Der Fresenius-Vorstand engagierte als Berater eine Rechtsanwaltskanzlei, aus der ein Anwalt im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt. Das Honorar wurde ausgezahlt, bevor der Aufsichtsrat zustimmte. Eine Aktionärin vermutete Interessenskonflikte und erhob Klage. Am Dienstag scheiterte sie vor dem BGH. Die Entscheidung erläutert Tatjana Schroeder.
Der Gesundheitskonzern Fresenius zahlte 2008 ein Beraterhonorar von rund einer Million Euro an eine Anwaltskanzlei, aus der ein Partner dem Aufsichtsrat des Konzerns angehörte. Der Aufsichtsrat hatte dem Vorstand zwar ein Jahresbudget für die Mandatierung der Kanzlei freigegeben, nicht aber den Zahlungen im Einzelfall vorab zugestimmt. Dennoch wurden auf der Hauptversammlung 2009 Vorstand und Aufsichtsrat der Fresenius SE entlastet. Gegen diese Entlastungsbeschlüsse erhob eine Aktionärin Anfechtungsklage. Begründung: Der Aufsichtsrat hätte den Zahlungen vorab zustimmen müssen. Der Bundesgerichtshof wies die Klage ab (BGH, Urt. v. 10.07.2012, Az. II ZR 48/11).
Das OLG Frankfurt sorgte für Verwirrung
Für viele Juristen überraschend hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in der Auszahlung des Honorars vor dem konkreten Zustimmungsbeschluss einen "schwerwiegenden Gesetzesverstoß" gesehen. Die Honorarzahlung durch den Vorstand sei zeitlich erst nach der Zustimmung durch den Aufsichtsrat zulässig gewesen. Die nachträgliche Genehmigung ließ das OLG nicht gelten.
Die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern ist im Aktiengesetz (AktG) klar geregelt: Nach § 113 AktG darf der Vorstand den Aufsichtsratsmitgliedern zunächst nur die Vergütung zahlen, welche die Hauptversammlung in der Satzung oder durch Beschluss festgesetzt hat. Diese Vergütung deckt die so genannten organschaftlichen Aufgaben des Aufsichtsrats ab, also ihre Überwachungs- und Beratungstätigkeit im Gremium.
Ein zusätzliches Honorar hierfür ist nicht möglich. Vereinbarungen hierüber sind nichtig und gezahlte Beträge müssen zurückgefordert werden. Werden darüber hinaus Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern geschlossen, dürfen sie nur zusätzliche Beratungsleistungen erfassen – etwa eine anwaltliche Beratung. Hier bestimmt § 114 AktG, dass für solche Verträge die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist.
BGH: Kein schwerwiegender Gesetzesverstoß
Während die herrschende Meinung bislang davon ausging, dass das Aktiengesetz sowohl eine vorherige Einwilligung als auch eine nachträgliche Genehmigung zulässt, bestand das OLG Frankfurt auf einer vorherigen Zustimmung. Die Interpretation der Frankfurter Richter löste unter Juristen Kopfschütteln aus. Denn nach § 114 Abs. 2 AktG ist ein Aufsichtsratsmitglied nicht verpflichtet, eine Vergütung für Beratungsleistungen zurückzuzahlen, wenn der Aufsichtsrat den Beratungsvertrag nachträglich genehmigt. Wenn dies aber geschehen kann und wie im Fall Fresenius auch geschehen ist, kann eine Honorarzahlung, die aufgrund des Beratungsvertrags erfolgt ist, kaum ein "schwerwiegender Gesetzesverstoß" sein, selbst wenn der Aufsichtsrat die Genehmigung erst nachträglich erteilt.
Zu diesem Ergebnis gelangte schließlich auch der BGH. Die Zahlung eines Anwaltshonorars an ein Aufsichtsratsmitglied oder dessen Sozietät vor Zustimmung des Aufsichtsrats sei zwar grundsätzlich rechtswidrig, woran auch eine spätere Genehmigung des Aufsichtsrats nichts ändere.
Dies sei aber im Jahr 2008, als Fresenius die Anwaltskanzlei für ihre Beratertätigkeit entlohnte, noch nicht eindeutig juristisch geklärt gewesen. Daher habe der Vorstand nicht so eindeutig und schwerwiegend gegen das Gesetz verstoßen, dass dessen Entlastung durch die Hauptversammlung deshalb anfechtbar würde, so der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat. Der BGH verwies den Fall wieder an die Vorinstanz zurück, damit diese nun weitere Anfechtungsgründe prüft.
Ein nachsichtiges Urteil für mehr Transparenz
Die Bundesrichter stellen klar, wie sich Vorstand und Aufsichtsrat in Zukunft zu verhalten haben. Gleichzeitig übt der BGH Nachsicht; denn was der Senat am Dienstag feststellte, konnten die Vorstände ja 2008 noch nicht wissen. Damit entschärft Karlsruhe das Urteil der Vorinstanz deutlich.
Die Entscheidung ist auch ein weiterer Schritt in Richtung der gerade im Kapitalmarkt so wichtigen und politisch gewollten Transparenz.
Zum einen müssen Vorstand und Aufsichtsrat sorgfältig prüfen, ob die Verpflichtung aus einem Beratervertrag eindeutig von den organschaftlichen Pflichten eines Aufsichtsrats abgegrenzt werden kann. Zum anderen muss der Vorstand, bevor er ein Beratungshonorar zahlt, stets vorher die Einwilligung des Aufsichtsrats einholen, damit dieser die Leistungen vorab überprüfen kann, statt gegebenenfalls zurückfordern zu müssen.
Die Autorin Dr. Tatjana Schroeder ist Partnerin der Kanzlei SKW Schwarz Rechtsanwälte in Frankfurt am Main.
Zustimmung zu Beraterverträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6590 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag