Coach für Einstellungstest des Auswärtigen Amts

"Habe den Test selbst nicht bestanden"

Constantin KörnerLesedauer: 6 Minuten
Das Auswärtige Amt gehört zu den beliebtesten Arbeitgebern von Juristen. Wer im Auftrag der Bundesrepublik durch die Welt fliegen will, muss zunächst den Einstellungstest bestehen. Der Rechtsanwalt Ernst Freiherr von Münchhausen hilft dabei und sammelt nebenher Geschichten über Kakerlaken, Schnecken und nackte Professoren.

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LTO: Herr Freiherr von Münchhausen, wahrscheinlich können Sie die Frage schon nicht mehr hören. Aber ich habe Sie nicht auf einer Kanonenkugel herbeifliegen sehen. In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem berühmten Lügenbaron? Münchhausen: Zu DDR-Zeiten fragten mich die Grenzer, warum ich die Grenze nicht mit der Kanonenkugel überfliegen würde, das ginge doch viel schneller. Auch wenn das damals die Situation entspannt hat, höre ich die Frage doch lieber von Ihnen. Wirklich lästig ist mein Name eigentlich nur bei telefonischen Reservierungen. Da passiert es schon mal, dass mein Anruf nicht ernst genommen wurde und ich abends ohne Tisch dastehe. Daher reserviere ich seit Jahren nur noch mit meinem Vornamen. Insgesamt sorgt mein Name aber immer für ein nettes kleines Schmunzeln, das freut einen natürlich. Und der Lügenbaron ist tatsächlich ein gar nicht so entfernter Verwandter von mir. Daraus dürfen Sie aber keine Rückschlüsse ziehen.

"Als Nicht-Diplomat lebt man vielleicht sogar besser"

LTO: In Ihrem Buch versprechen Sie Anekdoten von "Fettnäpfchen, diplomatischen Fiaskos und den Gefahren landestypischer Spezialitäten". Dabei waren Sie selbst nie Diplomat, sondern sind Anwalt. Mimen Sie also doch den Lügenbaron und haben sich das alles nur ausgedacht? Münchhausen: Es klingt tatsächlich nicht besonders glaubwürdig, wenn ein nackter Professor bei einer Dinnerparty erscheint und anschließend den Botschafter mit einem Faustschlag zu Boden streckt. Auch viele andere Anekdoten in meinem Buch sind unglaublich grotesk. Aber das ganze Leben wimmelt letztlich von Absurditäten. Und im diplomatischen Dienst kulminiert das irgendwie. Das mag daran liegen, dass sich dort traditionell viele Selbstdarsteller und Exzentriker versammeln, die noch dazu weltweit unterwegs sind. Wenn Sie also einen hartgesottenen Diplomaten treffen und ihn möglichst unter Alkoholeinfluss zum Schwadronieren bringen können, werden Sie sicher nicht enttäuscht werden. Und was Lüge und Wahrheit angeht: Das Lügensoll hat mein Verwandter schon vor langer Zeit erfüllt. Ich bleibe lieber bei der Wahrheit. LTO: Soviel zum Thema Glaubwürdigkeit. Aber waren Sie nun selbst mal Diplomat oder nicht? Münchhausen: Ich habe den legendären Einstellungstest zwar absolviert, aber nicht bestanden. Wahrscheinlich war der juristische Teil zu schwierig für mich. Daher bin ich Anwalt geworden. Trotzdem kann ich Ihnen versichern: Als Nicht-Diplomat lebt man auch ganz gut. Vielleicht sogar besser, weil man nicht alle drei Jahre mit Sack und Pack umziehen und jeden Abend auf einer Stehparty Visitenkarten verteilen muss.

"Nach dem Test geht man am besten schlafen oder betrinkt sich"

LTO: Dennoch scheint Sie die Diplomatie nie ganz losgelassen zu haben. Denn Sie betätigen sich als Coach zur Vorbereitung auf den Einstellungstest des Auswärtigen Amts. Münchhausen: Ja, ich verlege seit mehr als zehn Jahren Vorbereitungsliteratur für den legendären Einstellungstest des Auswärtigen Amts. Außerdem veranstalte ich einmal jährlich ein mehrtägiges Seminar zur Vorbereitung. Der Kontakt zu den weltweit anreisenden Teilnehmern ist sehr freundschaftlich und besteht auch fort, wenn der Test bestanden ist. Da wird einem immer mal wieder die eine oder andere lustige Geschichte aus dem aufregenden oder nicht so aufregenden Diplomatenleben aufgetischt. Und ich war immer schon ein großer Freund skurriler Geschichten. LTO: Sie bezeichnen den Einstellungstest als "legendär". Ist er tatsächlich so schwierig, wie ihm landläufig nachgesagt wird? Münchhausen: Im schriftlichen Teil des Tests muss man alles aus allen möglichen Fachgebieten wissen und dieses Wissen in einer Stresssituation innerhalb kürzester Zeit abrufen. Nebenbei schreibt man dann noch einen Aufsatz, löst einige Sprachtests und durchläuft einen Intelligenztest. Anschließend geht man am besten schlafen oder betrinkt sich.

