Streikaufruf auf Betriebsgelände, späte Verwertung von Videoaufnahmen und Entschädigung von der Kirche: Das BAG hatte gut zu tun im Jahr 2018. Die arbeitsrechtlichen Knüller lagen indes beim EuGH und dem BVerfG.
1 Videoüberwachung
Arbeitgeber wissen gerne, was ihre Mitarbeiter so treiben. Bei wiederholten Missständen mag diese Wissbegier sogar nachvollziehbar sein. Doch wie weit darf der Arbeitgeber gehen? Geschäftsräume mit Publikumsverkehr jedenfalls dürfen videoüberwacht werden, auch wenn dabei zwangsläufig Kunden und Mitarbeiter gefilmt werden. Voraussetzung war, dass der verwirklichte Eingriff in das Persönlichkeitsrecht verhältnismäßig war und dass die Daten unverzüglich gelöscht werden. Die Folge von Verstößen indes war lange umstritten.
Das BAG entschied nun: Aufnahmen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung werden nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig. Solange die Pflichtverletzung arbeitsrechtlich geahndet werden kann, unterliegen die Aufnahmen keinem Beweisverwertungsverbot (BAG, Urt. v. 23.08.2018, Az.: 2 AZR 133/18). In dem entschiedenen Fall hielt das BAG die Auswertung ein halbes Jahr nach den aufgezeichneten Diebstählen noch für angemessen.
2 Streikaufruf
Sobald es um Streik geht, werden die Begriffe im Arbeitsrecht martialisch: Arbeitskampf, Streikmobilisierung, Kampfparität. Zumindest muss der Arbeitgeber dabei die Waffe nicht gegen sich selbst richten, sprich: Er muss Steißmaßnahmen nicht auf seinem eigenen Betriebsgelände dulden. So die bisherige Rechtsprechung.
Und dann kam das BAG: Wenn das Betriebsgelände so weit außerhalb gelegen ist, dass die Mitarbeiter mit dem Auto anreisen, muss der Arbeitgeber eine kurzzeitige, "situative" Beeinträchtigung auf Arbeitgeberseite dulden, entschied das BAG (Urt. v. 20.11.2018, Az. 1 AZR 189/17). Das Erfurter Gericht wies allerdings darauf hin, dass es sich hier die "konkreten örtlichen Gegebenheiten" angeschaut hat. Diese ließen in diesem Fall andere Mobilisierungsmöglichkeiten faktisch nicht zu. Das sei aber eine Einzelfallentscheidung.
3 Frau Egenberger und die Kirche
Die Kirchen hatten in Deutschland stets einen arbeitsrechtlichen Sonderstatus. Der ist sogar in der Verfassung verankert: Über Art. 140 Grundgesetz gilt die Weimarer Reichsverfassung, und danach dürfen die Kirchen hierzulande ihre inneren Angelegenheiten alleine regeln. Als Arbeitgeber hat die Kirche ihre Stellen weitgehend an die Religionszugehörigkeit geknüpft.
Schon der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte dieser weiten Praxis eine Ende gesetzt (Urt. v. 17.04.2018, Az. C-414/16). Die Frage, ob für eine Stelle die Kirchenzugehörigkeit eine notwendige und gerechtfertigte Anforderung sei, müsse einer wirksamen Kontrolle durch staatliche Gerichte unterliegen. Zumindest die Überprüfung, ob ihre Entscheidung "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" ist, müsse die Kirche sich gefallen lassen. Das BAG konnte damit nicht mehr anders, als der Bewerberin eine Entschädigung wegen Diskriminierung zuzusprechen (Urt. v. 25.10.2018, Az.: 8 AZR 501/14).
4 Verzugspauschale
Klingt fies – ist aber halb so schlimm und vor allem wichtig. Das BAG hat endlich den so lange existierenden Streit um die Verzugspauschale entschieden (Urt. v. 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18). Doch worum geht es? Nun, nach § 288 Bürgerliches Gesetzbuch gibt es bei Zahlungsverzog für den Gläubiger neben den Zinsen eine zusätzliche Pauschale in Höhe von 40 Euro. Explizit ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse von dieser Regelung nicht. Was also, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht fristgerecht zahlt?
