Nach Crystal und Spice überschwemmen Legal Highs den deutschen und europäischen Drogenmarkt. Die chemische Zusammensetzung dieser neuartigen Drogen ist unterschiedlich und nutzt ungeregelte Freiräume im Betäubungsmittelrecht. Rechtspolitik und Polizei reagieren hilflos und Konsumenten freuen sich über ungeahnte Konsummöglichkeiten, kommentiert Dieter Müller.
Cannabisproduzenten bekommen Konkurrenz. So genanntes "Badesalz", das unter Namen wie "RAZ" und "Charlie Sheen" seit gut einem Jahr auf dem deutschen Drogenmarkt ebenso vertreten ist wie Räuchermischungen mit futuristischen Namen wie "VIP", "Push", "Jazz" oder "Manga Xtreme". Nur eignen sich das Badesalz nicht als Badezusatz und die Räuchermischungen nicht als Lufterfrischer. Beide Produkte werden von ihren zumeist jungen Konsumenten zum Zweck eines Rauschtrips eingenommen. Dabei wird das Badesalz in Lines durch die Nase "gezogen" und Räuchermischungen werden wie Zigarettentabak geraucht.
Das Institut für Rechtsmedizin an der Universität Freiburg wies laut einer aktuellen TV-Berichterstattung des Pro-7 Magazins "GALILEO" in den Räuchermischungen eine Anreicherung mit chemisch vollkommen neu konstruierten synthetischen Cannabinoiden nach, deren Wirkspektrum bislang gänzlich unerforscht ist. Badesalz enthält Mischungen des aufputschenden Amphetamins Mephedron mit Methylendioxypyrovaleron (MDPV).
Sicher ist nur eines: Diese neuartigen Drogen werden nicht nach den Regularien des Deutschen Arzneibuches hergestellt, nicht von Ärzten verschrieben und nicht von Apothekern vertrieben. Konsumenten erhalten sie über Internetshops aus dem Ausland, in deutschen Head-Shops und von den "Dealern ihres Vertrauens".
Erwünschte Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen
Aktuelle Preise für Räuchermischungen eines auf seiner Website in acht Sprachen agierenden Anbieters aus dem zentralamerikanischen Belize* liegen bei ca. 11 Euro/g. Sonderangebote gibt es auch schon für 3 Gramm für 21 Euro. Badesalz gibt es teilweise schon für weniger als 10 Euro/g, in anderen Qualitäten nach Informationen des SPIEGEL aber auch für 20 Euro/g.
An den Inhaltsstoffen ist die Motivation der Käufer abzulesen, diese Drogen zu konsumieren. Sämtliche auf das zentrale Nervensystem wirkenden Stoffe garantieren einen Rauschzustand, der von stark dämpfend über euphorisierend bis zu halluzinogen erlebt wird.
Niemand kann jedoch garantieren, dass aus einem erwünschten Rauscherlebnis nicht unvermittelt ein unerwünschter Horrortrip wird, der im Extremfall sogar tödlich enden kann. Toxikologen warnen vor diesen unerwünschten Wirkungen ebenso wie Sozialwissenschaftler, die dem Run auf diese neuen Drogen nachspüren. Zahlreiche Konsumenten dieser psychoaktiven Substanzen sind heute bereits Patienten in psychiatrischen Kliniken – wenn sie ihre Drogenexperimente überlebt haben.
Hilflose Politiker und pfiffige Polizisten
Von vermeintlich cleveren Herstellern neu erfundene Drogen dürfen zunächst einmal so lange legal gehandelt werden, bis sie gesetzlich verboten sind. Ein betäubungsmittelrechtliches Handelsverbot gilt erst ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer chemisch genau bezeichneten Substanz in eine der drei Anlagen I - III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). So geschehen vor einigen Jahren mit dem Wirkstoff der Droge "Crystal", dem Methamphetamin.
Die neuartigen Zusätze aus Badesalz und Räuchermischungen wurden von der für die Ergänzung zuständigen Bundesregierung bis heute jedoch nicht in das BtMG aufgenommen und dürften demnach noch vertrieben werden. Diese gesetzgeberische Lethargie machen sich illegale Drogenhändler immer wieder zunutze. Abhilfe wäre nur möglich, wenn künftig auch Stoffgruppen wie beispielsweise Amphetamin- oder Cannabinoidderivate in die Illegalität überführt würden.
Die bayerische Polizei in München fand sich mit dieser desolaten Gesetzeslage nicht ab und bezog sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1997 (BGH, Urt. v. 03.12.1997, Az. 2 StR 270/97). Dabei stellte der 2. Strafsenat fest, dass derartige "Designer-Drogen" neben deren Status als Betäubungsmittel auch als Arzneimittel zu klassifizieren sind und damit den Regularien des Arzneimittelgesetzes unterliegen. Zur Begründung führten die Bundesrichter an, dass für die Klassifizierung eines Stoffes als Arzneimittel die vom Verbraucher beabsichtigte Zweckbestimmung entscheidend ist und nicht die vom Hersteller und Händler auf "Beipackzetteln" vermittelte irreführende Werbebotschaft.
Auf dieser Grundlage konnten die in Wirklichkeit für den menschlichen Genuss bestimmten Badesalze und Räuchermischungen als illegale Arzneimittel qualifiziert und in großem Umfang in Münchener Head-Shops sichergestellt werden. Einnahmen wurden beschlagnahmt und die illegalen Händler als Straftäter verfolgt. Eine endgültige Lösung des Problems ist das aber nicht. Nach wie vor besteht keine Möglichkeit, Bestellungen über das Internet effektiv entgegenzuwirken und Drogenproduzenten im In- und Ausland effizient das Handwerk zu legen.Dies wäre allerdings nur mittels einer international angelegten und zum Beispiel durch WHO und Interpol protegierten Strategie möglich, die nicht nur im europäischen Raum, sondern auch auf anderen Kontinenten polizeiliche Ermittlungen und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen zuließe.**
Der Autor Prof. Dr. Dieter Müller ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen und Autor zahlreicher Publikationen zum Verkehrsrecht.
* Anm. d. Red.: Zuvor stand an dieser Stelle, Belize sei ein afrikanischer Staat. Hiermit stellen wir klar: Belize ist ein Staat in Zentralamerika. Dies wurde am 22.01.2013 korrigiert.
** Anm. d. Red.: Der mit ** markierte Satz wurde wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Beitrags noch am 26.04.2012 ergänzt.
Dieter Müller, Badesalz und Legal Highs: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6084 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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