Im Oktober präsentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Eckpunkte der Ampel für eine Cannabis-Legalisierung. Zugleich kündigte er die zügige Einleitung einer Prüfung durch die EU an. In Brüssel aber ist noch nichts angekommen.
Die EU-Kommission wartet auch rund zwei Wochen nach der Veröffentlichung der Cannabis-Eckpunkte durch die Bundesregierung noch auf Erläuterungen aus Deutschland, um das Legalisierungs-Vorhaben der Ampel europarechtlich angemessen prüfen zu können.
"Wir haben den deutschen Entwurf noch nicht erhalten und warten auf die von den deutschen Behörden erwähnte Konsultation", erklärte am Freitag eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage von LTO.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am 26.Oktober in Berlin die Eckpunkte der Ampel für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene vorgestellt. Zugleich kündigte er damals an, wegen diverser europarechtlicher Bedenken bei der EU-Kommission in Brüssel ein sog. Vorabprüfungsverfahren einzuleiten. Man werde der Kommission das Eckpunktepapier flankiert von einer "Interpretationserklärung" vorlegen.
Ambitionierter Zeitplan in Gefahr?
Damit wolle man die Kommission davon überzeugen, dass die Legalisierungs-Vorstellungen der Ampel mit den Zielen internationaler Abkommen und Verträge, vor allem im Hinblick auf den Gesundheits- und Jugendschutz, nicht nur im Einklang stehen, sondern sogar besser erreicht werden könnten. "Folgt die Kommission unserem Weg einer kontrollierten Legalisierung, bekommen wir auf der Grundlage des Eckpunktepapiers einen Gesetzentwurf", sagte Lauterbach. Ansonsten werde man den "Rückzug" antreten", da dann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland drohe.
Optimistisch hatte sich Lauterbach im Oktober zum Zeitplan geäußert: Er glaube, dass sich die Kommission sehr schnell mit dem Projekt auseinandersetzen werde. Gebe es eine positive Reaktion aus Brüssel, könne die Ampel auf Grundlage der Eckpunkte "bereits im ersten Quartal des nächsten Jahres" einen Gesetzentwurf vorlegen. Mit der Legalisierung sei dann 2024 zu rechnen.
Ob dieser ambitionierte Zeitplan allerdings eingehalten werden kann, wenn die Bundesregierung das Vorhaben auf die lange Bank schiebt?
EU-Kommission: Kriminalisierung des Konsums ist Ländersache
Wie die Prüfung in Brüssel am Ende ausgehen wird, ist offen. Gegenüber LTO teilte die EU-Kommission mit, dass sie die Entwicklung beim Thema Cannabis genau verfolge. "Dazu gehören auch die Auswirkungen auf Gesundheit, Kriminalität, Umwelt und soziale Aspekte." Eine Sprecherin verwies darauf, dass das geltende EU-Recht strafrechtliche Mindestsanktionen für den illegalen Drogenhandel vorsehe und den Anbau von Cannabis verbiete.
Das EU-Recht (Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates) verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Straftaten im Zusammenhang mit dem illegalen Handel mit Drogen, einschließlich Cannabis, unter Strafe gestellt wird. Der Kommissionssprecherin zufolge müssen alle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Handel mit Cannabis durch die nationalen Gesetze unter Strafe gestellt werden. "Dazu gehören Produktion, Herstellung, Extraktion, Zubereitung, Anbieten, Anbieten zum Verkauf, Vertrieb, Verkauf und Lieferung."
Allerdings, so die Sprecherin, verbiete das EU-Recht nicht den persönlichen Gebrauch von Drogen. "Es ist daher Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, wie sie den persönlichen Gebrauch von Drogen, einschließlich Cannabis, behandeln. Das bedeutet, dass die Mitglieder entscheiden können, ob sie den persönlichen Konsum von Drogen, einschließlich Cannabis, kriminalisieren oder nicht."
Sofortige Entkriminalisierung möglich
Diese Aussagen der EU-Kommission dürften Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die von der Bundesregierung erwarten, dass sie ungeachtet vom Ausgang der europarechtlichen Prüfung durch Brüssel, vorab und zeitnah ein Gesetz zur Entkriminalisierung der Konsument:innen auf den Weg bringt.
Das von Lauterbach angekündigte "Vorabprüfungsverfahren" wird auch als sog. EU-Pilotverfahren bezeichnet. Es handelt sich um einen informellen, strukturierten Dialog zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat. Ziel ist es, mögliche Verstöße gegen das EU-Recht wirksam und möglichst ohne Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 258 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu lösen.
EU-Kommission äußert sich zur Cannabis-Legalisierung: . In: Legal Tribune Online, 13.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50157 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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