Im Angebot des Arbeitgebers, gegen Geldzahlung eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahrs zu vereinbaren, liegt keine Altersdiskriminierung. Dagmar Husmann kommentiert zum aktuellen BAG-Urteil.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner am Donnerstag verkündeten Entscheidung bestätigt, dass ein vertraglich vereinbartes Ende des Arbeitsverhältnisses zum 60. Lebensjahr kein Fall von Altersdiskriminierung ist (Urt. v. 17.03.2016, Az. 8 AZR 677/14). Der Kläger, bis zu seinem Ausscheiden leitende Führungskraft eines Unternehmens der Automobilindustrie, ist mit der Geltendmachung von Schadensersatz und einer Entschädigung nach §§ 15 Abs. 1, Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) endgültig vor dem BAG gescheitert.
Allein die Eröffnung der Möglichkeit für den Arbeitnehmer, eine vorzeitige Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Geldzahlung zu vereinbaren, stelle verglichen mit Personen, denen diese Möglichkeit nicht angeboten wird, keine Benachteiligung dar. Vielmehr habe der Kläger frei darüber entscheiden können, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wolle, so das BAG.
Schadensersatzklage nach Annahme des Angebots "60+"
Der am 21.10.1952 geborene Arbeitnehmer war seit August 1985 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs des Arbeitnehmers befristet. Die gesetzliche Regelaltersgrenze würde er mit 65 Jahren und sechs Monaten erreichen, also mit Ablauf des 30.04.2018.
Der inzwischen ausgeschiedene Arbeitnehmer war zuletzt als Verkaufsleiter tätig und gehörte damit zum Kreis der leitenden Führungskräfte. Sein Arbeitgeber führte 2003 das Konzept "60+" für leitende Führungskräfte ein, das eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 60. Lebensjahr gegen Geldzahlung ermöglichte. Solange das Konzept "60+" lief, bot die Arbeitgeberin allen leitenden Führungskräften die Teilnahme an, so auch dem Kläger der hier kommentierten Entscheidung im Juli 2003. Dieser nahm das Vertragsänderungsangebot am 20.12.2005 an. 2012 wurde das Konzept "60+" durch das Konzept "62+" abgelöst. Ab November 2012 bot das Unternehmen den leitenden Führungskräften, die 2012 das 57. Lebensjahr vollendeten, einen Änderungsvertrag gemäß dem Konzept "62+" an; der bereits ausgeschiedene Verkaufsleiter erhielt dieses Angebot nicht mehr.
Wie auf der Grundlage des Angebots "60+" vereinbart, schied er zum 31.10.2012 gegen Zahlung eines Betrags von 123.120,00 Euro aus. Er erhob keine Entfristungsklage. Am 28.12.2012 reichte der ehemalige Verkaufsleiter eine Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach §§ 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG ein. Darin begehrte dieser die Feststellung, dass sein ehemaliger Arbeitgeber ihm gem. § 15 Abs. 1 AGG den aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens vor dem 30.04.2018 entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen hat und verlangte die Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG.
Keine Benachteiligung im Nichtanbieten von Konzept "62+"
Wie die Vorinstanzen erkennt auch das BAG keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Für eine unmittelbare Benachteiligung gem. § 3 Abs. 1 AGG fehle es schon an einer weniger günstigen Behandlung, die der Mann im Vergleich zu einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation erfahren haben müsste.
Das Unternehmen habe dem Ex-Mitarbeiter die Teilnahme am Konzept "60+" ebenso wie allen anderen leitenden Führungskräften angeboten. Im Vergleich zu Mitarbeitern unterhalb der Ebene der Führungskräfte sei der Kläger nicht weniger günstig als diese behandelt worden. Vielmehr habe in der Option zur Teilnahme am Konzept "60+" ein zusätzliches Angebot an den Mann gelegen, über dessen Annahme er frei habe entscheiden können.
Ebenso sei keine Benachteiligung darin zu sehen, dass ihm die Teilnahme am Konzept "62+" nicht angeboten worden sei, denn er sei mit den leitenden Führungskräften, denen die Teilnahme am Konzept "62+" angeboten wurde, nicht vergleichbar. Das Unternehmen bot das Konzept "62+" erst ab November 2012 leitenden Führungskräften an – zu diesem Zeitpunkt war der ehemalige Verkaufsleiter jedoch bereits aufgrund der Befristungsabrede vom 20.12.2005 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
Die Argumentation des BAG ist hinsichtlich der Ablehnung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot wenig überraschend, da es ersichtlich an einer ungünstigeren Behandlung des Klägers verglichen mit anderen Arbeitnehmern in einer vergleichbaren Situation fehlt.
Vorerst offen: Bestandsschutz Vorrang vor Schadensersatz?
Inwieweit der Senat sich zu der Frage positioniert, ob die Rechtsfolge des § 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für die Voraussetzungen eines Ersatzes materieller Schäden wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots bei Befristungen gilt, blieb in der bisherigen Mitteilung des Gerichts offen. Bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe bleibt es in dieser Hinsicht spannend.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg vertrat in der Vorinstanz die jedenfalls Auffassung, die Geltendmachung des Bestandsschutzes habe Vorrang vor der Geltendmachung von materiellem Schadensersatz wegen einer Verletzung des Benachteiligungsverbots (Urt. v. 24.06.2014, Az. 15 Sa 46/13).
Die Autorin Dr. Dagmar Husmann ist im Berliner Büro der Fachanwaltskanzlei Kliemt & Vollstädt tätig. Ihre besonderen Schwerpunkte liegen im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht sowie im Arbeitnehmerdatenschutz.
BAG zu Beendigung eines Arbeitsverhältnisses: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18834 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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