Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks will bei der Unesco den Schutz des bekanntesten deutschen Gebäcks erreichen. Nach Registrierung der geschätzt 300 Brotsorten soll 2012 der offizielle Antrag folgen. Warum das nicht so einfach werden wird und wie sich Welt- und immaterielles Kulturerbe voneinander unterscheiden, erklärt Dr. Birgitta Ringbeck im LTO-Interview.
LTO: Wie läuft die Eintragung eines Kulturguts bei der Unesco grundsätzlich ab?
Ringbeck: Nach dem Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes soll jeder Vertragsstaat eine oder mehrere Inventarlisten führen. Diese verzeichnen dann immaterielles Kulturerbe aus den Bereichen mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, darstellende Künste, gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste, Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum und schließlich Fachwissen über traditionelle Handwerkstechniken.
Was als immaterielles Kulturerbe in das nationale Inventar oder in die nationalen Inventare eingeschrieben ist, kann vom Vertragsstaat zur Aufnahme in die internationale Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit vorgeschlagen werden. Über den Vorschlag entscheidet dann das aus Vertretern der Vertragsstaaten gebildete Komitee des Übereinkommens.
LTO: Nun kann das deutsche Brot derzeit noch nicht Weltkulturerbe werden, weil Deutschland dem entsprechenden Unesco-Übereinkommen noch nicht beigetreten ist. Wie erklärt sich das?
Ringbeck: Zunächst einmal: Deutschland hat sich zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten aktiv an der Ausarbeitung des Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes beteiligt. Dieses ist dann im Oktober 2003 von der Generalkonferenz der Unesco in Paris verabschiedet worden und im April 2006 in Kraft getreten – in der Tat allerdings ohne vorherigen Beitritt Deutschlands.
Die bislang abwartende Haltung des Bundes und der Länder erklärt sich einmal durch die sehr weite Fassung des Begriffs des immateriellen Kulturerbes. Damit einher geht die nicht eindeutige Definition des Schutzgegenstands. Auch ist der Unterschied zum Unesco-Übereinkommen des Kultur- und Naturerbes der Welt in der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln.
Schließlich ist noch nicht entschieden, ob das Übereinkommen innerstaatlich durch ein neues nationales Gesetz oder als Verwaltungsabkommen im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelungen umgesetzt werden soll. Wenn in dieser Frage in Deutschland ein Konsens zwischen Bund und Ländern erreicht ist, kann der Beitritt zum Übereinkommen grundsätzlich durch Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde bei der Unesco in Paris vollzogen werden.
"Länder haben sich noch nicht auf Rahmenbedigungen für ein nationales Inventar geeinigt"
LTO: Halten Sie es vor diesem Hintergrund denn für realistisch, dass Deutschland – wie vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks erhofft - dem Übereinkommen noch in diesem Jahr beitritt?
Ringbeck: Da wäre ich vorsichtig. Entscheidend für den Zeitablauf ist, ob der Akt der Ratifizierung mit einem zwischen Bund und Ländern komplett abgestimmten Umsetzungskonzept in Deutschland verknüpft wird.
LTO: Derzeit läuft die Registrierung von wohl mehr als 300 Brotsorten. Wie und nach welchen Kriterien läuft ein solches Verfahren konkret ab?
Ringbeck: Hier geht es ja um den Aufbau eines nationalen Inventars. Dafür sind auf Grund ihrer Kulturhoheit die Länder zuständig. Diese haben sich in der Kultusministerkonferenz aber noch nicht auf einschlägige Rahmenbedingungen verständigt. Die Vorgaben, nach denen das Bäckerhandwerk die deutschen Brotsorten inventarisiert, sind mir leider nicht bekannt.
LTO: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass das deutsche Brot im Ergebnis tatsächlich Weltkulturerbe wird?
Ringbeck: Wie gesagt, als Welterbe kann derzeit aus Deutschland nur eingetragen werden, was die Kriterien des auf Denkmal-, Landschafts- und Naturschutz ausgerichteten Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt erfüllt. Ob das deutsche Brot Chancen hat, als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt zu werden, hängt also entscheidend davon ab, ob Deutschland das Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes ratifiziert.
Zudem ist die Frage noch offen, nach welchen Kriterien in Deutschland Anträge auf Einschreibung in die internationale Repräsentative Liste des immateriellen Erbes der Menschheit evaluiert und weitergeleitet werden. Das Übereinkommen lässt den Vertragsstaaten bei der Frage der nationalen Umsetzung einen großen Spielraum. Eine Prognose zu den Chancen des deutschen Brots ist deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider nicht möglich.
LTO: Frau Dr. Ringbeck, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Dr. Birgitta Ringbeck ist Delegierte der Kultusministerkonferenz beim Welterbekomitee der Unesco.
Die Fragen stellte Steffen Heidt.
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Deutsches Brot als Weltkulturerbe: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2929 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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