Die Europäische Kommission hat am Mittwoch ein Beihilfenverfahren gegen Deutschland eröffnet. Sie bezweifelt, dass die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage rechtmäßig ist. Welche Konsequenzen das auch für nicht-befreite Betriebe hat und warum EU-Wettbewerbskommissar Almunia rückwirkend Beihilfen untersagen kann, erläutern Stefan Meßmer und Jochen Bernhard.
Die Kommission spricht Klartext: Die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der Ökostrom-Umlage verstößt möglicherweise gegen europäisches Beihilfenrecht. Bleibt die EU-Kommission bei ihrer harten Linie, kommen auf die bislang privilegierten Betriebe Nachzahlungen zu. Zusätzlich könnte EU-Kommissar Almunia Zinsen verlangen für den Zeitraum, der zwischen der Befreiung von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und der Nachforderung liegt.
Umgekehrt könnten nicht-befreite Betriebe einen Teil der bereits bezahlten EEG-Umlage zurückfordern. Der bisherige Umverteilungsmechanismus würde damit gekippt. Auf Basis eines neuen Berechnungsmodells müssten die Umlagen für nicht-befreite Unternehmen und Verbraucher rückwirkend reduziert und die Beträge für befreite Betriebe nacherhoben werden. Wie dies praktikabel umzusetzen ist, steht in den Sternen.
EU stört sich an der Ausgestaltung der Ökostrom-Förderung
Privilegiert sind in diesem Jahr rund 1.700 Unternehmen, nächstes Jahr werden es voraussichtlich sogar 2.700 sein. Voraussetzung für eine Befreiung ist, dass ein Unternehmen dem produzierenden Gewerbe angehört und einen jährlichen Stromverbrauch von mehr als zehn Gigawattstunden hat.
Die EU-Kommission erkennt zwar durchaus die Notwendigkeit an, erneuerbare Energien zu fördern. Sie verliert dabei aber die Grundsätze ihrer Wettbewerbspolitik nicht aus den Augen. Nicht die finanzielle Förderung selbst ist ihr ein Dorn im Auge, sondern die Art und Weise ihrer Ausgestaltung.
Durch die Ausnahmetatbestände im EEG wollte der deutsche Gesetzgeber besonders stromintensive Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber der Industrie aus anderen Mitgliedstaaten schützen. Die Kommission sieht aber nun gerade das Gegenteil, nämlich eine Bevorteilung der von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen.
Lastenverteilung zwischen Unternehmen keine Beihilfe
Grundsätzlich gilt: Wenn die EU die Befreiungen als rechtswidrige, staatliche Beihilfe einstuft, muss der erlangte Vorteil zurückgezahlt werden. Im schlimmsten Fall könnten Beträge rückwirkend für bis zu zehn Jahre nachgefordert werden. Ausnahmen gelten nur, soweit die betroffenen Betriebe auf die nationalen Befreiungsbescheide vertrauen durften.
Allerdings sind längst nicht alle Rechtsfragen geklärt. Zweifelhaft ist schon, ob die gesetzliche Befreiung überhaupt den Charakter einer Beihilfe hat. Nach der "Essent"-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2008 kann zwar eine staatlich überwachte Umverteilung eine Beihilfe sein.
Dazu müsste die Befreiung von der Einspeisevergütung aber eine Begünstigung aus staatlichen Mitteln sein. Die Luxemburger Richter hatten 2001 in der Rechtssache "Preußen Elektra" den Charakter einer Beihilfe verneint bei einer Lastenverteilung, die Ökostrom fördern sollte. Die Begründung lautete: Es handele sich lediglich um eine gesetzliche Aufteilung finanzieller Belastungen zwischen privaten Unternehmen.
Ausgang des Verfahrens völlig offen
EU-Kommissar Almunia fordert von der Bundesregierung nun zunächst nähere Informationen zur eigentlichen Zielsetzung der Befreiung von der EEG-Umlage. Insbesondere soll die Bundesregierung erklären, warum sie der "Förderung eines wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse" dienen soll. Sie muss darlegen, warum die Ausnahmen "nötig und dem Ziel proportional angemessen sind".
Problematisch könnte sein, dass die Beträge der befreiten Unternehmen nicht von den Fördersummen der Ökostromerzeuger abgezogen werden. Stattdessen werden sie auf die nicht-befreiten kleinen Gewerbetreibenden und Privathaushalte als zusätzliche Belastung in Form einer entsprechend höheren EEG-Umlage abgewälzt. Auch leuchtet zunächst nur schwer ein, warum gerade Unternehmen mit besonders hohem Stromverbrauch nicht an den Kosten der Energiewende beteiligt werden sollten.
Um eine Einstellung des Beihilfenverfahrens zu erreichen, wird der deutsche Gesetzgeber möglicherweise eine neue Umverteilung zwischen den Unternehmen vorschlagen.
Der Autor Dr. Stefan Meßmer ist Partner, der Autor Dr. Jochen Bernhard ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft in Stuttgart. Beide beraten im Kartell- und Beihilfenrecht.
Stefan Meßmer und Jochen Bernhard, EU prüft Befreiung von Ökostrom-Umlage: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10404 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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