Schwarz-rot-golden gekleidete Fans in flaggengeschmückten hupenden Autokonvois legen die Straßen nun regelmäßig lahm. Das Fußballfieber verlagert sich zunehmend auf die Fahrbahn. Aber wie viel der polizeilichen Toleranz ist goodwill? Und bei welchen Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zieht auch der freundlichste Ordnungshüter die rote Karte?
Vor dem Spiel gegen Argentinien hofft WM-Deutschland auf den Einzug ins Halbfinale – und damit auf spontan gebildete Autoschlangen, die in beiden Fahrtrichtungen aneinander vorbei paradieren, Endlosschleifen in Kreisverkehren drehen und hupend durch die Städte fahren.
Nach einem Sieg der deutschen Mannschaft gehören Autokorsos inzwischen zum typischen Erscheinungsbild auf öffentlichen Straßen. Nach Ansicht des ADAC sind sie grundsätzlich ungefährlich - und auch die Polizei drückt meist ein Auge zu.
Dass aber Exzesse auch hier böse Folgen haben können, zeigt ein Beispiel aus Mühlheim an der Ruhr: Nach dem Sieg der deutschen Mannschaft gegen England sind zwei Jugendliche bei einem Autokorso aus einem Cabrio gefallen und wurden schwer verletzt. In Mönchengladbach gab es nach einem Crash von vier Autos acht Verletzte, davon drei Kinder. In Bremerhaven wurden bei einem Autokorso zwei Personen verletzt - durch Schüsse. Vielleicht wurde ja einem genervten Nachbarn der Lärm zuviel.
Geltung der Verkehrsvorschriften
Bei aller Partystimmung sollte man also nicht vergessen, dass jede Teilnahme am Straßenverkehr Vorsicht und Rücksicht erfordert.
Auch gute Stimmung und ein Fußball-Sieg befreien nicht von den Verkehrsvorschriften. Diese dienen dem Schutz der bierseligen Fans genau so wie dem im Auto entgegenkommenden Fußball-Muffel.
Und auch wenn die Ordnungshüter über manch ein Bagatelldelikt hinwegsehen, gilt doch das Prinzip der Vorsicht und der Rücksichtnahme. Und auch im Autokorso gilt es, die (äußersten) Grenzen nicht zu überschreiten.
Demonstration? Versammlung? Kolonne - ist im Autokorso alles anders?
Ein Autokorso ist keine Demonstration und unterliegt nicht dem privilegierten Schutz des Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit). Das hat das VG Berlin am 23. Juni 2005 im Hinblick auf einen Trauerkorso für einen verstorbenen Hertha-Fan entschieden – es fehlt an der politischen Meinungsäußerung. Mangels Privilegierung bedürfen Autokorsos also der Erlaubnis für Veranstaltungen auf Straßen - wenn sie denn in organisierter Form stattfinden.
§ 29 Abs. 2 StVO sagt aus: "Veranstaltungen, für die die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straßen stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch." Ein spontan ablaufender Autokorso, der also nicht vorher unter den Teilnehmern verabredet wurde, ist aber nicht erlaubnispflichtig.
Auch eine Qualifizierung als Kolonne dürfte rechtlich schwierig werden. Man kennt das vielleicht noch aus seinen Bundeswehr-Zeiten: Fahrzeuge, die in der Kolonne fahren, gelten als "geschlossener Verband". Da alle Fahrzeuge im Verband gedanklich zu einem Verkehrsteilnehmer zusammengefasst sind, genügt es beispielsweise, wenn das erste Fahrzeug eine Ampel bei Grün passiert; der Rest darf dann auch bei roter Ampel folgen – was den Autokorso-Teilnehmern angesichts der faktischen Abläufe sicherlich sehr recht wäre.
Allerdings müsste dann jedes einzelne Fahrzeug als nach § 27 StVO "zum Verband gehörig" gekennzeichnet sein. Die einheitliche Kennzeichnung mag man wohl sogar bejahen, denn hierfür genügt ein gleicher Wimpel oder eine Fahne. Fehlen wird’s wohl aber an der ebenfalls erforderlichen Führung: Die Kolonne setzt eine Verbandsführer voraus.
Rauslehnen is’ nicht – und rausklettern schonmal gar nicht
In Kraftfahrzeugen dürfen nicht mehr Personen befördert werden, als mit Sicherheitsgurten ausgerüstete Sitzplätze vorhanden sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 StVO). Die Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein (§ 21a Abs. 1 Satz 1 StVO). Damit wird also ausgeschlossen, dass ein Pkw bis zum Platzen mit feiernden Fans aufgefüllt wird.
Auch aus dem Fenster lehnen ist nicht: Man darf sich nicht abschnallen. Und das aus gutem Grund. Sicherheitsgurte sollen gerade verhindern, dass der Körper bei einer Kollision durch das Fahrzeug oder aus diesem herausgeschleudert wird. Und selbst die Schutzfunktion eines Sicherheitsgurtes würde bei ca. 50 – 60 km/h enden. Also wenn schon rauslehnen, dann höchstens bei Schrittgeschwindigkeit.
