Die Bilder von rauchumwehten Fußballfeldern kennt auch, wer nicht ins Stadion geht. Während DFL, DFB, Clubs und Fanvertreter noch an Konzepten für mehr Sicherheit basteln, führt der FC Bayern schon intensive Kontrollen durch. Martin Stopper über Durchsuchungszelte, Nacktscanner und das Hausrecht des Heimclubs.
Das gefühlte Mehr an Gewalt scheint sich zu bestätigen: In der Saison 2011/2012 ist es nach Angaben der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) bei Spielen der ersten vier Ligen zu mehr Verletzten und mehr Straftaten gekommen als in den Vorjahren.
Erste Vorschläge für ein neues Sicherheitskonzept im Fußball liegen bereits auf dem Tisch. Das von Fans und einigen Vereinen kritisierte Projekt "Sicheres Stadionerlebnis" beruht auf Empfehlungen der im November 2011 gegründeten "Task Force Sicherheit", welcher Vertreter von Polizei, Justiz, Verbänden, Clubs und Fans angehören.
Dass die im Ligaverband zusammengeschlossenen Clubs die Federführung haben, ist vor allem der Sensibilität der Thematik geschuldet. Der Gesetzgeber gewährt Verbänden und Clubs den Vortritt und will erst einschreiten, wenn er die Stadionsicherheit nicht mehr gewährleistet sieht. Doch auch zwischen Verband, Vereinen und Fans herrscht Lagerdenken. Einen Konsens zu erzielen, ist nicht leicht.
Heimclub kann frei entscheiden, wen er reinlässt
Fans und Veranstalter haben zum Teil unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie Sicherheit hergestellt werden soll. Das war zuletzt ganz anschaulich beim Spiel des FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt zu beobachten. Frankfurter Fans wurden vor dem Stadion aufgefordert, sich zwecks verschärfter Kontrollen in dafür errichtete Durchsuchungszelte zu begeben.
Was genau in den Zelten geschah, ist nicht ganz klar. Teilweise wurde berichtet, Fans hätten sich entkleiden oder Nacktscannern stellen müssen. Der FC Bayern ließ dagegen verlauten, ca. 30 bis 40 Personen wären in den Durchsuchungszelten gebeten worden, ihre Jacken abzulegen und teilweise ihre Taschen überprüfen zu lassen. Rechtmäßig können beide Varianten sein. Entscheidend ist, ob "nur" Bengalos abgefeuert werden sollen oder ob ein Terroranschlag droht.
Zunächst einmal kann der Eigentümer des Stadions oder der Heimclub, sofern er das Hausrecht inne hat, frei darüber entscheiden, wem er zu welchen Bedingungen den Zutritt ins Stadion gewährt. Der DFB hat zwar Richtlinien erlassen, die der Verbesserung der Sicherheit bei Bundesligaspielen dienen sollen; verantwortlich bleibt aber der Heimclub.
FCB-Hausordnung: Wer sich nicht durchsuchen lässt, kommt eben nicht rein
So heißt es zum Beispiel in der Stadionordnung der Münchner Allianz Arena, auf die auf der Eintrittskarte und vor dem Stadion verwiesen wird: "Gegenüber Personen, die aufgrund ihres Verhaltens oder sonstiger Hinweise verdächtig sind, dass […] sie […] nach dieser Hausordnung verbotene Gegenstände (z.B. Pyrotechnik) mit sich führen, ist der Sicherheitsdienst berechtigt, […] auch durch Einsatz technischer Mittel, […] Durchsuchungen an Kleidung und mitgeführten Gegenständen durchzuführen und ggf. verbotene Gegenstände einzuziehen und sicherzustellen: […] Wer die Zustimmung zur Kontrolle seiner Person nicht erteilt, verwirkt sein Recht auf Zutritt."
Wer sich nicht durchsuchen lässt, kommt eben nicht rein ins Stadion, regeln die Bayern auch durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Eine Durchsuchung vor allem durch einen vom Heimclub engagierten privaten Ordnungsdienst kann zwar nur mit Einwilligung des Zuschauers durchgeführt werden, da ein privater Ordnungsdienst keine polizeirechtlichen Befugnisse hat. Im rein privatrechtlichen Verhältnis zwischen dem Club und seinen Anhängern kann der Verein den Stadionbesuch aber von dieser Einwilligung abhängig machen.
Die Stadionbesucher müssen sich also dem zivilrechtlichen Hausrecht unterwerfen, wenn sie das Spiel sehen wollen. Die Hausordnung muss ihrerseits natürlich mit übergeordneten Gesetzen im Einklang stehen, etwa mit den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen oder den Grundrechten. Das heißt, die Durchsuchungen der Sicherheitskräfte müssen vor allem verhältnismäßig sein.
Nacktscanner nur ausnahmsweise zulässig
Durchsuchungen sollen Zuschauer und Spieler vor Verletzungen bewahren, die das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen verursachen kann. Anhänger von Eintracht Frankfurt waren in jüngster Vergangenheit dabei aufgefallen, während des Spiels Fackeln und Raketen abzuschießen. Mit dem legitimen Zweck, das zu verhindern, durfte der FC Bayern problemlos so milde Maßnahmen ergreifen wie das Öffnen von Taschen und die Durchsuchung von Jacken. Das gilt erst recht, weil dieses Vorgehen nicht nur von der Polizei empfohlen worden war, sondern auch in tatsächlicher Kooperation mit dieser durchgeführt wurde.
Der Einsatz von Nacktscannern oder das Entkleiden bis auf die Unterhose ist dagegen nur möglich, wenn schlimmere Gefahren als brennende Bengalos im Stadion drohen, die Sicherheitskräfte also beispielsweise einen Terroranschlag befürchten. Zur Verhältnismäßigkeit gehört auch das Willkürverbot. Durchsuchungen dürfen nur dann auf bestimmte Fans beschränkt werden, wenn hinreichend objektive Gründe dafür sprechen, dass gerade diese Anhänger eine größere Gefahr bergen als andere Zuschauer. Daneben sind auch stichprobenartige Kontrollen zulässig, gerade bei Massenveranstaltungen.
Sicherheitsmaßnahmen an Stadiontoren sind grundsätzlich wichtig und notwendig, aber lästig. Man kennt das Dilemma von Flughafenkontrollen. Gefahrenabwehr wird nämlich – auch nach Gemütslage – immer anders beurteilt: Alles easy, … solange nichts passiert.
Der Autor Dr. habil. Martin Stopper ist Partner der auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei Lentze Stopper Rechtsanwälte in München, die u.a. die FIFA, den DFB und die DFL, Bayer 04 Leverkusen und den FC Bayern München vertritt. Er ist Mitherausgeber des "Handbuch Fußball-Recht".
Diskussionen über Sicherheitskontrollen vor Stadien: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7593 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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