Hitzewelle: Schwitzen für Juristen

von Martin Rath

04.08.2013

Bei Temperaturen um die 30 Grad im Schatten wird es Zeit, sich mit dem Schweiß der Juristen zu beschäftigen: Dabei ist nicht einmal geklärt, ob Juristen überhaupt schwitzen oder Schweiß nur als Beweismittel und Streitgegenstand kennen. Jedenfalls wissen sie zwischen Schweiß-Arten zu differenzieren: Martin Rath über kalten Schweiß, edlen Schweiß und Achselschweiß.

Menschlicher Schweiß dient Juristen nicht allein als Beweismittel oder Streitgegenstand. Er verdient es, als Teil der – staatsrechtlich relevanten – Debatte um die deutsche Leitkultur aufgegriffen zu werden. Zuletzt finden sich sogar Hinweise, dass Juristen anders schwitzen als Normalsterbliche.

Zunächst ist jedoch der weniger relevante Schweiß aus der Betrachtung auszuscheiden. Für sich genommen hält die Rechtsprechung vor allem den sogenannten "kalten Schweiß" für wenig beachtlich. Der Bundesgerichtshof (BGH) tadelte beispielsweise mit Urteil vom 27. Januar 1966 (Az.  II ZR 5/64) die Würdigung von "kaltem Schweiß" durch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main.

Kalter Schweiß

Ein alkoholisierter Autofahrer hatte des Nachts einen Bauern von seinem Motorroller geholt und dabei schwer verletzt. Das Auto brachte er erst 33 Sekunden später zum Halten und schaltete dann das Licht aus. Daraus leitete die beklagte Versicherung eine Verschleierungsabsicht und den Verlust des Versicherungsschutzes her. Als fragwürdig wies der BGH die Auffassung des klagenden Unfallverursachers zurück, dass ein gutachterlich attestierter Verlust an Zurechnungsfähigkeit, verursacht durch einen Kreislaufschock, allein auf die Feststellung gestützt werden könne, "dem Kläger sei der kalte Schweiß ausgebrochen".

Vergleichbar geringe Beweiskraft hatte der kalte Schweiß im Urteil des Amtsgerichts Eggenfelden (v. 14.05.2001, Az. 1 C 156/01): Tritt ein Fluggast eine Reise nicht an und hat als Beleg für eine Erkrankung nicht mehr als einen kalten Schweißausbruch vorzuweisen, genügt dies nicht, seine Reiserücktrittsversicherung zur Zahlung zu bewegen. Neben den Schweiß setzt die juristische Literatur auf Symptome wie Herz- und Lungenversagen und Röcheln infolge fehlerhafter Schleimabsonderung.

In der Kriminalistik scheint Schweiß dagegen von großer Bedeutung zu sein. Das "Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung" (2006) führt dazu aus: "Schweiß besteht zu 97-99,5% aus Wasser. Darüber hinaus sind Stoffe wie Ammoniak, Kochsalz und Aminosäuren enthalten, jedoch kein molekulargenetisches Material", dokumentiert es doch, dass in ihm "durch Übertragungen … auch eigene und/oder von anderen Personen stammende körperzellartige Substanzen (z.B. Hautzellen, Speichel)" enthalten sein können.

Männerschweiß und deorollerrelevanter Achselschweiß

Ist der Schweiß also als Ursache von Fingerabdrücken, als Ansatz für DNA-Beweise sowie als Gegenstand von sogenannten "Wischtests", mit denen manchmal zweifelhaft der Drogenkontakt von Verkehrsteilnehmern und anderen Verdächtigen belegt wird, von rechtswissenschaftlichem Gewicht, nimmt sich die Transpiration als Streitgegenstand mitunter recht flüchtig aus.

Oder als nicht flüchtig genug. So behauptete ein deutscher Kfz-Hersteller in den späten 1960er-Jahren, seine Lenkrad-Griffe seien als Beitrag zur Verkehrssicherheit patentwürdig, weil sie mit einer Art Schaumstoff aus- beziehungsweise aufgeschäumt waren. Im Urteil des BGH (v. 14.01.1971, Az. X ZR 41/68) wird detailliert vorgerechnet, dass die behauptete Wirkung des Lenkradbezugs als "Miniatur-Blasebalg" nicht ausreiche, um bei einer "Größe der aktiven Handinnenfläche" von 45 Quadratzentimetern die "stündliche Schweißausscheidung daselbst: 225 mg (bei nur leichter Arbeitsbelastung)" hinfortzufecheln. Dem Lenkradbezug blieb mangels Schweißbekämpfungswert und mangels erhöhter Grifffestigkeit der Patentschutz verwehrt.

In die Herzen aller Freunde des Geschlechterkampfes sollte sich dagegen das Landgericht (LG) Hamburg mit Urteil vom 29. September 2000 (Az. 315 O 914/99) spielen, in dem es wesentliche Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Schweiß verneinte. Die folgende Reklame-Aussage eines Deoroller-Herstellers überstand den Prozess wettbewerbsrechtlich jedenfalls nicht: "Frauen schwitzen anders als Männer: der pH-Wert des weiblichen Schweißes ist höher als der des männlichen Schweißes."

Die Hamburger Richter monierten unter anderem, dass die entsprechenden Studien zum Männer- und zum Frauenschweiß teilweise steinalt waren – sie stammten aus den 1930er-Jahren – und zudem auf Oberarm-, nicht auf deorollerrelevantem Achselschweiß beruhten.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Hitzewelle: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9279 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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