Versicherungskunden müssen von ihrer Versicherung über unwirksame Klauseln in ihren Verträgen informiert werden. Die Entscheidung zugunsten einer Verbraucherzentrale könnte auch für andere Branchen Folgen haben.
Versicherungsunternehmen müssen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ihre Kunden künftig über unwirksame Klauseln informieren, die ihr Versicherungsvertrag enthält (Urt. v. Urteil v. 14.12.2017, Az. I ZR 184/15). Erstritten hatte das Urteil die Verbraucherzentrale Hamburg (VZ HH), die zunächst auf Grundlage des Unterlassungsklagengesetzes (UKlG) gegen intransparente Klauseln der Allianz Lebensversicherungs-AG vorgegangen war.
Nachdem sie mit ihrer Klage gegen die Klauseln bereits in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen waren, verlangten die Verbraucherschützer vom Versicherer gleichzeitig auch eine entsprechende Information an die betroffenen Kunden. Nicht zuletzt, damit diese gegebenenfalls Rückforderungsansprüche geltend machen können, stehe ihnen ein entsprechender Folgenbeseitigungsanspruch zu. Einen solchen enthalte etwa das Wettbewerbsrecht (§ 8 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb, UWG).
Verbraucherschützer: Urteil legt Grundstein auch für andere Branchen
Während das OLG Stuttgart als Berufungsinstanz den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts für die VZ HH quasi als gesperrt ansah, entschied der BGH nun zugunsten der Verbraucherschützer. Das UKlG eröffne keine Sperrwirkung im Hinblick auf die Anwendbarkeit des UWG. Das Berufungsgericht habe insoweit "fehlerhaft" einen spezialgesetzlichen Vorrang des UKlG angenommen, urteilte der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat. Tatsächlich gehe der Gesetzgeber vielmehr "von einem gleichwertigen Nebeneinander der Anspruchssysteme des UKlG und UWG aus". Das UKlG stelle kein "in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem" dar, so das Gericht.
Im Ergebnis müsse der Versicherer, so der Senat, deshalb seine Kunden aktiv informieren, wenn er in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) eine unwirksame Klausel verwendet habe. Dies ergebe sich aus dem Folgenbeseitigungsanspruch nach § 8 UWG.
Die Verbraucherschützer in Hamburg jubeln über die Entscheidung. "Mit dem Urteil haben wir erstmals vor dem BGH den Folgenbeseitigungsanspruch bei Versicherungsverträgen durchgesetzt und damit auch einen Grundstein für andere Branchen gelegt", heißt es in einer Mitteilung der VZ.
Die Karlsruher Richter hätten in ihrer Entscheidung klargestellt, "dass Verbraucherschutzverbänden wie den Verbraucherzentralen hinsichtlich aller verbraucherschützenden Vorschriften gleichermaßen ein Folgenbeseitigungsanspruch zustehen kann und sie entsprechende Informations- und Aufklärungsschreiben von Unternehmen einfordern dürfen". Die vom BGH getroffenen Wertungen würden auch für "andere Konsummärkte" gelten.
Im Gespräch mit LTO verweist der Vorstand der VZ HH, Michael Knobloch, insbesondere auf Folgen für den Energie- und Telekommunikationsmarkt. "Wenn Strom- oder Telefonkunden künftig aufgrund fehlerhafter Klauseln zu viel bezahlen, müssen sie jetzt darüber besser informiert werden", so Knobloch zu LTO.
Versicherer Allianz: Kunden ausreichend informiert
Allerdings hat die VZ HH in dem entschiedenen Fall gegen die Allianz auch nicht alle ihre Wünsche in Karlsruhe durchsetzen können. "Eigentlich hätten wir uns auch eine Mitsprache bezüglich der konkreten Anforderungen des Informationsschreibens an die Kunden erhofft", so Knobloch. Dies habe der BGH jedoch abgelehnt.
Die Allianz hatte in dem Fall die Versicherten bereits vor der Karlsruher Entscheidung über die unwirksamen Klauseln informiert. Die Klauseln belasteten Lebensversicherungskunden mit Abschluss- und Vertriebskosten. "Den Kunden wurde ausdrücklich bestätigt, dass die Vorgaben der Rechtsprechung beachtet und daher keine Abschluss- und Vertriebskosten berücksichtigt werden", bekräftigte Allianz-Sprecher Udo Rössler gegenüber LTO. Die Schreiben seien auch "im Sinne des Folgenbeseitigungsanspruchs ausreichend" gewesen.
Ob das zutrifft und ob die Informationsschreiben der Allianz tatsächlich den Anforderungen des Karlsruher Urteils – etwa im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - genügen, wird demnächst das OLG Stuttgart zu prüfen haben. Der BGH hat das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Hasso Suliak, BGH bejaht Folgenbeseitigungsanspruch: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27213 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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