Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) könnte nicht nur die Freizeitgestaltung britischer Fußballfans, sondern auch die Finanzierung des europäischen Profifußballs insgesamt verändern. Frank Strankmann erklärt, warum die anstehende Entscheidung für die Ligen teuer, für Gastronomen und Fans aber erfreulich günstig werden kann.
Am Donnerstag stellt Generalanwältin Kokott ihre Schlussanträge, die häufig richtungsweisend sind für die Entscheidung der Luxemburger Richter. Sie haben zu entscheiden, ob die Rechte für Direktübertragungen von Ligaspielen im Fernsehen wie bisher exklusiv pro Land vergeben werden dürfen oder nicht vielmehr europaweit ausgeschrieben werden müssten (verbundene Rechtssachen C-403/08 und C-429/08).
Hintergrund ist der Fall von Karen Murphy, die in ihrem Pub "The Red White & Blue" im südenglischen Southsea im Jahr 2007 Liveübertragungen von Spielen der ersten englischen Liga gezeigt hatte. Dazu nutzte die Wirtin aus der Nähe von Portsmouth jedoch keine Gaststättenlizenz des heimischen Senders Sky, sondern importierte einen Satelliten-Decoder des Anbieters Nova, der seinerzeit die Übertragungsrechte für Premier-League-Spiele in Griechenland besaß. Ersparnis: gut 5.200 £ pro Jahr.
Zum Prozess kam es, als der englische Ligaverband und die Rechteinhaber davon erfuhren. Im Vereinigten Königreich wurde Frau Murphy daraufhin u.a. zunächst wegen Verstoßes gegen englisches Urheberrecht zu einer Geldstrafe von gut 8.000 £ verurteilt. Da allerdings zeitgleich ein weiterer, ähnlich gelagerter Fall anhängig war, beschloss der oberste britische Gerichtshof in London, den EuGH im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen.
Senderechte vielleicht bald EU-weit: "Bosman-Urteil für TV-Rechte" erwartet
Die Richter in Luxemburg müssen nun entscheiden, ob es in Gaststätten erlaubt ist, öffentlich Live-Fußball zu zeigen, wenn das Signal von einem Sender stammt, der im entsprechenden Mitgliedsstaat keine Übertragungsrechte hat. Das bestreiten die Football Association Premier League (FAPL) sowie verschiedene Sender vehement und verweisen vor allem auf das Urheberrecht. Sie berufen sich weiter auf ein EuGH-Urteil von 1980 (v. 18.03.1980, Az. 62/79 - Coditel I), nach dem Fernseh-Übertragungen territorial begrenzt werden dürfen.
Karen Murphys Anwälte argumentieren hingegen, die Beschränkung von Sendelizenzen und Fußballübertragungsrechten verstoße unter anderem gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit. Diese Einschätzung stützen auch Sportrechtler.
Sollten Generalanwältin Juliane Kokott und die Große Kammer des EuGH zu einer ähnlichen Rechtsaufassung kommen, rechnen Experten mit Auswirkungen für den gesamten Profifußball in Europa. Denn dann müssten Senderechte gegebenenfalls EU-weit ausgeschrieben werden – mit entsprechenden finanziellen Folgen für Sender, Ligen und Vereine.
Gastronomen und Fußballfans hingegen könnten nach einer Übergangsfrist womöglich legal Pay-TV-Programme aus allen Mitgliedsstaaten abonnieren. Englische Medien sprechen deshalb bereits von einem möglichen "Bosman-Urteil für TV-Rechte". Mit einer Entscheidung des EuGH ist in einigen Monaten zu rechnen.
Der Autor Frank Strankmann ist Journalist und (Online-)Redakteur in einem juristischen Fachverlag. Dort recherchiert und schreibt er seit Jahren zu aktuellen rechtlichen Themen.
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EuGH zu Fußballübertragungen: . In: Legal Tribune Online, 03.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2468 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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