Tagung im Haus der Wannsee-Konferenz

Wie können NS- und SED-Unrecht Teil der Juris­ten­aus­bil­dung werden?

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Das neue DRiG sieht vor, dass Juristen sich in der Ausbildung mit NS-Unrecht und dem der SED-Diktatur auseinandersetzen. Wie das konkret aussehen soll, besprechen Experten auf einer Tagung im Haus der Wannsee-Konferenz.

Der im Jahr 2021 reformierte § 5a DRiG (Deutsches Richtergesetz) sieht vor, dass angehende Jurist:innen sich in der Ausbildung vertieft mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur auseinandersetzen. In § 5a DRiG heißt es, "die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur".

Wie das gesetzlich verankerte Vorhaben in der Praxis umgesetzt werden kann, wird am Montag und Dienstag auf einer Tagung im Haus der Wannsee-Konferenz diskutiert. Auf eine Einladung des Bundesministers der Justiz in Kooperation mit dem Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung Berlin werden mit den für die Juristenausbildung in den Ländern zuständigen Justizministerien Umsetzungsmöglichkeiten erörtert.

"Die nationalsozialistische Pervertierung des Rechts, die am 30. Januar vor 90 Jahren ihren Lauf nahm, zeigt: Wenn Juristinnen und Juristen jede beliebige politische Idee in Paragraphen gießen und sie vollstrecken, dann droht höchste Gefahr. Es gibt Güter, die nicht zur politischen Disposition stehen", sagt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann. Auch für schleichende Wege zum Unrecht müsse die juristische Ausbildung sensibilisieren, für die allmähliche Veränderung der Mentalität, die entstehende Strukturen des Unrechts trage. Wie ein solcher wacher und aufmerksamer Geist geschult werden könne, das erkunde die am Montag beginnende Tagung, so Buschmann.

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Ziel: Reflektion der eigenen Rechtsanwendung

Die Tagung beginnt nicht zufällig an diesem Montag. Sie findet auf den Tag genau 90 Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz statt, also dem Ort, an dem die "Endlösung der Judenfrage" beraten und im Einzelnen koordiniert wurde. Tag und Ort der Veranstaltung nehmen Bezug auf die verbrecherische Politik des Nationalsozialismus, die auch und geradein der Sprache und mit den Techniken des Rechts vorbereitet, vollzogen und gerechtfertigt wurde.

Beamte in Ministerien entwarfen die Rassegesetze; Zivilrichter trieben die Entrechtung von Jüdinnen und Juden voran, indem sie Vorschriften des Vertrags- und Familienrechts im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie auslegten; Richter an den Straf- und Sondergerichten instrumentalisierten das Strafrecht zum Kampf gegen politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes.

"Die kritische Reflektion der eigenen Rechtsanwendung und zu erkennen, wann Recht zu Unrecht wird, bleibt eine lebenslange Herausforderung in der Justiz. In der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht schärfen angehende Juristinnen und Juristen ihr Bewusstsein dafür", sagt Dr. Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen.

In Nordrhein-Westfalen sollen sich künftig auch Referendar:innen vertieft mit dem Thema befassen. Beispielsweise über die Dokumentations- und Forschungsstelle "Justiz und Nationalsozialismus" in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen, Gedenkstätten und Stiftungen.

ku/LTO-Redaktion

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Nationalsozialismus

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