noch könnte von einer Videoüberwachung ausgegangen werden. Personalisierte Werbesysteme wären damit aus datenschutzrechtlicher Sicht rechtmäßig.

Die Datenschutzbehörden werden hiergegen sicherlich einwenden, dass die Auswertung eines Gesichtsteils durch die Software eine Übertragung in den Zwischenspeicher des Werbesystems erforderlich macht und damit eine Datenverarbeitung vorläge. Ob eine solche Zwischenspeicherung, die sich im Bereich von Millisekunden bewegt, datenschutzrechtlich relevant ist, ist noch ungeklärt. Im Urheberrecht (§ 44a UrhG) hat der Gesetzgeber derartige flüchtig Speicherungen, die nur Teil eines technischen Verfahrens sind, ausdrücklich für zulässig erachtet.

Gerichtliche Bewertung kaum vorhersagbar

Aber selbst die Annahme einer Datenverarbeitung würde personalisierte Video-Werbesysteme nicht per se unzulässig machen. Es käme dann darauf an, ob von einem Überwiegen der berechtigten wirtschaftlichen Interessen an derartiger individualisierter Werbung gegenüber den Interessen der betroffenen Kunden auszugehen ist. Zu welchem Abwägungsergebnis deutsche Gerichte bis dahin kommen, lässt sich nicht sicher prognostizieren.

Vielleicht kommt es auf die Frage der Datenerhebung aber gar nicht mehr an: Sollten sich jene Stimmen durchsetzen, die im datenschutzrechtlichen Sinne selbst dann eine "Videoüberwachung" annehmen, wenn derartige Werbesysteme mit einem einzelnen "Shot" auskommen, wäre das womöglich das faktische Ende für diese Form der personalisierten Werbung im Handel. Denn § 6 Abs. 2 BDSG verlangt, dass die Videoüberwachung durch geeignete Maßnahmen erkennbar gemacht wird. Ein allgemeines Schild am Eingang eines Marktes mit einem Hinweis auf eine Videoüberwachung dürfte hierfür keinesfalls ausreichend sein. Ein Hinweis über dem Werbebildschirm an der Kasse "Dieser Bereich wird durch ein personalisiertes Werbesystem mit Gesichtsanalyse beobachtet" würde hingegen vermutlich in einem Ausmaß abschreckend wirken, das den wirtschaftlichen Nutzen des Verfahrens übersteigt. Gerade im Kassenbereich hätten die Kunden keine Möglichkeit, der Beobachtung zu entgehen und würden entsprechende Geschäfte womöglich meiden. Im Netz lassen sich bereits jetzt entsprechende Aufrufe von Verbrauchern finden. 

Der Autor Markus Dinnes ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Gewerblichen Rechtsschutz bei FPS Rechtsanwälte, der Autor Hauke Hansen ist Fachanwalt für IT-Recht sowie Urheber- und Medienrecht bei FPS Rechtsanwälte.

Zitiervorschlag

Hauke Hansen und Markus Dinnes, Gesichtserkennung an der Kasse: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23112 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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