Eine Autofahrerin schimpfte auf Facebook über einen Blitzer. Am liebsten mit Eiern schmeißen würde sie, postete die empörte Bürgerin. Einen Tag später drohte die Fahrerlaubnisbehörde ihr eine MPU an: Sie verfüge "über ein gewisses Maß an Konfliktpotential". Adolf Rebler über Aggression nicht nur im Straßenverkehr, eine aufgeregte Behörde und die Freiheit von Gedanken und Meinungen.
Spätestens seit den ersten Abmahnungen und Kündigungen nach Facebook-Postings dürfte wohl jedem klar sein, dass Äußerungen im Netz nicht folgenlos bleiben. Erscheint im Fall eines öffentlich schimpfenden oder blau machenden Arbeitnehmers die Reaktion des Chefs noch einigermaßen plausibel, treibt die Informationsbeschaffung durch das Internet doch auch manch seltsame Blüte.
Das musste eine 24-jährige Fahrerlaubnisinhaberin am letzten Montag am eigenen Leib erfahren. Sie hatte auf der Facebook-Seite "Blitzer Peine" die Warnung vor einer besonders trickreich aufgestellten Radarfalle entdeckt und kommentierte die behördlichen Bemühungen um mehr Verkehrssicherheit nun deftig mit den Worten: "Die spinnen doch ey...Ich würde die am liebsten mit Eiern beschmeißen...".
Das nun rief die Fahrerlaubnisbehörde auf den Plan: Nur einen Tag danach bekam die junge Autofahrerin ein Schreiben des Landkreises Peine, in dem stand: "Ihren Angaben zufolge verfügen Sie über ein gewisses Maß an Konfliktpotential, welches als Führerin eines Kraftfahrzeugs nicht angebracht ist." Der Behördenleiter selbst drohte damit, sie zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) zu schicken, falls sie "weiter auffällig" werde. Nicht nur die irritierte Bürgerin darf das für überzogen halten.
Zweifel an der Eignung oder: wer muss zum "Idiotentest"
Völlig unstreitig ist es die Aufgabe einer Fahrerlaubnisbehörde, unbelehrbare Rowdies wirksam aus dem Verkehr zu ziehen. Der Straßenverkehr ist ein soziales Handlungsfeld, in dem für Rüpel aller Art kein Platz ist. Das Gesetz drückt dies so aus, dass die Führerscheinstelle einem Fahrerlaubnisinhaber seine Fahrerlaubnis zu entziehen hat, wenn dieser sich als ungeeignet erweist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG; § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV).
"Eignung" meint hier - im Gegensatz zur "Befähigung", welche durch die praktische und theoretische Fahrprüfung nachzuweisen ist - die geistigen und körperlichen Fähigkeiten eines Verkehrsteilnehmers (§ 11 Abs. 1 Satz 1 FeV). Geeignet ist nur der, der diese Fähigkeiten in ausreichendem Maße besitzt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat (§ 2 Abs. 4 Satz 1 StVG).
Dass ein Verkehrsteilnehmer auch "charakterlich" geeignet sein muss, steht zwar nicht direkt im Gesetz, ergibt sich aber mittelbar: Wer ständig Rechtsvorschriften missachtet oder sich im Verkehr gar strafbar macht, dem fehlen die charakterlichen Voraussetzungen, um weiterhin ein Kraftfahrzeug zu führen.
Werden in dieser Hinsicht Zweifel an der Eignung laut, muss sich die Führerscheinstelle hinreichende Gewissheit verschaffen. Das kann sie durch ein Gutachten. Doch nicht jeder Verdacht, dass sich eine Person bewusst nicht regelkonform verhält, rechtfertigt schon die Vorladung zur MPU.
2/2: MPU auch ohne Verkehrsdelikt bei Straftaten mit hohem Aggressionspotential
Eine medizinisch-psychologische Untersuchung stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 24.06.1993, Az.: 1 BvR 689/92) immerhin einen massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Begutachteten dar, da die Behörde höchstpersönliche Befunde erhebt.
Die Fahrerlaubnis-Verordnung überlässt es daher nicht dem freien Belieben der Fahrerlaubnisbehörde, wann diese das "Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung", also ein medizinisch-psychologisches Gutachten, fordern kann. So führt § 11 Abs. 3 FeV bestimmte Sachverhalte an, aus denen die Behörde solche Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs ableiten darf, die so schwer wiegen, dass sie die Vorladung zur MPU rechtfertigen.
