Dem Ausbau der A1 steht nichts mehr im Wege, das BVerwG wies am Mittwoch die dagegen gerichteten Klagen ab. Der Fall ist komplex, doch Gerichte müssen auch dann ihre Aufgabe als Kontrolleure der Behörden besser erfüllen, meint Felix Ekardt.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am Mittwoch den Weg für den Ausbau der Bundesautobahn A 1 freigemacht. Der 9. Senat wies zwei Klagen ab, die den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln über den Ausbau der A1 zwischen Köln und Leverkusen betrafen. Die Regierung habe den Gefahren für die Umwelt ausreichend Rechnung getragen, befanden die Leipziger Richter (Urt. v. 11.10.2017, Az. 9 A 14.16; 9 A 17.16).
Kläger waren ein Umweltverband und ein privater Grundstückseigentümer. Sie wandten sich mit ihren Anträgen gegen die beabsichtigte Erneuerung der Rheinbrücke, die ihre Belastungsgrenzen erreicht hat und bereits seit 2014 für den Schwerlastverkehr gesperrt ist.
Die Erneuerung der Rheinbrücke bildet einen Schwerpunkt des Ausbauprojekts. Mit dem Neubau soll die Autobahn von bisher sechs auf acht Fahrstreifen ausgebaut werden. Teile der Autobahn liegen aber im Bereich einer ehemaligen Deponie, die bis in die 1960er Jahre insbesondere von den Bayer-Werken genutzt wurde. Für die Gründung der Brückenpfeiler sowie die Verlegung und Verbreiterung der Fahrbahnen muss die Deponieabdeckung teilweise geöffnet und Deponiegut ausgehoben werden.
BVerwG: Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet
Der Regierung habe die Risiken, die mit der Öffnung der Altablagerung verbunden seien, hinreichend ermittelt und beurteilt, befand das BVerwG. Bei der Untersuchung der Deponie habe sie berücksichtigen dürfen, dass diese im Laufe der letzten Jahrzehnte bereits häufig und intensiv erkundet worden sei und sich daher zunächst auf ergänzende Feststellungen beschränken dürfen. Weitere vertiefende Untersuchungen seien baubegleitend vorgesehen.
Die Entscheidung, im Bereich der Deponie eine sogenannte Polstergründung der Fahrbahnen vorzusehen, hält das Gericht für vertretbar. Dabei werden das Obermaterial und die Abfallschicht bis zu einer Tiefe von 2,70 m ausgehoben. Die Entscheidung für die Polstergründung, die wegen des Setzungsrisikos einen gegenüber einer normalen Gründung höheren Reparaturaufwand auslöst, beruhe auf einer Abwägung.
Neben wirtschaftlichen Gründen spräche auch die Vermeidung größerer Umweltrisiken gegen einen Vollaustausch des Deponieguts unterhalb der Fahrbahnen. Für die Bauarbeiten im Deponiebereich habe die Regierung ein Immissionsschutz- und Entsorgungskonzept aufgestellt. Dieses ist nach Auffassung des BVerwG ausreichend, um die Sicherheit der Bevölkerung und der Bauarbeiter zu gewährleisten.
Die von den Klägern entwickelte sogenannte Kombilösung stellt nach Auffassung des Senats keine gleichwertige Alternative dar. Die Kombilösung sah die Errichtung eines Langtunnels zwischen der Anschlussstelle Köln-Niehl und dem Autobahnkreuz Leverkusen sowie eine Ersatzbrücke zum Anschluss der A 59 an die linke Rheinseite vor. Die direkte Verbindung zwischen den Autobahnkreuzen Leverkusen-West und Leverkusen würde allerdings entfallen. Damit verfehlt diese Variante ein wesentliches Kriterium, das die Regierung für das Ausbauprojekt im Einklang mit den Planungszielen aufgestellt hat.
Gerichte lassen Behörden viel Spielraum
Ein weiterer Vorwurf der Kläger lautete, die Regierung lege entgegen eigenen Vorgaben bereits jetzt die Planung des östlichen Folgeabschnitts zwingend auf eine Hochstraße fest. Dies hat sich nach Ansicht des BVerwG nicht bestätigt. Vielmehr könne der Ausbau nach Osten hin entweder in Hoch- oder in Tieflage fortgesetzt werden. Die Unterteilung des Gesamtvorhabens in mehrere Abschnitte sei durch den Zeitdruck gerechtfertigt, den die einsturzgefährdete Rheinbrücke auslöse, so das Gericht.
Der Fall macht insgesamt deutlich, dass moderne Genehmigungsverfahren mit Umweltrelevanz meist durch einen komplexen Ausgleich verschiedener Belange und durch schwierige, oft unsichere Tatsachenlagen geprägt sind. Unter Gesichtspunkten der Gewaltenteilung lässt die Rechtsprechung insoweit den Behörden meist Entscheidungsfreiheit. Denn Behörden sind vom demokratisch legitimierten Parlament besser kontrollierbar als Gerichte.
Manchmal kann dabei aber ins Hintertreffen geraten, dass die behördliche Ermittlung der Fakten und die Abwägung der widerstreitenden Belange gewissen gesetzlichen Anforderungen unterliegt, ohne die behördliches Handeln beliebig werden würde. Deren Erfüllung müssen Gerichte kontrollieren, und zwar strenger, als es in Deutschlands Verwaltungsgerichten häufig passiert.
Der Autor Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. U.a. zu Gesundheits- und Umweltproblemen erscheint von ihm im Oktober das Taschenbuch "Kurzschluss: Wie einfache Wahrheiten die Demokratie untergraben".
Felix Ekardt, BVerwG weist Klagen gegen Rheinbrücken-Erneuerung ab: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24971 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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