Die ZDF-Satire darf weiter behaupten, ein Herausgeber und ein Journalist von Die Zeit hätten Verbindungen zu Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Eine Lektion im Umgang mit Satire, zeigt Markus Kompa.
Die Satire-Sendung "Die Anstalt" thematisierte in der Ausgabe vom 29. April 2014 die mangelhafte Unabhängigkeit politischer Journalisten, deren Zeitungen "so etwas wie die Lokalausgaben der Nato-Pressestelle" seien.
So kritisierten die Satiriker vor dem Hintergrund der Krim-Krise die Verstrickungen namhafter, scheinbar objektiver Blattmacher wie etwa Zeit-Herausgeber Josef Joffe, der Mitglied in zahlreichen Lobby-Organisationen mit Nähe zur US-Politik sei. Die Zeit erscheine deshalb nur einmal pro Woche, weil Joffe wegen seiner zahlreichen anderen Aktivitäten nicht mehr zum Schreiben käme. Ihren Kommentar "die recherchieren da nicht, die sind da Mitglieder, Beiräte, Vorstände" illustrierten die Satiriker mit einem Schaubild, das in Nahaufnahme allerdings nur einen sehr kurzen Moment zu sehen und damit zur Gänze kaum aufzunehmen war.
Joffe ./. ZDF
Die Graphik symbolisierte entsprechende Lobby-Organisationen, von denen acht mit jeweils einer Linie mit einem Foto von Joffe verbunden waren – ein bildlich darstellte Netzwerk. Joffe bestritt bzw. relativierte einige dieser Mitgliedschaften und erwirkte schließlich in zweiter Instanz eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen das ZDF wegen der Darstellung der Mitgliedschaft in acht Lobby-Organisationen.
Das Landgericht (LG) Hamburg hob das Verbot auf und wies die Klage ab. Zwar seien nur sieben der acht Linien zu Organisationen etc. nachvollziehbar, jedoch sei zu berücksichtigen, dass Joffe auch in anderen vergleichbaren Organisationen Mitglied sei, die nicht genannt seien, so dass die Grundaussage eines dichten Netzwerkes zutreffe.
Die persönlichkeitsrechtliche Relevanz für einen Unterlassungsanspruch werde nicht erreicht, da die geringe Abweichung den sozialen Geltungsanspruch nur unwesentlich mindere bzw. dies für den TV-Zuschauer kaum wahrnehmbar sei. Zudem sei der Charakter als Satire-Sendungen zu berücksichtigen, der Polemik zulasse.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg verbot die Satire jedoch wieder. Anders als das Landgericht erkannte der Senat nur sechs Linien zu Lobby-Organisationen an, da die Mitgliedschaft Joffes im deutsch-amerikanischen Eliten-Netzwerk Atlantikbrücke e.V. 2008 beendet worden sei. Die verfälschende Darstellung weiche von der Wahrheit nicht nur so geringfügig ab, dass sie nicht geeignet wäre, den sozialen Geltungsanspruch des Klägers zu beeinträchtigen. Auch der Umstand, dass die Behauptung im Rahmen einer Satiresendung aufgestellt wird, rechtfertigte insoweit keine andere Sichtweise. Dass die auf dem Schaubild gezeichneten Linien entgegen den Erklärungen der Darsteller nicht die Anzahl der Verbindungen wiedergeben solle, werde für den Zuschauer nicht erkennbar.
Bittner ./. ZDF
Ähnlich lief es für Joffes Kollegen Jochen Bittner. Der Journalist der Zeit ließ durch das Landgericht Hamburg die Behauptung untersagen, er sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von drei Organisationen auf jener Schautafel gewesen.
Am OLG Hamburg wurde dann dem ZDF außerdem die Behauptung verboten, Bittner habe eine Rede für Gauck geschrieben, über die er dann positiv berichtet habe. Tatsächlich geschrieben hatte die Rede der Direktor des German Marshall Fund of the United States Thomas Kleine-Brockhoff. Mit diesem hatte Bittner zuvor allerdings sehr wohl an einem "offenen Ideenpapier" mitgewirkt – diesen Interessenkonflikt legte die Zeit erst nachträglich offen.
Markus Kompa, Satirische Äußerungen: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21725 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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