Punitive Damages in unbekannter Höhe, keine Erstattung der Anwaltskosten – das amerikanische Recht passte einer deutschen Firma so gar nicht. Um sich einem Markenrechtsstreit vor einem US-Gericht zu entziehen, versuchte sie daher die Zustellung der Klage in Deutschland zu verhindern. Ohne Erfolg wie nun das BVerfG zu Recht entschied, meint Anette Gärtner.
Der Fall begann ganz unspektakulär. Eine deutsche Firma erwarb mehrere Domains, ein amerikanisches Unternehmen sah sich in älteren Rechten verletzt. Man verhandelte. Die Amerikaner boten Geld für die Übertragung der Domains, die Deutschen lehnten ab und wurden prompt vor einem US-Gericht wegen Markenverletzung verklagt.
Nun wurde es doch noch spannend. Die deutsche Firma versuchte nämlich mit allen Mitteln, die Zustellung der Klage in Deutschland zu verhindern. Sie beantragte zunächst bei der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, die Klage nicht zuzustellen; allerdings erfolglos. Denn gemäß Art. 13 des Haager Zustellungsübereinkommens darf die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks nur verweigert werden, wenn der ersuchte Staat – also Deutschland – seine Hoheitsrechte oder die Sicherheit gefährdet sieht.
Eine hohe Schwelle, die erst dann erreicht wird, wenn unverzichtbare Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaates verletzt werden. Davon gingen aber weder die Senatsverwaltung noch das anschließend angerufene Kammergericht (KG) aus.
Kein Schutz vor Verantwortlichkeit in einer fremden Rechtsordnung
Die Berliner Zivilrichter hielten es für unbedenklich, dass nach amerikanischem Recht die Kosten des Verfahrens regelmäßig nicht ersetzt werden. Auch die in Deutschland unbekannte Pre-trial Discovery – also die vorgerichtliche Ermittlung des Sachverhalts und Beweissicherung durch die Parteien selbst– und das Risiko einer Verurteilung zu hohen Strafschadensersatzzahlungen (Punitive Damages) wegen vorsätzlicher Markenverletzung beeindruckten die Richter nicht.
In einem Satz, der auf die rechtssuchende Firma wie eine schallende Ohrfeige gewirkt haben dürfte, hielten die Richter fest, Deutschland schütze den Bürger, der sich im internationalen Rechtsverkehr bewegt, nicht vor der Verantwortlichkeit in einer fremden Rechtsordnung (Beschl. v. 25.10.2012, Az. 1 VA 11/12).
Da der Beschluss des KG unanfechtbar war, blieben nur noch die Verfassungsbeschwerde und ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, um die Zustellung der Schadensersatzklage zu verhindern.
Risiko von Punitive Damages ist Folge einer unternehmerischen Entscheidung
Alles Bemühen war umsonst. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) konnte keine Grundrechtsverletzung feststellen.
Wie bereits in einer früheren Entscheidung betonten die Karlsruher Richter, es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die Zustellung nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 13 des Haager Zustellungsübereinkommens verweigert werden dürfe. Alles andere liefe dem Zweck des Übereinkommens zuwider, die Zustellung zu erleichtern und zu beschleunigen.
Im konkreten Fall sah das BVerfG ebenso wenig wie das KG rechtsstaatliche Grundsätze verletzt. Die um die Zustellung ersuchte Stelle müsse nicht selbständig prüfen, ob der im US-Verfahren geforderte Schadensersatz verhältnismäßig sei. Auch die zu erwartenden hohen Anwaltskosten und der Umstand, dass diese nicht erstattet würden, verursachte bei den Richtern kein Störgefühl. In ihrem Beschluss wiesen sie knapp darauf hin, dass solche Kosten Folge der unternehmerischen Entscheidung seien, am grenzüberschreitenden Wirtschaftsleben teilzunehmen (Beschl. v. 09.01.2013, Az. 2 BvR 2805/12).
Der Karlsruher Beschluss ist keine Grundsatzentscheidung. Der Fall verdeutlicht aber in besonderer Weise die Risiken von Markenrechtsverletzungen im Internet. Ist erst eine Klage in den USA anhängig, kann man sich deren Zustellung nicht mit dem Hinweis entziehen, die drohenden Kosten bzw. der zu erwartende Schadensersatz seien existenzgefährdend. Wer im Internet Geschäfte macht, erreicht mehr Kunden, setzt sich allerdings auch größeren Risiken aus.
Die Autorin Dr. Anette Gärtner ist Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz und Counsel im Münchener Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.
Anette Gärtner, BVerfG zur Zustellung von US-Klagen: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8169 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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