Das BVerwG hat am Donnerstag entschieden, dass Mehrarbeit im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes ebenso wie "normale" Mehrarbeit vollständig, also "1 zu 1", in Freizeit auszugleichen ist. Frank Wieland begrüßt das Urteil.
Die Mehrarbeit eines Beamten in Form von Bereitschaftsdienst ist im Verhältnis "1 zu 1" durch Freizeit auszugleichen, entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 17.11.2016, Az. 2 C 3.16, 2 C 28.15).
Weiter haben die Leipziger Richter klargestellt, dass beim Freizeitausgleich kein Anspruch auf Auslandsbesoldung besteht, soweit der Bereitschaftsdienst zwar im Ausland geleistet, doch der Freizeitausgleich im Inland genommen wird. Auslandsbesoldung bezwecke einen Ausgleich für Erschwernisse des Dienstes im Ausland, setze also einen Aufenthalt im Ausland voraus.
Letztlich hat sich das BVerwG in der Entscheidung ein weiteres Mal zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft geäußert, hier konkret betreffend Bundespolizisten, die jeweils einige Monate Aufgaben des Personen- und Objektschutzes an den deutschen Botschaften in Kabul und in Bagdad wahrgenommen haben.
Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst
Es bestehe, so das Gericht, kein Anspruch auf Freizeitausgleich für eine reine Rufbereitschaft (vgl. § 2 Abs. 11 Arbeitszeitverordnung (AZV) Bund) oder bloße Anwesenheit ohne dienstliche Inanspruchnahme in dieser Zeit. Zeiten während einer Rufbereitschaft fallen nicht unter den Begriff der Arbeitszeit, weil es sich hierbei nicht um Mehrarbeit nach § 88 Bundesbeamtengesetz (BBG) handele.
Hingegen fallen nach Ansicht der Richter Zeiten, die von Bediensteten im Rahmen von Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort abgeleistet werden (§ 2 Abs. 12 AZV Bund) grundsätzlich unabhängig davon, welche Arbeitsleistungen während dieses Dienstes tatsächlich erbracht werden, regelmäßig unter den Begriff der Arbeitszeit.
Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung
Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG ist unter Arbeitszeit jede Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.
Der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zufolge fallen dabei Zeiten, die von Bediensteten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort abgeleistet werden, unter den Begriff der Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie, unabhängig davon, welche Arbeitsleistungen während dieses Dienstes tatsächlich erbracht werden. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG zählen die Zeiten eines Bereitschaftsdienstes - einschließlich der "inaktiven Zeiten" - ohne Abstriche als Arbeitszeit (BVerwG, Urt. v. 29.9.2011, Az. 2 C 32.10).
Von dem vollumfänglich als Arbeitszeit anzurechnenden Bereitschaftsdienst zu unterscheiden ist der grundsätzlich nicht (vollständig) als Arbeitszeit anzuerkennende Rufbereitschaftsdienst. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG liegt Bereitschaftsdienst in Abgrenzung von Rufbereitschaft dann vor, wenn der Beamte den Dienst an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs leistet, sich zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereithält und wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.9.2011, Az. 2 C 32.10).
Ausgleich "1 zu 1" unabhängig von Ausmaß der Inanspruchnahme
Im Instanzenzug haben die jeweiligen Dienstherren einen Ausgleich des Bereitschaftsdiensts "1 zu 1" abgelehnt mit Hinweis auf die Regelung des § 5 Abs. 2 Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung (BMVergV). Danach wird eine Stunde Dienst in Bereitschaft nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt.
Dem ist das BVerwG zunächst mit Hinweis auf den Wortlaut des § 88 BBG entgegengetreten, der wie folgt lautet: "Werden sie [die Beamnten] durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren."
Der Wortlaut, so das BVerwG, lege eine Differenzierung nach der Intensität der Inanspruchnahme nicht nahe. Überdies diene der Freizeitausgleich nicht nur dazu, eine Regeneration des Beamten zu ermöglichen, sondern habe in erster Linie den Zweck, die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit jedenfalls im Gesamtergebnis zu gewährleisten. Auch dies erfordere einen vollen Ausgleich.
Rechtsklarheit zum Freizeitausgleich
Die Entscheidung des BVerwG zum ungekürzten Freizeitausgleich der Bereitschaftsdienstzeiten ist zu begrüßen. Richtiger Weise kann für den Ausgleich der im Bereitschaftsdienst erbrachten Arbeitszeit durch Dienstbefreiung – und damit für eine Kürzung des Freizeitausgleichs - nicht die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV sinngemäß herangezogen werden.
Denn mit der Dienstbefreiung steht ein arbeitszeitrechtlicher Ausgleich der Bereitschaftsstunden in Rede, nicht aber ein Vergütungsanspruch, also ein Ausgleich für geleistete Mehrarbeit in Geld. So hat bereits das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im Instanzenzug entschieden (Urt. v. 24.8.2015, Az. 1 A 421/14).
Der Autor Frank Wieland ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Kanzlei ist spezialisiert auf sämtliche Fragen des öffentlichen Dienstrechts.
Frank Wieland, BVerwG zum Freizeitausgleich für Beamte: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21218 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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