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2/2: "Über vier Stunden: Aufsatz, Sprach-, Wissen- und Intelligenztests"

LTO: Haben Sie ein Beispiel für uns? Münchhausen: Zunächst schreiben Sie einen politischen Aufsatz von 60 Minuten Dauer. Danach lösen Sie zwei Sprachtests in Englisch und einer weiteren UN-Sprache von jeweils 30 Minuten. Dann durchlaufen Sie einen Intelligenztest von 90 Minuten Dauer und müssen schließlich im Multiple-Choice-Verfahren innerhalb von 10 Minuten jeweils 25 Fragen aus den Wissensgebieten Geschichte und Politik, Allgemeinwissen, Wirtschaft sowie Völker-, Europa- und Staatsrecht beantworten. Und diese Fragen haben es wirklich in sich! Wissen Sie zum Beispiel, welches Material, das auch zur Herstellung von Handys benötigt wird, im Kongo abgebaut wird? Oder wissen Sie, worum es in dem Buch "Bloodlands" geht? Schön ist auch die Frage, in welchem Vertrag sich das "Principle of Common but Differentiated Responsibilities" befindet oder was das Europäische Semester ist. LTO: In der Tat erscheint das Themenspektrum sehr breit gefächert und geht gleichzeitig noch in die Tiefe. Wie bereiten Sie darauf vor? Münchhausen: Wir haben zu jedem Fachgebiet ein spezielles Lernskript entwickelt. Aufgrund unserer sehr langen Erfahrung mit dem Auswahlverfahren können wir eine fundierte Struktur und eine gute Orientierung zu dem erforderlichen Wissen bieten. Denn das Problem für die Kandidaten ist, dass sie aufgrund der Fülle des abgefragten Wissens einfach keine Ahnung haben, wo sie bei der Vorbereitung anfangen sollen. In unseren Skripten finden sich daher in übersichtlicher Kürze und sehr strukturiert nur die Themen, die sich in den vergangenen Jahren als absolut prüfungsrelevant erwiesen haben. Daneben vermitteln wir den Kandidaten kurz vor dem Test in einem mehrtägigen Seminar einen aktuellen Überblick über die aus unserer Sicht prüfungsrelevanten Themen. Hierzu referieren spezialisierte Fachreferenten, die ihren Fokus auf das prüfungsrelevante Wissen des Auswahlverfahrens legen. Amüsanter und unterhaltsamer Höhepunkt ist dann noch der Vortrag eines ehemaligen Mitglieds der Prüfungskommission des Auswärtigen Amts.

"Was ist der Unterschied zwischen einem Nomaden und einem Diplomaten?"

LTO: Unter Juristen gehört das Auswärtige Amt regelmäßig zu den beliebtesten Arbeitgebern. Wie erklären Sie sich das? Münchhausen: Da ist der Mythos: die Insignien der Macht wie die diplomatische Immunität, der Diplomatenpass und das Standing. Neben dem Glamour gibt es aber auch die Härteposten mit ihren vielen kleinen Hausbewohnern in Form von Kakerlaken. Über den Glamour und die Kakerlaken hinaus, ist der Beruf selbst aber durchaus reizvoll. Ein Diplomat kommt herum, er sieht die Welt aus einer nicht-touristischen Perspektive. Man ist Generalist und lernt auch beruflich ständig neue Bereiche kennen. Da kann es schon mal passieren, dass man plötzlich ein paar Grußworte zum Treffen der Milchviehzüchter in Litauen hält oder in das Werk eines deutschen Künstlers einführt, dessen Namen man vorher noch nie gehört hat. Im nächsten Moment sitzt man dann beim NATO-Oberbefehlshaber und spricht über die Sicherheitslage des Gastlandes. Diese Vielfalt verbunden mit der Internationalität bei gleichzeitiger Absicherung als deutscher Beamter ist enorm wichtig für viele Bewerber. Man sitzt an den Schalthebeln der Macht, ein Botschafter ist protokollarisch einem Staatspräsidenten ebenbürtig – und mancher Diplomat fühlt sich oft auch so. Jedem Bewerber ist aber anzuraten, den Selbsteinschätzungsbogen auf der Webseite des Auswärtigen Amts auszufüllen. Dort werden die negativen Merkmale des Diplomatenlebens beleuchtet, insbesondere die Schwierigkeiten für eine eventuell mitziehende Familie. Nicht umsonst heißt es sprichwörtlich: Was ist der Unterschied zwischen einem Nomaden und einem Diplomaten? Der Nomade kennt sein nächstes Ziel! "Der Diplomat isst auch die Schnecken im Salat – Skurrile Geschichten aus dem auswärtigen Dienst", Taschenbuch, 240 Seiten, 9,99 Euro, ISBN: 978-3-442-15779-2.

Ernst Freiherr von Münchhausen ist als Rechtsanwalt in Berlin tätig. Nebenbei bereitet er Kandidaten auf den Einstellungstest des Auswärtigen Amts vor.
Das Interview führte Constantin Körner.

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