Der Bundesjustizminister will Hate Crimes strenger bestrafen als Delikte, hinter denen keine rassistischen und menschenverachtende Motive stecken. Bei Martin Rath stößt er damit kaum auf Zustimmung. Das wird auch so bleiben, will er sich nicht mit blöden deutschen Rappern oder teutonischen Hip-Hoppern gemein machen, die nach US-amerikanischer "Gangsta"-Mode die Hosen tief unterm Hintern tragen.
Die Wortwahl der Professorin erinnert an die Schlange im Garten Eden: Es gebe für Politiker eine natürliche Versuchung, sich das äußerst mächtige Mittel des Strafrechtssystems zunutze zu machen, um eine energische Botschaft zugunsten von Rassen- und Geschlechtergleichstellung abzugeben. Die US-Strafrechtsprofessorin Aya Gruber bezieht sich in ihrem Aufsatz "Murder Minority Victims, And Mercy" zwar auf US-amerikanischen Zustände, wenn sie von dieser Versuchung spricht. Im Zusammenhang mit Versuchen, sogenannte Hate Crimes auch im deutschen Strafrecht zu etablieren, gibt sie aber interessante Hinweise, warum man das vielleicht lieber bleiben lassen sollte (University of Colorado Law Review 2014, Bd. 85, S. 129-188).
Von der Versuchung heimgesucht werden, wie Gruber zeigt, in den USA nicht nur Politiker, sondern auch Strafrechtswissenschaftlerinnen (m/w). Deren Arbeit ist durchaus nicht akurat: Rechtswissenschaftliche Studien, die belegen sollen, dass mit dem hergebrachten Strafrecht der Opferschutz von Frauen, Homosexuellen und Transgender nicht hinreichend gewährleistet werde, beruhten überwiegend auf reinen Fall-Erzählungen. Von schlimmen Fällen zu berichten, erzeuge zwar ein dramatisches "Narrativ", bewege sich aber kaum auf objektiviertem oder gar statistisch gestütztem Niveau.
Ängstliche US-Amerikaner
Hate-Crime-Gesetze, die im Fall einer rassistischen oder sexistischen Tätermotivation den Strafrahmen erheblich ausdehnen, sind in den USA bekanntlich bereits geltendes Recht. Gruber entwickelt ihre Kritik daher an einem Detail: Zur Debatte steht die "provocation defense", eine strafprozessuale Einwendung, die in diversen bundesstaatlichen Ausprägungen der Verteidigung dazu dient, bei Tötungsdelikten die Höchststrafe abzuwenden. Mit ihren – systematisch unterbelichteten – Fallstudien wollen feministische und in Minderheitenangelegenheiten involvierte Strafrechtswissenschaftlerinnen (w/m) eine "Herabwürdigung" von Tatopfern belegen, die entstehe, wenn gewisse Formen von "provozierendem" Opferverhalten in der Verteidigung des Täters rechtlich gewürdigt werde.
Die in einer von Angst geprägten Kriminalpolitik und von engagierten Wissenschaftlern beispielhaft erzählten Geschichten handeln regelmäßig von der angeblich untreuen Ehefrau, die ihrem kontroll- und eifersüchtigen Gatten zum Opfer fällt, oder vom pubertierenden Highschool-Schüler, den seine Football-Kameraden zu Tode foltern, weil sie Schwule hassen und ihn als solchen anfeinden.
Gruber findet, bei allem Bedauern über solche Fälle, dem man sich selbstredend kaum entziehen kann, Belege dafür, dass sie nicht zur Einschränkung der "provocation defense" taugen. Angeklagte, die in solch dramatischen Fällen versuchten, sich auf das Fremdgehen ihrer Gattin oder die Homosexualität ihres Mitschülers zu beziehen, durch die sie sich provoziert fühlten, hätten damit keinen Erfolg.
Schaffte die US-Rechtspolitik nun die "provocation defense" ab oder schränkte sie generell ein, träfe das folglich zwar alle erdenklichen Tätergruppen, nicht notwendigerweise aber die gewünschten Hate-Crime-Täter. Das Umwerben von verängstigen und/oder empörten Frauen- und Minderheitenvertretern ergibt in den USA immerhin unter dem Gesichtspunkt wahltaktischen Politikerverhaltens Sinn.
Martin Rath, Hate Crimes: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11798 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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