Am Mittwoch entschied das BAG, dass Zeitarbeitnehmer, deren Arbeitgeber Tarifverträge mit der tarifunfähigen CGZP geschlossen hatten, einen Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit haben. Allerdings müssen sie ihre Ansprüche innerhalb bestimmter Fristen geltend machen. Eine Klagewelle wird daher nicht drohen, meint Alexander Bissels. Allerdings könnte das Erfurter Urteil auch auf andere Fälle übertragbar sein.
Eine Brandenburgerin wollte es wissen. Bis in die letzte Instanz klagte sie auf ein Entgelt, das dem eines vergleichbaren Mitarbeiters der Stammbelegschaft entspricht. Der Rechtsstreit der Montagearbeiterin wurde am Mittwoch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu einem der Präzedenzfälle für Tausende Zeitarbeinehmer, deren Arbeitgeber Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA (CGZP) Tarifverträge geschlossen hatten.
Die CGZP war seit ihrer Gründung im Jahr 2002 nicht tariffähig. Dies hatte das BAG im Mai 2012 endgültig entschieden. Die arbeitsrechtlichen Untiefen aus dieser Feststellung zeigten sich bereits in den zahlreichen divergierenden Urteilen der Arbeitsgerichte, die über equal pay-Ansprüche von Zeitarbeitern gegen ihre Arbeitgeber zu entscheiden hatten. Erfurt hat nun insoweit für Rechtsklarheit gesorgt.
Leitlinien zum equal pay
Nach fünf Verhandlungsterminen stellte der 5. Senat einige Leitlinien auf (Az. 5 AZR 954/11, 5 AZR 146/12, 5 AZR 242/12, 5 AZR 294/12 und 5 AZR 424/12).
Zeitarbeitnehmer, in deren Verträgen auf die von der CGZP abgeschlossenen, unwirksamen Tarifverträge Bezug genommen wird, haben einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer Stammmitarbeiter des Entleihers erhalten hat (equal pay).
Das Vertrauen eines Personaldienstleisters in die Tariffähigkeit der CGZP und damit auch in die Wirksamkeit der von der Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge ist nach Ansicht des BAG nicht geschützt.
Ein Verweis auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister, der CGZP und weiterer christlicher Gewerkschaften – wie es in neueren Arbeitsverträgen üblich war – ist intransparent und damit unwirksam, wenn nicht klar ist, welches der tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Bestimmungen den Vorrang haben soll.
Zeitarbeitnehmer scheitern an Ausschlussfristen und Verjährung
Der Anspruch der Zeitarbeiter auf equal pay wird zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung zu leisten gewesen ist. Dabei gelten allerdings die vereinbarten Ausschlussfristen, die mit der Fälligkeit des Anspruch anlaufen. Drei Monate dürfen diese Fristen zwar nicht unterschreiten, es genügt auch den Anspruch dem Grunde nach geltend zu machen, dennoch wird dies für viele Zeitarbeitnehmer bedeuten, dass sie mit ihren Klagen scheitern werden. Zumal auch noch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren hinzukommt, die nicht dadurch gehemmt wird, dass der Zeitarbeitnehmer sich mit Blick auf die Tariffähigkeit der CGZP geirrt haben will.
Das war auch der Grund, warum die Klage der Frau aus Brandenburg Zahlung der Lohndifferenz von 16 285,05 zur Stammbelegschaft letztlich abgewiesen wurde. Nach ihrem Arbeitsvertrag mit dem Personaldienstleister musste sie Lohnansprüche spätestens nach drei Monaten geltend machen. Diese Frist hatte sie für die equal pay-Ansprüche nicht eingehalten.
Eine Klagewelle droht nicht
Mit den Urteilen vom 13.03.2013 bestätigt Erfurt, dass die CGZP – wie von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsseite stets vertreten – keine wirksamen Tarifverträge abschließen konnte und auch kein Vertrauensschutz besteht. Ein Zeitarbeitnehmer kann also grundsätzlich equal pay verlangen. Eine Klagewelle, wie in der Vergangenheit bereits beschworenen und angekündigt, droht dennoch nicht. Die Nachzahlung durchzusetzen, ist kein Selbstläufer. Den equal pay-Ansprüchen können arbeitsvertragliche Ausschlussfristen oder die Einrede der Verjährung entgegenstehen. Ist ein Zeitarbeitnehmer bislang untätig geblieben, um etwa eine höchstrichterliche Klärung der entscheidenden Fragen abzuwarten, wird er am Ende wahrscheinlich leer ausgehen.
Personaldienstleister können sich trotzdem nicht in absoluter Sicherheit wiegen, selbst wenn sie im Arbeitsvertrag Ausschlussfristen von mindestens drei Monaten vereinbart haben. Das BAG hat nämlich nur entschieden, dass Verfallfristen einen equal pay-Anspruch ausschließen können, aber nicht müssen. Die Ausschlussfrist muss auch wirksam vereinbart sein, das heißt vor allem, dass sie transparent in den gesamten vertraglichen Kontext eingebettet sein muss. Ob dies der Fall ist, hängt von der konkreten Formulierung in den Vertragsmustern ab. Weiterer Streit dürfte insoweit vorprogrammiert sein.
Interessant ist zudem, dass das BAG einen Verweis auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag grundsätzlich nicht anerkennt. Da auch der Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen und der Interessenverband Zeitarbeit mit der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit mehrgliedrige Tarifverträge abgeschlossen hat, auf die die Arbeitsverträge in der Regel umfänglich verwiesen haben, dürfte die Argumentation der Erfurter Richter übertragbar sein. Das könnte zur Folge haben, dass mancher Zeitarbeitnehmer equal pay-Ansprüche gegen einen Personaldienstleister mit bislang vermeintlich sicheren Tarifverträge geltend macht.
Der Autor Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät deutsche und multinationale Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt dabei im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung.
Mit Material von dpa.
BAG zu Nachzahlungen an Zeitarbeitnehmer: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8326 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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