Erwägungen zum Schwabinger Kunstfund: Nur Anschauen erlaubt

von Pascal Lippert

05.12.2013

2/2: Versicherung, Zerstörung und noch mehr Schwierigkeiten

Und selbst, wenn die Bilder bei Herrn Gurlitt verbleiben und an niemanden verschenkt oder verkauft werden sollten, wäre die Lage riskant. Versicherungen knüpfen ihre Deckung für Beschädigung, Diebstahl oder Verlust von in privater Obhut befindlichen Kunstgegenständen in der Regel an das Eigentum des Versicherungsnehmers. Die Werke wären bei einem Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum daher kaum effektiv versicherbar. Das stellt bei Bildern, die einen bis zu siebenstelligen Wert haben sollen, ein kaum zu kompensierendes Manko dar.

Würden die Bilder beschädigt, fehlte es zudem an der für deliktischen Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB notwendigen Eigentumsverletzung in der Person des Besitzers. Mag der Besitz auch als sonstiges Recht gelten und insofern unter § 823 Abs. 1 BGB subsumierbar sein, stellt sich bereits die Frage, ob eine Beschädigung eines Bildes auch eine Verletzung des sonstigen Rechts in Form des Besitzes darstellt. Selbst wenn eine Besitzentziehung vorläge, bedürfte es eines zurechenbaren Vermögensschadens. Ein Vermögensschaden in der Höhe des Verkehrswertes des Bildes dürfte ausscheiden, da Gurlitt Junior oder seinen Rechtsnachfolgern wegen des fehlenden Eigentums jede Verwertung am Markt rechtlich verwehrt ist.

Der Vermögenswert einer Sache ist zudem dem Eigentümer allein zugewiesen. Der Besitzposition selbst kommt allenfalls ein Wert zu, den Nutzungen des Bildes zum Beispiel durch Vermietung generieren könnten. Und auch diese stehen einem unredlichen Besitzer nach den §§ 989, 990 BGB nicht zu. Ein Rechtsnachfolger Cornelius Gurlitts, der aufgrund des Scheiterns der Verfügung nur Besitzer, nicht aber Eigentümer würde, hätte viel Geld bezahlt, könnte aber bei Verlust oder Beschädigung, die Offenkundigkeit der Rechtslage vorausgesetzt, keine Ersatzansprüche in Höhe des Verkehrswertes geltend machen.

Die Hoffnung auf eine außergerichtliche Einigung

Kurzum: Die Rechtslage wäre im Falle eines Erwerbs für alle Beteiligten höchst unsicher. Ohne konkrete und dokumentierte Veräußerungskette und ohne Placet aller Erben, dürfte sich kaum ein Markt mehr für die betroffenen Bilder ergeben. Nur die §§ 816 Abs. 1, 185 BGB dürfte den Werken bei einer tatsächlichen, dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz den Weg zurück auf den Markt und in die Museen eröffnen. Entsprechende Deals wird es hinter den Kulissen in der Vergangenheit bereits gegeben haben. Man mag sich zudem fragen, ob bei einer Verbringung der Bilder ins Ausland andere Rechtsordnungen den Herausgabeanspruch eines Eigentümers ebenfalls verjähren lassen. Sind Bilder allerdings erst einmal irgendwohin verschwunden, vereitelt häufig die Macht des faktischen jede Rechtsdurchsetzung.

Vielleicht kommen Gurlitt Junior oder spätestens dessen Erben dennoch zur Besinnung und kooperieren mit Eigentümern oder den Institutionen, die die Rechte der Opfer wahrnehmen. Rein rechtlich gesehen sitzt Gurlitt Junior mit seiner Verjährungseinrede jedenfalls in der Sackgasse.

Der Autor Pascal Lippert ist Partner bei Hanselaw Hammerstein und Partner in Berlin und dort primär im Medien- und Urheberecht tätig.

Zitiervorschlag

Erwägungen zum Schwabinger Kunstfund: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10269 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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