Zwei Anwältinnen haben ein Buch geschrieben. Das Werk "Paragraphen und Prosecco" der Cousinen ist allerdings selbst für das Genre "seichter Frauenroman" vorhersehbar.
Es gibt viele Juristen, die gut schreiben. Franz Kafka zum Beispiel. Johann Wolfgang von Goethe. Über E.T.A. Hoffmann lässt sich dann schon ebenso streiten wie über, na ja, zum Beispiel Bernhard Schlink. Doch alle diese Literaten hatten Ideen für ihre Geschichten, gute Ideen, die sie mit einer besonderen Gabe für Sprache umgesetzt haben – an dieser Einschätzung kann man nicht ernsthaft rütteln.
Dass es auch ohne geht, nur eben nicht besonders gut, beweisen die beiden Cousinen und Anwältinnen Janine Achilles und Katharina Mosel in "Paragrafen und Prosecco" (Untertitel: "Justitia und das wahre Leben").
Die Story an sich könnte funktionieren
Der Plot ist schnell erzählt: Karla ist 28 Jahre, beschrieben als nette, aber tollpatschige Volljuristin ohne Stil und – oh je! – ohne angemessene Garderobe für die Kanzlei- Weihnachtsfeier. Seit einigen Monaten arbeitet sie befristet in einer Kanzlei am Neuen Wall in Hamburg. Sie "hatte Jura studiert, weil sie den Menschen helfen wollte".
Auf der Weihnachtsfeier trifft sie Ida wieder. Die hat bereits vor ein paar Jahren ihr Examen gemacht, kurz als Anwältin gearbeitet und ist dann schwanger geworden. Ihr Sohn ist fünf Jahre alt – und Ida ist mit einem der Partner aus Karlas Kanzlei verheiratet. Als Anwaltsfrau und Mutter ist sie unzufrieden – dabei trägt sie doch Kostüme von Jil Sander und Marc Cain. Warum die beiden sich, obwohl so viele Jahre auseinander, seinerzeit im Studium so gut kennengelernt haben, bleibt das Geheimnis der Autorinnen.
Es spielt aber auch keine wirkliche Rolle: Ida ist eine totale Macherin und überzeugt Karla, ihre eigene Kanzlei zu gründen. Zufällig werden in dem Gebäude, in dem auch Idas Mann arbeitet, Büroräume frei. Und damit ist Karlas netter Ausbilder aus der Kanzlei gleich in der Nähe. Dass die beiden zusammen kommen, ahnt man allerdings bereits auf Seite 25 von 289.
2/2: Klischee und Vorurteil
Schon bis hierhin ist die Geschichte schwergängig erzählt. Dem Schreibstil fehlt jeder Witz und Esprit, die Versuche, amüsant zu schreiben, enden in Floskeln wie "ein paar Gehirnzellen arbeiten wohl doch schon". Die Darstellung der Situationen ist zu detailliert und mit nebensächlichen Erklärungen überfrachtet. Spaß am Lesen kommt nicht auf, man möchte Halbsätze streichen und Hilfe suchen bei Dora Heldt oder Kerstin Gier (beide keine Juristinnen), die es auch bei den seichtesten Romanen schaffen, einen Spannungsbogen zu erschaffen.
"Paragrafen und Prosecco" bleibt hingegen bei Klischees, greift jedes noch so abgedroschene Vorurteil auf und ist dabei weit weg von der Lebensrealität seiner mutmaßlichen Zielgruppe: Die Mandantenakquise gelingt auch den Berufseinsteigern über Vorträge, der Mandant – leicht schmieriger Geschäftsführer einer Reinigungsfirma - hat noch nie davon gehört, dass es keinen Anspruch auf Abfindungen gibt, seine Assistentin ist sexy, der Mann von Ida ist eifersüchtig und unzufrieden damit, dass seine Frau wieder arbeiten geht. Und der frühere Ausbilder von Karla hat nur darauf gewartet, dass die schlecht gekleidete Junganwältin seine Avancen annimmt.
Zeitgeist ist ein anderer
Die Autorinnen haben nach eigenen Angaben fünf Jahre an dem Buch gesessen, erschienen ist es 2016. Sie arbeiten seit 1992 bzw. 1999 als Rechtsanwältinnen in eigenen Kanzleien in Köln und Hamburg. Womöglich sind diese Eckdaten die Erklärung dafür, dass das Buch nicht funktioniert. Jedenfalls sind heute die Mütter, die sich nachmittags mit ihren fünfjährigen Kindern auf dem Spielplatz aufhalten, ohne berufstätig zu sein, äußerst rar gesät. Schief angeschaut werden eher diejenigen, die ihre Zweijährigen noch nicht in der Betreuung haben.
Im Buch aber sagt Ida: "Bei aller Liebe, diese Sitzungen am Spielplatz an den Nachmittagen mit anderen Müttern sind der reine Horror! Wenn man dort erwähnt, dass man wieder arbeiten möchte, wird man von den eigenen Geschlechtsgenossinnen als Verräterin angesehen." Das trifft einfach nicht mehr den Zeitgeist.
Tanja Podolski, Rezension: Geht nur mit Prosecco . In: Legal Tribune Online, 01.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21016/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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