Gibt nichts, sagten die Richter in Erfurt. Nach § 12a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) sei die Erstattung von Kosten ausgeschlossen. Das beträfe die prozessualen (Anwaltskosten) und die materiell-rechtlichen Ansprüche – und damit auch die Verzugspauschale. Streit beendet.
5 Befristung bei Lizenzspielern
Beim Fußball darf, ja muss man sich aufregen – selbst arbeitsrechtlich betrachtet. Und das auch, wenn es um den FSV Mainz 05 geht. Auch in dem Bundesliga Verein sind Befristungen für die Spieler vollkommen normal – nur der ehemalige Torwart Heinz Müller, der meinte, über fünf Jahre seien Befristungen rechtswidrig, es fehle an einem sachlichen Grund.
Nein, entschied das BAG und bewies großes Verständnis für den Profifußball. Im kommerzialisierten und öffentlichkeitsgeprägten Spitzenfußballsport würden von einem Lizenzspieler im Zusammenspiel mit der Mannschaft sportliche Höchstleistungen erwartet und geschuldet, die dieser nur für eine begrenzte Zeit erbringen kann, argumentierten die Richter (BAG, Urt. v. 16.01.2018, Az. 7 AZR 312/16). Für die Ausnahme von dem Grundsatz, dass Befristungen nur für maximal zwei Jahre zulässig sind, bestünden hinreichende sachliche Gründe.
6 Ausschlussfristen und Mindestlohn
Das BAG hat im September klargestellt, dass Ausschlussfristen, in denen der Mindestlohn nicht ausgenommen ist, unwirksam sind. Klingt kompliziert? Ist es gar nicht: Das Mindestlohngesetz (MiLoG) sagt in § 3: Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Werde der Mindestlohn nicht ausgenommen, sei dies ein Verstoß gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach kann eine unangemessene Benachteiligung und damit die Unwirksamkeit der Klausel auch darin liegen, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
In einer Verfallklausel im Arbeitsvertrag muss daher der Mindestlohn ausgenommen werden, sonst ist die gesamte Verfallsklausel unwirksam – so entschied es das BAG und beendete damit Jahre der Unsicherheit (Urt. v. 18.09.2018, Az. 9 AZR 162/18). Ausgenommen sind lediglich ältere Arbeitsverträge, die vor dem 31. Dezember 2014 – und damit auch vor Anwendbarkeit des MiLoG - abgeschlossen wurden. Die Urteilsgründe liegen inzwischen vor.
7 Prämierte Streikbrecher
Die Kenner des Streikrechts haben sich das längst gedacht und kannten auch die frühere arbeitsrechtliche Rechtsprechung. Nun wurde ihre Auffassung vom BAG bestätigt: Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern eine Prämie zahlen, wenn diese sich nicht an einem Streik im Unternehmen beteiligten (Urt. v. 14.08.2018, Az. 1 AZR 287/17).
Darin liege zwar eine Ungleichbehandlung von streikenden und nicht streikenden Mitarbeitern. Doch die sei gerechtfertigt, entschieden die Erfurter Richter. Die "Kampfmittelfreiheit" im Arbeitskampf gelte schließlich für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.
8 Für das Arbeitsrecht aber nicht vergessen in 2018: BVerfG und EuGH
Und weil wir hier über das Arbeitsrecht reden: Nicht vergessen bitte die Entscheidung des BVerfG zur sachgrundlosen Befristung (BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14), die sollte man auf jeden Fall auch kennen, wenn man sich mit dem Arbeitsrecht beschäftigt.
Und natürlich den doppelten Urlaubsschlag des EuGH: Die Entscheidung zur Vererbbarkeit des Urlaubsanspruchs (Urt. v. 6.11.2018, Az. C-569/16 und C-570/16) und zur Vergütung des Urlaubs auch ohne Urlaubsantrag (Urt. v. 06.11.2018, Az. C-619/16 und C-684/16).
Sollte man kennen: 7 wichtige Urteile des BAG aus 2018 . In: Legal Tribune Online, 14.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32737/ (abgerufen am: 30.06.2024 )
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