2/2: "Reiseführer könnten gut und gerne doppelt so dick sein"
LTO: Wie gehen Sie bei der Recherche für Ihre Reiseführer vor?
Sternthal: Für Venedig, London und Paris habe ich jeweils insgesamt rund einen Monat in diesen Städten verbracht. Der Grund ist nicht allein die Recherche, sondern auch die von Ort zu Ort unterschiedliche Atmosphäre, die der "Musik" des Buches, wie ich denke, gut tut. In diese Städte reise ich intensiv vorbereitet und mit einem elastischen, aber im Prinzip mit dem Verlag vereinbarten Buchkonzept. Ich schreibe in den Städten nicht nur, sondern nehme mir Zeit, bestimmte, für das Buch relevante Stadtteile zu erkunden, zu erleben, zu erwandern. Meistens entdecke ich dann Neues, etwas, das ich noch nicht wusste, das es aber wert ist, es genauer zu betrachten. Von vielen Plätzen, Häusern und Gassen mache ich Schnappschüsse, die ich mit Notizen versehe. Sie bieten mir oft die Basis, um weiter zu recherchieren und Details herauszuarbeiten.
Interviews und Gespräche führe ich, wo sie mir notwendig erscheinen. Und manchmal, wenn sie sich ergeben. Zum Beispiel in London, wo ich sehr viel Zeit im wunderschönen Innenhof des Inner Temple verbrachte und mit einem Barrister auf Mittagspause ins Gespräch kam. Er hat mir ein paar Details zum englischen Rechtssystem auseinandergesetzt (und ein paar "ridiculous rules" der Inns of Court), die mir bis dahin unbekannt waren. Oder in Paris, wo in einem der schönen Hotels im Marais eine Ausstellung mit Notariatsakten aus fünf Jahrhunderten stattfand, wo im Ausstellungstitel mit Recht behauptet wurde, hier würden juristische Exponate gezeigt, die Geschichte schrieben (unter anderem war die Hochzeitsurkunde Napoleon Bonapartes mit Joséphine Beauharnais von 1796 zu sehen). Da versuche ich dann sehr spontan mit einem Ausstellungskurator zu sprechen und noch ein paar weitere und tiefergehende Informationen zu bekommen. Meistens ist man sehr freundlich zu mir und "füttert" mich mit so vielen Fakten, dass die Juristen-Reiseführer gut und gerne auch den doppelten Umfang bekommen könnten.
"Berlin wäre eine Herausforderung"
LTO: Welches Feedback haben Sie von der Zielgruppe Ihrer juristischen Reiseführer bislang bekommen?
Sternthal: Positives Feedback gab es mehrfach und hat mich stets sehr gefreut. Glücklich bin ich immer, wenn "mein" Verlag zufrieden ist, was im Vorjahr durch einen sehr schönen Preis, den man mir überreichte, ausgedrückt wurde.
LTO: Welchen Metropolen wollen Sie sich außerdem noch widmen?
Sternthal: Ach Gott, es gibt so viele interessante Orte! Rom beispielsweise. Berlin wäre eine großartige Aufgabe. Istanbul als Kreuzungspunkt unterschiedlichster Kulturen oder Athen, das ich sehr spannend fände. Zur Zeit bin ich im Cilento, also noch ein Stück südlich Neapels. Kein Thema für einen Juristen-Reiseführer, wohl aber eines für allerlei andere Bücher, die ich ja ebenfalls schreibe.
LTO: Frau Dr. Sternthal, wir danken für das Gespräch!
Dr. Barabara Sternthal ist Theaterwissenschaftlerin und Autorin der Reiseführer für Juristen für die Städte Venedig, London, Paris und Wien sowie zahlreicher weiterer Werke.
Der Wien-Führer für Juristen "Habsburg, Hofrat, Heuriger" erscheint im Oktober beim C.H. Beck Verlag.
Das Interview führte Constantin Körner.
Constantin Körner, Wien-Reiseführer für Juristen: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9738 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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