BaumgartenBrandt unter Beschuss: Immer auf die Abmahn-Anwälte

von Pia Lorenz und Anne-Christine Herr

28.02.2015

2/2: Zumindest Anscheinsvollmacht

Als am 1. August 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erlosch das Mandatsverhältnis der insolventen Gesellschaft zu ihren Anwälten, §§ 115, 116 Insolvenzordnung (InsO). BaumgartenBrandt Rechtsanwälte waren ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dazu befugt, irgendwelche Handlungen im Namen der Lichtblick Films GmbH vorzunehmen, denn mit dem Mandatsverhältnis erlosch auch ihre Vollmacht, § 117 InsO.

Anders hätte es sich natürlich verhalten, wenn der Insolvenzverwalter sie, wie von ihnen behauptet und vom Insolvenzverwalter Raff ignoriert bis bestritten, mit der Fortsetzung der laufenden Verfahren beauftragt hätte. Der Anwalt braucht einen neuen Vertrag, um laufende Klagen weiter zu betreiben – und zwar einen mit dem Insolvenzverwalter.

Jedenfalls können die Berliner Anwälte sich aber seiner Meinung nach, sofern Norbert Grimmeißen sich ihnen gegenüber tatsächlich als bevollmächtigt ausgegeben haben sollte, auf die Grundsätze der Anscheinsvollmacht berufen: Wenn man nicht massive Verdachtsmomente dafür hat, dass der sich als beauftragt ausgebende Bevollmächtigte im Innenverhältnis keine entspreche Vollmacht hat, muss man das auch nicht nachprüfen, so der BGH.

Vorsorglich berufen BaumgartenBrandt sich zudem vorsorglich darauf,  dass sie die Verfahren jedenfalls im Rahmen ihrer "Notgeschäftsführung gem. §§ 116 S. 1, 115 Abs. 2, 117 Abs. 2 InsO" insoweit hätten weiter betreiben dürfen, als sie Schaden von der Masse abwenden sollten. Vor allem Prozesshandlungen hätten sie vorgenommen, um ggf. die Verjährung weiter zu hemmen – in Anbetracht des damals vor der Tür stehenden Jahresendes ist das nicht ganz unplausibel. Der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend, das regelt § 115 Abs. 2 InsO. Insolvenzverwalter Raff scheint das wenig zu interessieren. Er sieht "für eine solche Argumentation keinerlei Ansatz".

Urteile: wirksam, aber anfechtbar

Unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Mandatsverhältnisses war die GmbH war seit August nicht mehr prozessführungsbefugt. Die Entscheidung, ob rechtshängige Klageverfahren, welche die Insolvenzmasse betreffen, weiter geführt werden oder nicht, obliegt nämlich dem Insolvenzverwalter.

Bis dieser eine endgültige Entscheidung getroffen hat, wird ein Prozess nach § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei automatisch unterbrochen. Sämtliche Prozesshandlungen der Parteien seit dem 1. August waren schlicht wirkungslos. Erst der Insolvenzverwalter wird nun entscheiden, wie es weiter geht. Bereits ergangene Entscheidungen, sind nach der Rechtsprechung des BGH wirksam, aber jede Partei des unterbrochenen Rechtsstreits könne sie anfechten, vor allem aber der Insolvenzverwalter.

Auch die angeblichen Urheberrechtverletzter könnten das versuchen, wenn sie verloren haben. Haben sie gewonnen, können sie ihre Kosten nur zur Insolvenzmasse anmelden, beklagt Karsten Gulden. Das allerdings liegt in der Natur des Insolvenzverfahrens.

Die meisten Verfahren sind längst unterbrochen

Eigentlich ging, wenn man BaumbartenBrandt glaubt, alles seinen recht normalen Gang. Die Wirkung des § 240 ZPO tritt nämlich unabhängig davon ein, wann Gericht oder Parteien davon wussten, dass es ein Insolvenzverfahren gibt. Laut Kanzleipartner Philipp Brandt haben er und seine Kollegen versucht, in jedem laufenden Verfahren direkt nach Kenntnis von der Insolvenz im November Bescheid zu geben. Mit Ausnahme einiger weniger haben die Amtsgerichte die Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen. In diesen Fällen haben er und seine Kollegen nichts mehr unternommen.

Einige Gerichte hätten den Hinweis erteilt, dass sie nicht davon ausgingen, dass die Vorschrift einschlägig sei. Vielmehr hielten sie die Klagen schon für unzulässig, weil das Insolvenzverfahren vor Rechtshängigkeit eröffnet worden sei, so Brandt. Hintergrund ist, dass die Berliner Anwälte die Klagen nie erstmalig bei den Gerichten eingereicht, sondern immer nur Ansprüche begründet haben, die zuvor bereits durch Mahnbescheid anhängig waren.  

Dass er diese Verfahren trotz eigener Zweifel an dieser Rechtsauffassung der Gerichte überhaupt fortgesetzt hat, verteidigt Urheberrechtler Brandt: Wenn der Prozess, mit dessen Wahrnehmung er weiterhin vom Insolvenzverwalter beauftragt gewesen sei, weiter laufe, sei er verpflichtet, Schaden von der Insolvenzmasse abzuwenden, also die alle sechs Monate drohende Verjährung weiterhin durch prozessuale Schritte zu hemmen und keine teuren Versäumnisurteile zu kassieren.

Überbewertet: die Sach- und Rechtslage

Wer hat nun was wann nicht gesagt, wer wen wann womit beauftragt, wer einen Fehler gemacht? Mindestens einer sagt in der Angelegenheit rund um die Insolvenz der Lichtblick GmbH nicht die Wahrheit. Die Schlüsselfiguren, die ehemaligen und aktuellen, haben offenbar weder mit ihren Anwälten noch mit dem Insolvenzverwalter kooperiert.

Am Ende bleibt eine öffentlich diskreditierte Kanzlei - von deren anwaltlichen Aktivitäten man halten mag, was man möchte. Mit Gulden hat ein Anwalt, der häufig Abgemahnte vertritt, ein Medium für sich instrumentalisiert, das offenbar nur allzu gern eine Kanzlei als betrügerisch darstellen wollte, die vielfach Urheberrechtsverletzer oder solche verfolgt, die sie dafür hält. Gelegenheit zur Stellungnahme hat die Kanzlei nicht erhalten, bevor sie an den Pranger gestellt wurde.  Ohne Rückfrage war das Magazin bereit, einem Insolvenzverwalter zu glauben, der es womöglich schlicht selbst versäumt hat, sich in hunderte von Klagen rechtzeitig einzubringen.

Dabei hätte schon die Eingabe in eine Internet-Suchmaschine ergeben, dass die Schuldnerin als Auftraggeberin von massenhaften Abmahnungen bekannt war. Ihre Anwälte, die das jahrelang für sie umsetzten, als Betrüger darzustellen, ist schon fast eine Garantie für die jubelnde Zustimmung der Netzgemeinde. Wen interessiert da die Sach- oder gar die Rechtslage?

Zitiervorschlag

Pia Lorenz und Anne-Christine Herr, BaumgartenBrandt unter Beschuss: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14812 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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