Die Postreform II wirkt nach: Beamte müssen "amtsangemessen" beschäftigt werden. Ob dies auch bedeutet, nicht auf höherwertigen Dienstposten eingesetzt zu werden, musste das BVerwG klären. Robert Hotstegs ordnet dessen Urteil ein.
Der Sachverhalt wirkt geradezu aus der Zeit gefallen, denn das Verfahren, über das das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag zu entscheiden hatte, hat seine rechtlichen Ursprünge vor über 22 Jahren. Zu dieser Zeit waren die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Post AG und auch die Deutsche Postbank AG noch nicht privatisiert worden. Der rechtlichen Rahmen stammt aus einer Zeit, als die Deutsche Bundespost ein Sondervermögen der Bundesrepublik war und Postbeamte hauptsächlich durch ein gelbes (Post und Bank) oder graues (Telekom) Outfit unterschieden wurden. Die Farbe Magenta war im Sprachgebrauch noch nicht angekommen.
In Folge der Privatisierung gibt es immer noch "alte Postbeamte" in den Postnachfolgeunternehmen, die bis heute im Dienst sind und einen grundgesetzlich verbrieften Anspruch darauf haben, wie Beamte behandelt zu werden, auch wenn sie bei einem privaten (Tochter-)Unternehmen der Post beschäftigt sind.
Die Klägerin des Verfahrens vor dem BVerwG ist Fernmeldeobersekretärin im mittleren nichttechnischen Dienst. Sie hat damit ein Amt inne, das der Besoldungsgruppe A7 zuzuordnen ist, wurde bei einer Telekom-Tochter aber als Sachbearbeiterin mit Besoldungsstufe A9 beschäftigt. Gegen diese dauerhafte höherwertige Beschäftigung wehrte sie sich – und bekam letztlich auch vom BVerwG Recht zugesprochen (Urt. v. 19.05.2016, Az. 2 C 14.15).
Von der Fernmeldeobersekretärin zur "Sachbearbeiterin Backoffice"
Da die Telekom keine klassische Behördenstruktur mehr aufweist und einen flexibleren Personalkörper braucht, ist ihr im Rahmen der Postreform II seinerzeit durch Gesetz das besondere Recht eingeräumt worden, Beamte auch Unternehmenstöchtern zuzuweisen. Der Vorstand der Deutschen Telekom AG übt dann weiterhin für die Bundesrepublik Deutschland die Dienstherrneigenschaft aus, gleichzeitig kann der betroffene Beamte aber grundsätzlich in privaten Strukturen eingesetzt werden.
Hierbei stößt insbesondere die Telekom regelmäßig an ihre Grenzen und beschäftigt seit fast genau 22 Jahren die Gerichte. Die Konstellation der Klägerin kommt dabei nicht selten vor: Ein Beamter wird von der Telekom an eine Tochtergesellschaft zugewiesen und der dortige Dienstposten – hier war es die Sachbearbeitung im Backoffice - ist aber höherwertig. Das bedeutet konkret, die Aufgaben des Dienstpostens führen zwingend zu einer Bewertung nach der Besoldungsgruppe A9 oder A8 (das änderte sich im laufenden Verfahren), dennoch erhielt die Beamtin durchgängig ihre Besoldung nur nach A7.
Die Klägerin sah hierin ihren Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung verletzt, den auch das Postpersonalrechtsgesetz schützt. Amtsangemessen, so die Begründung der Klägerin, bedeute eben nicht nur das Verbot der Beschäftigung auf einem unterwertigen Dienstposten, sondern eben auch auf einem höherwertigen. Diese Auffassung bestätigten nun alle drei Instanzen, das BVerwG folgte den Ausgangsentscheidungen des Verwaltungsgerichts (VG) Potsdam und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg.
2/2: Vorherrschende Meinung der OVG irrte
Das ist in sich stimmig und konsequent, bedeutet aber eine Kehrtwende für die Rechtsprechung vieler anderer Bundesländer. So hatten namentlich etwa das OVG Nordrhein-Westfalen, das Niedersächsische OVG und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) bis in die jüngste Vergangenheit die gegenteilige Position bezogen. Sie waren der Auffassung, dass ein Abweichen "nach oben" zwar regelwidrig sei, aber der einzelne Beamte dies nicht rügen dürfe.
So sei es quasi denkbare Unternehmenspolitik, A7-Beamte auf einem A9-Dienstposten einzusetzen und damit auch stets das Risiko der Überforderung oder der Schlechtleistung einzugehen. Die Rechte des Einzelnen würden diesen Auffassungen nach jedenfalls nicht verletzt. Dementsprechend scheiterten in der Vergangenheit Klagen und Eilverfahren vor diesen Gerichten.
Das verschaffte der Deutschen Telekom AG und ihrer Personalpolitik unverdienten Rückenwind. Dieser ging sogar soweit, dass die Telekom ernsthaft in den gerichtlichen Verfahren vortragen ließ, der betroffene Beamte habe doch gar keinen Nachteil, im Gegenteil, er könne doch sogar auf seinem Dienstposten viel besser und schneller befördert werden. Das wirkte nur auf den ersten Blick plausibel, es war von der Praxis des Beamtenrechts tatsächlich meilenweit entfernt.
Beförderung als Lockmittel, die Überforderung zu akzeptieren
Denn ebenso wie das Beamtenrecht die Amtsangemessenheit des Dienstpostens kennt, funktioniert es auch nach dem Prinzip der Bestenauslese. Befördert wird daher nicht (zwingend) derjenige, der auf einem höheren Dienstposten sitzt, sondern derjenige, der sich anhand von dienstlichen Beurteilungen hierfür als bester Kandidat erweist. Indem die Telekom die Beförderung geradezu lockend in Aussicht stellte, konterkarierte sie das Beamtenrecht ein weiteres Mal.
Umso erfreulicher ist es nun, dass das BVerwG der deutlichen Linie der Vorinstanzen folgte und sich nicht der scheinbar zahlenmäßig herrschenden Meinung anderer Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe anschloss - denn damit gibt es kein weiteres Sonderrecht für die Telekom und ihre Post-Schwestern. Sie müssen sich weiterhin damit arrangieren, dass sie an das Postpersonalrecht und das Bundesbeamtenrecht gebunden sind, bis der letzte Postbeamte den Ruhestand erreicht oder die Postnachfolgeunternehmen verlassen hat.
Der Gesetzgeber hätte dies sicherlich weiter aufweichen können, er hat sich aber bewusst dafür entschieden, an dem Konzept des Berufsbeamtentums auch nach der Privatisierung festzuhalten: Dies ist nämlich die Kehrseite der Treuepflicht, die auch die Postbeamten auf Lebenszeit eingegangen sind. Die Bundesrepublik schuldet auch Beamten bei Telekom, Post und Postbank Fürsorge und nicht etwa Überforderung. Und benötigt sie Beamte höherer Besoldungsgruppen, dann hat sie entsprechende Beförderungen zu veranlassen. Ausnutzung darf kein Dauerzustand werden oder bleiben, wenn der Gesetzgeber dies nicht ausnahmsweise unter engen Grenzen vorsieht.
Der Autor Robert Hotstegs ist Dozent und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Dienstrecht, insbesondere das Beamten- und Disziplinarrecht spezialisiert.
Robert Hotstegs, BVerwG zu Beschäftigung von Beamten auf höherwertigem Posten: Telekom hat keine "Lizenz zum Ausnutzen" . In: Legal Tribune Online, 20.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19435/ (abgerufen am: 01.07.2024 )
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