Besitz und Eigentum sind bekanntlich nicht dasselbe, was gerade beim Schwabinger Kunstfund zu interessanten Konsequenzen führt. Denn selbst wenn Cornelius Gurlitt letztlich alle Bilder behalten dürfte, wäre er nicht automatisch ihr Eigentümer – und könnte so gut wie nichts mit den Werken anfangen. Einige juristische Gedankenspiele hierzu unternimmt Pascal Lippert – Vorsicht, examensrelevant!
Der Schwabinger Kunstfund erweist sich auch als Fundgrube (zivil)rechtlicher Probleme und Erwägungen. Diese stehen zwar unter dem Vorbehalt, dass der Sachverhalt nicht vollends aufgeklärt, insbesondere die früheren Eigentümer und der Weg der Werke in die Gurlittsche Sammlung im Einzelnen nicht bekannt ist. Doch kann man davon ausgehen, dass es sich bei den noch unter staatsanwaltlicher Beschlagnahme stehenden Bildern zumindest zum Teil um solche handelt, die ihren zumeist jüdischen Eigentümern in der NS-Zeit entzogen wurden. Darin liegt, rechtlich gesprochen, ein Abhandenkommen, sodass ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an diesen Bildern nach § 935 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausscheidet. Zu diesen Werken, deren Behandlung auch unter moralischen Aspekten die stärksten Kontroversen auslöst, im Folgenden ein paar Gedankenspiele.
Zunächst könnten Herr Gurlitt oder sein Vater im Wege der Ersitzung nach § 937 Abs. 1 BGB zu Eigentum an den Bildern gelangt sein. Diese Möglichkeit ist für viele Opfer eines Kunstraubes durch die Nationalsozialisten ein großes Problem. Der redliche Besitzer, der an sein Eigentum glaubt, kann nach zehn Jahren kraft Gesetzes Eigentümer werden. Für die Redlichkeit gibt es gemäß § 937 Abs. 2 BGB zwei Maßstäbe: Im Zeitpunkt des Erwerbs schaden Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit, für die folgenden zehn Jahre lediglich positive Kenntnis.
Indizien sprechen gegen Ersitzung
Gegen die Gutgläubigkeit lassen sich von Fall zu Fall unterschiedliche Indizien anführen. So dürfte sie etwa ausscheiden, wenn Werke in entsprechende Register für Raubkunst aufgenommen worden sind. Doch solche Register gibt es noch nicht allzu lange. Im Falle von Cornelius Gurlitt kann zur Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit nur spekuliert werden. Sein klandestines Vorgehen bei den Verkäufen von Werken in der Vergangenheit ist allerdings ein anknüpfungsfähiges Indiz für eine Unredlichkeit im Sinne des § 937 BGB.
Unterstellt man, dass die Ersitzung auf diese Weise zu Fall gebracht werden könnte, läge das Eigentum an den Bildern weiterhin bei den ursprünglichen Eigentümern bzw. ihren Erben. Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB wäre jedoch nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt; Eigentum und Besitz würden dauerhaft auseinanderfallen. Zur Lösung dieses Dilemmas wurde vorgeschlagen, die staatsanwaltliche Beschlagnahme als Zäsur zu begreifen, nach welcher auch die Verjährungsfrist eines Herausgabeanspruchs neu beginnt. Das lässt sich hören, ist aber rechtlich nicht zwingend; ob ein Gericht dieser Argumentation Folge leisten würde, ist ungewiss.
Übereignung bei Weiterverkauf der Bilder wäre rechtlich unmöglich
Doch selbst, wenn Herr Gurlitt einen Herausgabeprozess aufgrund der Verjährungseinrede tatsächlich als Sieger verlassen sollte, wäre das alles andere als ein rechtlicher Triumph. Das wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass er als bloßer Besitzer – und eben nicht als Eigentümer – der Werke diese nicht verkaufen, nicht verschenken, ja nicht einmal versichern kann.
Beim Kaufvertrag hat der Verkäufer dem Erwerber nämlich gemäß § 433 Abs. 1 BGB Eigentum und Besitz an der Kaufsache zu verschaffen. Ersteres könnte Gurlitt im skizzierten Szenario nicht leisten, da er selbst nicht Eigentümer wäre und auch ein gutgläubiger Erwerb an abhanden gekommenen Sachen ausscheidet. Der Kaufvertrag bliebe zwar wirksam, die Leistungsverpflichtung des Verkäufers wäre jedoch nach § 275 BGB unmöglich. Auch eine Ersitzung käme für den Erwerber nicht in Betracht, denn spätestens nach der medienwirksamen Aufarbeitung des Sachverhalts kann sich niemand mehr auf Gutgläubigkeit berufen. Allenfalls noch könnte er als Rechtsnachfolger Gurlitts einem Herausgabeanspruch nach § 198 BGB gleichfalls die Einrede der Verjährung entgegenhalten.
Genehmigung durch Eigentümer könnte ihnen Kaufpreis sichern
Aus Sicht der tatsächlichen Eigentümer wäre ein solcher Kaufvertrag jedoch nicht das schlechteste. Denn nach § 185 BGB stünde es ihnen frei, eine – zunächst erfolglose – Übereignung der Bilder von Cornelius Gurlitt an den Käufer zu genehmigen. Das wirkt nur auf den ersten Blick absurd. Zwar würden die Bilder auch auf diesem Weg nicht zu ihren früheren Eigentümern zurückgelangen. Doch denen stünde immerhin das Bereicherungsrecht zur Seite: Nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB könnten sie dann vom nichtberechtigten Veräußerer die Herausgabe des Erlöses aus dem Kaufvertrag verlangen.
Dieser Gedanke lässt sich noch weiterspinnen: So wäre es möglich, dass ein Erwerber im Auftrag des Eigentümers, aber im eigenen Namen handelt. Dann bekäme der Eigentümer das Eigentum am Bild und das Geld zurück. Notfalls alles vorab gesichert durch einen im Eilverfahren erwirkten Arrest hinsichtlich der Auskehr des Verkaufserlöses. Es besteht somit die Gefahr, dass Gurlitt Junior leer ausginge, auch wenn eine Auktion oder ein Privatverkauf als solche äußerlich normal verlaufen.
Wollte Gurlitt sich hingegen damit begnügen, die Bilder zu verschenken, so stünde die Lage kaum besser. In diesem Fall könnte der Eigentümer die Übereignung gleichfalls genehmigen und Eigentum und Besitz am Werk sodann nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB unmittelbar vom Beschenkten herausverlangen.
Erwägungen zum Schwabinger Kunstfund: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10269 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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