Und äußerst mutig ist gar der, der auf der Motorhaube oder dem Dach mitfährt: Ausdrücklich geregelt ist hier nichts, aber wenn schon die Mitfahrt auf der Ladefläche oder in Laderäumen verboten ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 StVO), dürfte ein Erst-Recht-Schluss auf der Hand liegen.
Haftungsrechtlich kann es jedenfalls Konsequenzen haben, sich im Überschwang aus dem Fenster zu lehnen: Nach einem Urteil des OLG Karlsruhe vom 24.07.1998 muss der Fahrer eines Pkw rechts ranfahren und halten, wenn er sieht, dass sich ein Mitfahrer ("zu weit") aus dem Fenster lehnt. Fährt er mit 50- 60 Stundenkilometern weiter, trifft ihn bei einem Unfall die Mitschuld.
Alkohol, der Fahrer und die Besetzung von Fahrzeugen
Für den Fahrzeugführer gilt die 0,5-Promille-Grenze (§ 24a StVG). Insassen müssen zwar nicht nüchtern sein, der Fahrer muss aber dafür sorgen, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Besetzung, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs leiden (§ 23 StVO).
Unter der "Besetzung" sind die Fahrgäste zu verstehen - ob allerdings der Fahrer seine Kumpels ermahnen muss, nicht so laut zu brüllen, ist ungeklärt. Jedenfalls dürfen weder Spiegel schwarz-rot-gold verklebt sein noch die Windschutzscheibe bis auf ein Guckloch zugekleistert. Gesetzeskonform handelt aber, wer einen Aufkleber von weniger als 0,1 m² auf nicht mehr als ein Viertel der Scheibenfläche aufzieht.
Abhilfe gegen zuviel Alkohol mag ein Urteil des VG Stuttgart vom 25. Juni 2008 bieten: "Zur Vorbeugung gegen Gefahren durch alkoholisierte Fußballfans und durch Glasscherben kann Gaststätten während eines Autokorsos kurzzeitig der Verkauf von Getränken über die Straße untersagt werden." Auf die Umsetzung dieser sicherlich hilfreichen Möglichkeit haben die Fans allerdings weniger Einfluss.
Flagge zeigen nur in (Aus-) Maßen
Wer seine Fahnen nach hinten nicht mehr als drei Meter raus stehen lässt, hält die Ladungsvorschriften (§ 22 Abs. 4 StVO) ein - die Fahne braucht aber ab einem Meter ein eigenes hellrotes Fähnchen.
Nach vorn ist Überstand bei niedrigen (das heißt weniger als 2,5 Meter hohen) Pkw nicht zulässig. Verboten sind seitlich aus dem Auto ragende Stangen oder Pfähle, wenn sie schlecht erkennbar sind (§ 22 Abs. 5 Satz 2 StVO). Tagsüber wird man die Fahnen aber sehen. Bei Nacht müssten Flaggen, die mehr als 40 cm über das Fahrzeug hinaus stehen, beleuchtet werden (§ 22 Abs. 5 Satz 1 StVO).
Lange Fahnen links und rechts sind aber ein absolutes No-Go: Fahrzeug und Ladung dürfen eine Breite von 2,55 m nicht überschreiten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 StVO).
Das Hupkonzert, das Reifenquietschen und allgemein das Rumgefahre
Hupen aus reiner Freude sieht die StVO nicht vor. Schallzeichen darf nur geben, wer sich oder andere gefährdet sieht oder – außerhalb geschlossener Ortschaften – einen Überholvorgang ankündigen will (§ 16 StVO).
Das Verbot, mit Hilfe von Geräten (es leben die Vuvuzelas!) Schallzeichen zu geben und andere dadurch zu belästigen, findet sich in allen Landes-Immssionschutzgesetzen. Ebenso übrigens das Verbot, Motoren unnötig laufen zu lassen. Was hier "unnötig" ist, kommt wohl auf den jeweiligen Standpunkt an.
Das Straßenverkehrsrecht verbietet jedenfalls keine Gaudifahrten: Wer wann aus welchem Grund wo rumkurvt, ist der StVO prinzipiell egal.
Nicht nur auf dem Platz: Bei Rot ist Schluss mit lustig
Trotz fragwürdiger Magenverträglichkeit äußerst beliebt ist das Kreisen im Kreisverkehr, diesen also mehrmals zu umrunden. Das ist prinzipiell nicht verboten.
Irgendwann greift aber vielleicht das allgemeine Rücksichtnahmegebot: Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird (§ 1 Abs. 2 StVO).
Was aber keinesfalls erlaubt ist: Stoppschilder oder rote Ampeln zu überfahren. Hier wird selbst der verständnisvollste Ordnungshüter rot sehen und die rote Karte zücken. Also: Autokorsos in bestimmtem Umfang ja, aber alles mit Maß und Ziel.
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
Adolf Rebler, Autokorsos: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/884 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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