Die Behörde kann danach zum Beispiel eine MPU verlangen bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential vorliegen. Nach Nr. 7 der Vorschrift können zwar auch leichtere Straftaten ausreichen, um eine MPU anzuordnen, aber nur, wenn mehrere solcher Taten begangen wurden...
Eine rechtskräftige Verurteilung setzen beide Vorschriften nicht voraus, allerdings muss klar sein, dass ein Straftatbestand tatsächlich erfüllt ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.04.2000, Az.7 A 11670/99). Denn es geht bei der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde nicht um die Sanktion für strafbares Verhalten, sondern um die sicherheitsrechtliche Frage, ob jemand künftig zum Problemfall im Straßenverkehr werden wird.
Wer allgemein aggressiv ist, ist das auch im Verkehr
Doch nicht jede Straftat lässt auch ein hohes Aggressionspotential erkennen. Die Anordnung einer MPU setzt vielmehr ein Verhalten voraus, in dem deutlich die Neigung zu bedenkenloser Durchsetzung eigener Anliegen ohne Rücksicht auf Interessen anderer zum Ausdruck kommt.
Straftäter mit hohem Aggressionspotential lassen erwarten, dass sie auch in konfliktträchtigen Verkehrssituationen wie etwa bei Fahrfehlern anderer emotional impulsiv handeln, Interessen und die körperliche Unversehrtheit anderer sowie die allgemeine Verkehrssicherheit gering schätzen und dadurch das Risiko einer gefährlichen Verkehrssituation noch erhöhen. Ebenso geht man davon aus, dass sie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzen, also zum Beispiel zu nah auffahren oder die Geschwindigkeit überschreiten (VG Regensburg, Beschl. v. 13.06.2012 – Az. RN 8 S 12.576).
Straftaten, die ein erhöhtes Aggressionspotential erkennen lassen, müssen auch nicht im Straßenverkehr begangen worden sein. Es ist empirisch nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten außerhalb und innerhalb des Straßenverkehrs gibt (VG Freiburg (Breisgau), Beschl. v. 04.08.2008, Az. 1 K 1299/08).
Schwere oder gefährliche Körperverletzung, Raub und Vergewaltigung können solche Straftaten sein, auch räuberische Erpressung, Sachbeschädigung, Tierquälerei, Brandstiftung, Freiheitsberaubung und Hausfriedensbruch werden diskutiert. Es liegt auf der Hand, dass dabei aber nicht jede leichte Sachbeschädigung genügt, um sie mit einer gefährlichen Körperverletzung zu vergleichen.
Keine Straftat, keine MPU, keine Aufregung
Würfe auf den "Starenkasten" wären aber ohnehin strafrechtlich nicht relevant- es würde an der für eine Sachbeschädigung notwendigen Substanzverletzung fehlen. Vielleicht wären Würfe auf die Beamten selbst als Beleidigung anzusehen.
Doch nur davon zu reden und zu schimpfen, ist auf keine Fall strafbar: Die Unmutsäußerung der Autofahrerin ist vielmehr eine zulässige und von der Meinungsfreiheit gedeckte Kritik an verkehrspolizeilichen Maßnahmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.03.2000, Az. III-2b Ss 224/02 - 2/03 I, 2b Ss 224/02 - 2/03 I zum Begriff der "Wegelagerei").
Was kann die in den Fokus der Führerscheinstelle geratene empörte Fahrerlaubnisinhaberin nun tun? Die Antwort ist einfach: Gar nichts.
Ein förmlicher Rechtsbehelf, also Widerspruch und Klage, ist jedenfalls nicht zulässig. Selbst die Vorladung zur MPU stellt keinen Verwaltungsakt dar und kann nur im Rahmen des Entzugs der Fahrerlaubnis angefochten werden. Um so mehr gilt das, wenn der Idiotentest nur angedroht wird. Der beste Rat ist wohl: locker bleiben und das Ganze als Kuriosität im Alltag abhaken. Und das gilt für beide Seiten.
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
Adolf Rebler, Idiotentest-Androhung nach Facebook-Posting: "Sie verfügen über Konfliktpotential" . In: Legal Tribune Online, 15.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7308/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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