Nach dem Urteil des BVerwG können deutsche Städte künftig grundsätzlich Fahrverbote für Diesel-Autos mit zu hohen Emissionen verhängen. Eine richtige Entscheidung - doch Fahrverbote reichen nicht, findet Felix Ekardt.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat den Weg für Fahrverbote in deutschen Städten geebnet (Urt. v. 28.02.2018, Az. 7 C 26.16 u. 7 C 30.17). Das Urteil ist richtig, da es dem Gesundheitsschutz tausender Menschen Vorrang zubilligt. Doch es wird vermutlich nicht der letzte Rechtsstreit zu dem Thema sein: Deutschland hat wegen der Luftverschmutzung in Städten auch Ärger mit der EU. Die EU-Kommission hatte die bisherigen Anstrengungen für bessere Luft als nicht ausreicheichend kritisiert und die schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte gefordert - andernfalls droht eine Klage gegen Deutschland beim EuGH.
Stickstoffoxide sind schlecht fürs Klima und die Biodiversität. Und sie machen Menschen krank, weil sie giftig und wohl auch krebserregend sind. Trotzdem ist die Luftqualität gerade in größeren Städten regelmäßig schlecht. Mit die größte Ursache dafür sind Diesel-Autos. Das Umweltbundesamt und Umweltverbände haben in Messungen für Diesel-PKWs mit der Abgasnorm Euro 6 gezeigt, dass sie im realen Fahrbetrieb den Emissionsgrenzwert der Fahrzeugemissionen-Verordnung (VO Nr. 715/2007/EG) für Stickstoffoxid von 80 mg/km um das Fünffache, manchmal gar um das 24-Fache überschreiten.
Folgerichtig haben die Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf 2017 im Falle der Städte Düsseldorf und Stuttgart angeordnet, dass die Luftreinhalteplanung nachgebessert und dabei, wenn nötig, auch Fahrtverbote angeordnet werden müssen. Auf eine Sprungrevision der beklagten Bundesländer in beiden Verfahren hat das BVerwG am Dienstag entschieden, dass Fahrverbote tatsächlich rechtmäßig wären und ergo geprüft werden müssen.
Deutschland vereitelt Europarecht
Das BVerwG konstatiert zwar, dass das Bundesrecht an sich keine Rechtsgrundlage für Fahrverbote bereithalte, weil nach der einschlägigen Fahrzeugkennzeichnungsverordnung dafür erst einmal ein Plaketten-System etabliert werden müsste. Dass der Bund die Plaketten nicht bereits eingeführt habe, sei im Lichte der Schadstoffbelastungen aber als europarechtswidrig anzusehen.
Deshalb dürften sich, so die Richter in Leipzig, die verschiedenen Staatlichkeitsebenen in Deutschland nicht auf diesen Rechtsverstoß berufen, um die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen. Dies entspricht dem seit langem bekannten sogenannten Vereitelungsverbot des Europarechts. Die Verhältnismäßigkeit möglicher Fahrverbote soll dabei durch Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen für Handwerker sichergestellt werden.
Seit 2015 verlangt Art. 10 Abs. 5 der Fahrzeugemissionen-VO ein Einschreiten der Mitgliedstaaten gegen Zulassung, Betrieb und Verkauf auch für Euro-6-Diesel-Autos, wenn diese die Emissionsgrenzwerte aus Anhang I der Verordnung überschreiten. Diese Norm verletzen Autos mit Abschalteinrichtungen flagrant, die im Prüfstand niedrige Emissionen haben, im Straßenbetrieb dann aber ein Vielfaches an Stickstoffoxiden ausstoßen, um Kosten zu sparen.
Deutschland, konkret das dafür eigentlich zuständige Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg, setzt dennoch den geforderten wirksamen Gesundheitsschutz gegen Stickstoffoxide, den die Verordnung bezweckt, bisher nicht bei der Erteilung der Typengenehmigungen für Fahrzeugflotten durch.
Am besten ein Komplett-Ausstieg aus fossilen Brennstoffen
Auch die Kommunen sind bisher oft nicht hinreichend tätig geworden, wie die Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf festgestellt haben (und wie nunmehr vom BVerwG akzeptiert wurde). Neben den Emissionsgrenzwerten für die Urheber, also die Autos, gibt es gemäß der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa (2008/50/EG) auch Immissionsgrenzwerte für Gebiete. In Deutschland sind diese umgesetzt in § 47 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und der 39. Verordnung zu diesem Gesetz. Danach müssen die Kommunen mit einer Luftreinhalteplanung reagieren, die entsprechende wirksame Maßnahmen vorsieht.
All das Gesagte wird auch nicht dadurch hinfällig, dass es komplexe und teure Technik braucht, um beispielsweise Stickstoffoxide und den ebenfalls gesundheitsschädlichen Feinstaub gleichzeitig zurückzuhalten. Das BVerwG statuiert insoweit, dass Kraftfahrzeughalter gewisse Werteinbußen ihrer Fahrzeuge hinnehmen müssen. Noch deutlicher hätte es dabei freilich sagen können: Der Gesundheitsschutz ist ebenfalls grundrechtlich gewährleistet, und es geht hier um den Schutz gegen tödliche Gefahren, die zehntausende Menschen im Jahr treffen. Exakt dies ist der Grund, warum die Diskussion über Beschränkungen für Dieselfahrer doch etwas einseitig wirken.
Eine durchgreifendere Lösung für diverse Luftschadstoffprobleme und zugleich das Klimaproblem wäre es freilich, wenn man sich dazu entschließen würde, sukzessive komplett aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Nicht nur, aber auch bei der Mobilität. Dies verlangt ohnehin Artikel 2 des Pariser Klimaschutz-Abkommens innerhalb kurzer Frist. Im Sinne der Rechtskonformität wären Bund und Länder nun gefordert, die verschiedenen Themenfelder stärker zusammenzudenken. Fahrverbote allein reichen dafür nicht aus.
Der Autor Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und lehrt an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock.
BVerwG zu Luftreinhalteplänen: . In: Legal Tribune Online, 27.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27241 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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