3/3: "Erfolg" erinnert Juristen schmerzlich an ihre Entbindung
Der Begriff "Erfolg" hat in den Wünschen für ein neues Jahr, soweit an einen sprachsensiblen Juristen adressiert, nichts zu suchen, erinnert das Wort doch an einen schmerzhaften Prozess der Entbindung.
Damit ist nicht etwa die Entbindung mittels zweier "erfolgreicher" Staatsexamen gemeint. Denn ein "Jurist" ist hierzulande begriffsnotwendig "erfolgreich" aus seiner Alma Mater hervorgetreten, wobei Vater Staat tokologische Funktionen übernimmt.
Um zu wissen, was "Erfolg" ist, verbringen junge Menschen Semester auf Semester an einer juristischen Fakultät und müssen dabei nicht zwingend klüger werden. Ein großes "Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil" braucht beispielsweise sechs engbedruckte Seiten, um etwas Grundsätzliches zum "Erfolg" zu sagen. Definiert wird er aber trotz der sechs Seiten nicht. Hängen bleibt erst einmal fürs Leben, dass ein "Erfolg" das ist, was der Verdächtige einer Straftat entweder bewirkt oder beabsichtigt.
Mithin kommt es nur beim Kriminellen auf Erfolg oder Nichterfolg an. Der mit dem Erfolg befasste Jurist schätzt sich schon dann glücklich, wenn er die Akte vom Tisch oder die Kosten der notwendigen Verteidigung liquidiert bekommt. Es hat schon ein "Geschmäckle", dem Juristen selbst "Erfolg" zu wünschen.
Sprachsensible Strafrechtler jedenfalls könnten sich beleidigt sehen. Alle anderen Juristen fühlen sich nur an die bittere Zeit ihrer ersten Hochschulsemester erinnert. Eines Tages sprachen sie von "Erfolg" und alle anderen Menschen verstanden nicht mehr, dass sie damit böses Handeln meinten.
Man sollte niemandem ein "erfolgreiches" Jahr wünschen, wenn ihn dies schmerzen könnte.
"Wünschen", ist das nicht überhaupt ein Wahnsystem?
Schmerzhaft erinnert sich der Verfasser dieser Zeilen an ein erstes Jurasemester. Vorne turnte ein Professor die Begriffe des "StGB, Allgemeiner Teil" vor. Nicht, weil der "Prof." sich als Anthroposoph aufs Vortanzen von Wörtern verstanden hätte, sondern weil der Hörsaal so voll war, dass sich manch evangelischer Landpastor beim Anblick solcher Menschenmassen wie der Papst in Polen fühlen müsste.
Hinten, da saßen junge Fräuleins, gut frisiert mit Perlenkettchen, und unterhielten sich über die seinerzeit populären TV-Serien: "Buffy – im Bann der Dämonen" oder "Akte X".
Vor 300 Jahren lernten die Strafrichter von aufgeklärten Professoren, dass sie in ihrem Berufsalltag Zeit verschwendeten, wollten sie weiterhin nach Art von "Buffy" oder "Akte X" auf Verbrecherinnenjagd gehen. Rechtshistorischer Erfolg der professoralen Bemühungen war damals: Man beendete die Hexenverfolgungen. In die Lehrbücher zum "StGB, Allgemeiner Teil" fanden feinsinnige Unterscheidungen zwischen psychischen Wahnkonstrukten und "psychischer Kausalität" Einzug. Eine Frau, die fremde Menschen mit Schadenszauber belegt, wird hierzulande vermutlich nicht mehr wegen Köperverletzung oder Mord belangt. Männer vom Sirus sind hier die Ausnahme von der Regel.
Einem fremden oder vertrauten "Wunschnehmer" etwas zu wünschen, worauf der "Wunschgeber" im Sinn naturwissenschaftlicher Kausalität entweder keinen Einfluss hat ("Gesundheit? – Studier‘ Medizin!" – "Glück? – Schenk‘ mir ‚6 Richtige‘!") oder im Sinn sozialer Bestimmung nicht haben will ("Erfolg? – Ich bleibe legal!"), changiert deshalb zwischen Wahnkonstrukt und psychischer Kausalität.
Die Wünscherei hält man also nur durch, weil einem die Welt der schwatzhaften Perlenkettchenträgerinnen im Zweifel doch näher bleibt als die intellektuelle Hochakrobatik eines "Allgemeinen Teils".
In diesem Sinn: Schönes Neues!
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.
Martin Rath, Auslegungssache Neujahrsgruß: . In: Legal Tribune Online, 31.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7875 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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