36 Examensklausuren verloren gegangen
Das Schreiben, das 36 Examenskandidaten in Bremen in der vergangenen Woche erhielten, enthält kein Beamtendeutsch, sondern kommt ohne weitere Einleitung auf den Punkt. "Leider muss das Justizprüfungsamt Sie darüber informieren, dass nach derzeitigem Kenntnisstand Ihre Bearbeitung der Klausur ZR III vom 20.02.2017 (sowie diejenigen von 35 weiteren Teilnehmern) auf dem Postweg von der Universität Bremen zum Erstkorrektor verloren gegangen ist". Es passiert selten, aber es kommt vor, dass Examensklausuren auf dem Hinweg zum Korrektor oder nach der Korrektur verloren gehen. Zuletzt waren es 23 in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015, aber zuvor gab es schon in Schleswig-Holstein sechs verlorene Klausuren zu beklagen, in Bayern 13, in Sachsen drei, in Baden-Württemberg 28 und sechs in Niedersachsen. Für die Bremer aber ist das erste Mal, betonte Peter Lüttringhaus, stellvertretender Pressesprecher des Oberlandesgericht (OLG) Bremen, gegenüber LTO: "Wir waren deshalb bisher auch ganz arglos. Und es ist fürchterlich ärgerlich und für die Betroffenen ganz bitter – aber letztlich lässt es sich nie ganz ausschließen, dass so etwas passiert". Verloren gegangen zwischen der Uni und dem Prof Dabei kann das Justizprüfungsamt (JPA) seinen Angaben nach gar nichts dafür. Sind Korrektoren als Praktiker tätig, schickt es die Klausuren im flächenmäßig überschaubaren Bremen meist per Boten. In diesem Fall aber sollten sie an einen Professor der Universität gehen. Die Uni Bremen hat die Klausuren zwar vom OLG erhalten und als Paketsendung weitergeleitet, aber den Professor erreichten sie nie. Deshalb dauerte es auch fast sechs Wochen, bis die Kandidaten über das Malheur informiert wurden, so Lüttringhaus. Das JPA habe erst relativ spät davon erfahren, weil die Uni erst einmal selbst initiativ geworden sei. "In Zusammenarbeit mit dem Korrektor und der Post hat man dort selbst recherchiert. Und als wir davon wussten, wollten wir auch nicht zu früh die Pferde scheu machen, sondern zuerst alles ausermitteln". Gebracht hat es nichts. Die Post hat mittlerweile erklärt, den Verbleib des Pakets nicht mehr feststellen zu können und niemand geht mehr davon aus, dass die Klausuren, es sei denn durch Zufall, noch irgendwo auftauchen.
2/2: Die Qual der Wahl: neuer Termin oder nur fünf Klausuren
Es ist ein Sechstel der Wertung, die damit nun unmöglich ist. Bremen schreibt in der Ersten Juristischen Prüfung drei Zivilrechts-, zwei öffentlich-rechtliche und eine Strafrechtsklausur. Was in einem solchen Fall zu tun ist, ist weder landes- noch bundesgesetzlich geregelt. Und so gehen die Länder unterschiedlich damit um. Bremen bietet den Kandidaten zwei Möglichkeiten an, zwischen denen sie wählen können. Entweder schreiben Sie am 8. Mai die Zivilrechtsklausur III neu, das Benachrichtigungsschreiben enthält bereits die Ladung. Die eintretende Verzögerung sei dann nicht allzu groß, begründet Lüttringhaus den baldigen Termin, notfalls könnten die Prüflinge trotz der Panne noch in der zweiten Jahreshälfte ins Referendariat starten. Oder aber sie entscheiden sich dafür, einen Fünferschlüssel zu wählen, also die Note nicht aus den sechs eigentlich zu schreibenden, sondern aus dem Durchschnitt der fünf übrigen Klausuren zu bilden. "Wir halten das für die fairste Lösung", bekräftigt Lüttringhaus. So will das JPA eine Benachteiligung der betroffenen, aber auch der nicht betroffenen Kandidaten möglichst ausschließen. "Keiner weiß ja, wie die Klausur ausgefallen wäre. Wenn es schlecht war, ist es vielleicht auch ein Glücksfall." Dass die betroffenen Kandidaten sich – bei fehlender Neigung – eine Klausur im Zivilrecht sparen, also die Gesamtwertung zugunsten der anderen Fächer beeinflussen können, hält er nicht für eine Benachteiligung der nicht Betroffenen. "Die anderen haben eine Klausur abgeliefert, die bewertet worden ist, daran hat sich nichts geändert. Und die vom Verlust Betroffenen bekommen ja nicht etwa eine zweite Chance, sondern noch einmal eine erste".Unbekannt verzogen?
Wenn die Kandidaten sich dafür entscheiden, nicht noch einmal anzutreten, sondern die Wertung von fünf Klausuren als Gesamtergebnis anzuerkennen, müssen sie das dem JPA bis zum 24. April mitteilen.Obwohl der Zeitraum zwischen dem Erhalt der Schreiben und dem Ablauf dieser Frist recht kurz ist, hält Lüttringhaus ihn für ausreichend: „Es geht ja nur um die Entscheidung, nicht noch einmal zu schreiben, die sollte man relativ kurzfristig treffen können.“ Müssen die Kandidaten auch – und einige noch kurzfristiger als die anderen. Die ersten Kandidaten erhielten die Benachrichtigung am 6. April, bereits am 7. April berichtete der Lokalsender Radio Bremen über den Verlust. Nun wussten alle Bescheid, viele wähnten sich sicher. Und waren es nicht: Auch am 8. April bekamen noch Prüflinge die Benachrichtigung, dass ihre Klausur verloren gegangen ist. Erklären kann man sich das beim JPA nicht, alle Schreiben seien gleichzeitig per Zustellungsurkunde versandt worden, versicherte Pressesprecher Lüttringhaus gegenüber LTO. Ob alle Schreiben die Adressaten tatsächlich auch erreicht haben, ist ebenfalls noch nicht klar. Nach Angaben von Lüttringhaus sind noch nicht alle Zustellungsurkunden zurück gekommen, in einem Fall habe sich ergeben, dass der/die Kandidat(in) verzogen ist, ohne die Adressänderung mitzuteilen. "Sofern in Einzelfällen eine Kenntnisnahme trotz erfolgter Zustellung nicht erfolgt sein sollte, wird man je nach Fallgestaltung prüfen müssen, wie damit umzugehen ist. Derlei Probleme sind auch im normalen Prüfungsgeschehen keine Seltenheit."
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2017 M04 11
Justiz
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