Wie kreativ arbeiten Notar:innen?

Mor­gens Erb­recht, mit­tags GmbH-Grün­dung, dann Haus­kauf

von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Ihr Beruf gilt als lukrativ, aber langweilig. Doch die Aufgaben von Notaren werden oft unterschätzt. Hier berichten drei Notare, warum sie ihren Job lieben und dabei vor allem viel mit Menschen zusammenkommen.

Im Referendariat durchläuft man Stationen beim Gericht, bei der Staatsanwaltschaft, bei der Verwaltung und beim Anwalt - wer sich für den Beruf des Notars interessiert, muss selbst aktiv werden. So können Interessierte in Nordrhein-Westfalen (NRW) etwa bis zu drei Monate der Anwaltsstation oder auch die Wahlstation in einem Notariat absolvieren.

Wer dann fünf Jahre Berufserfahrung als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt hat, kann Anwaltsnotar werden und den Beruf neben der Anwaltstätigkeit ausüben. Künftige Anwaltsnotar:innen müssen die notarielle Fachprüfung bestehen. Danach folgt noch die Praxisausbildung bei einem Notar.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, "Nur-Notar", also hauptberuflicher Notar, zu werden. Wer Nur-Notar werden möchte, muss den sogenannten Anwartschaftsdienst durchlaufen. Dafür muss man sich nach dem Bestehen der beiden Staatsexamina bei der zuständigen Landesjustizverwaltung bewerben. Ähnlich wie im Referendariat werden die Notarassessor:innen im Anwärterdienst drei Jahre lang bei verschiedenen Notaren ausgebildet. Eine Abschlussprüfung gibt es nicht.

Die Differenzierung zwischen Nur-Notaren und Anwaltsnotaren hat historische Gründe, die Aufgaben und Pflichten der beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch nicht. Es gibt die Bundesnotarordnung (BNotO), aber die länderspezifischen Besonderheiten regeln die Verordnungen der Bundesländer. In NRW ist tatsächlich beides möglich: Im westfälischen Teil sind Anwaltsnotar:innen, im rheinischen Teil des Landes hauptberufliche Notar:innen tätig.

Das "Nur-Notariat" findet man auch in den süd-östlichen Bundesländern mit Ausnahme von Berlin; das Anwaltsnotariat in Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und im anderen Teil von NRW.

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"Der beste Beruf unter der juristischen Sonne"

Uwe J. Fischer ist seit zwanzig Jahren Anwaltsnotar in Berlin und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat im Deutschen Anwaltverein (DAV). Mittlerweile ist er aber kaum noch als Anwalt tätig, Gerichtsverhandlungen hat er gar nicht mehr. Sein Hauptaugenmerk gilt dem Notarberuf: "Der beste Beruf unter der juristischen Sonne", schwärmt er.

Dass er Notar geworden ist, hat für ihn mit seiner Persönlichkeit zu tun. Er möge es, als Notar durch entsprechende Vertragsgestaltungen Konflikten vorzubeugen und sich nicht – wie als Anwalt – vor Gericht zu streiten, erklärt Fischer. Und: "Der Notar arbeitet im Verborgenen. Wer gerne im Mittelpunkt steht, sollte sich vielleicht für einen anderen Beruf entscheiden", so Fischer.

Ein weiterer Vorteil: "Als Notar muss man keine Werbung machen, nach ein paar Jahren ist die Bude gut gefüllt", so Fischer. Wenn man gute Arbeit leiste, werde man im Bekanntenkreis empfohlen.

"Den typischen Arbeitstag gibt es bei mir nicht"

Um neun Uhr eine Vaterschaftsanerkennung, um zehn ein Grundstückskauf, dann eine GmbH-Gründung und um 14 Uhr die Gründung einer großem Familiengesellschaft mit Steuerkonstruktionen. So könnte ein Arbeitstag von Dominik Schüller aussehen. Der Berliner ist seit dem Jahr 2017 Anwaltsnotar und schätzt seine abwechslungsreichen Tätigkeiten. "Der Beruf ist juristisch ziemlich anspruchsvoll und jeden Tag habe ich mit ganz unterschiedlichen Menschen und Fragestellungen zu tun. Den typischen Arbeitstag gibt es bei mir nicht", sagt Schüller.

Der Notar kommt immer dann ins Spiel, wenn das Gesetz eine notarielle Beurkundung vorschreibt, insbesondere beim Immobilienkauf oder in erb- oder familienrechtlichen Angelegenheiten, etwa beim Testament oder Ehevertrag. Auch im Handels- und Gesellschaftsrecht benötigen die Beteiligten in vielen Fällen einen Notar, zum Beispiel bei Handelsregistereintragungen oder GmbH-Gründungen.

Der Notar kümmert sich nicht nur um die jeweilige Urkunde, sondern wird schon im Vorfeld tätig. Bei einem Immobilienkauf etwa lässt er auch die Vormerkungen beim Grundbuch eintragen oder Grundschulden löschen.

"Wenn der Mandant den Vertrag nicht versteht, habe ich meinen Job schlecht gemacht"

Wenn ein Mandant zu ihm kommt, muss ein Notar zunächst alle Informationen erfragen und ermitteln, worum es überhaupt geht. Denn: Die Arbeit des Notars besteht nicht nur aus der eigentlichen Beurkundung, also dem Verlesen der Urkunde. Ein Notar erstellt den Vertrag auch selbst.

Gerade im Erb- und Familienrecht wüssten die Menschen häufig gar nicht, was ihr genaues Ziel sei, so Schüller. Er müsse dann möglichst schnell den Charakter seines Mandanten einschätzen und herausfinden, was dieser eigentlich will. Häufig nimmt er dafür einfach ein Blatt Papier und notiert die Wünsche seines Klienten für den Vertrag. Ein Notar hat deshalb viel gestalterische Freiheit.

Bei der eigentlichen Beurkundung muss der Notar nicht nur vorlesen, sondern auch erklären. Ein Großteil der Zeit entfalle deshalb darauf, die Inhalte der Verträge allgemeinverständlich zu erklären, so Schüller: "Ich übersetze juristisch-deutsch und muss dafür sorgen, dass die Leute den Inhalt des

Vertrages erfassen. Die Kunst des Notars ist es, zu erreichen, dass ein Problem einfach wirkt. Wenn mein Mandant den Vertrag nicht versteht, habe ich meinen Job schlecht gemacht". Besonders bei Verbrauchergeschäften spiele der Notar eine große Rolle. "Finanzierungsverträge mit der Bank sind häufig so komplex formuliert, dass den Mandanten gar nicht klar ist, worum es eigentlich geht", sagt Schüller.

Schwimmen Notarinnen und Notare tatsächlich in Geld?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Der Notar legt seine Preise nicht selbst fest, sondern muss sich an die Vorgaben des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) halten. Für jedes Geschäft gibt es einen einheitlichen Gebührensatz, auf dessen Grundlage der Notar dann die Kosten berechnet. Die jeweilige Gebühr richtet sich nach dem Wert des Geschäfts. Je höher etwa der Kaufpreis einer Immobilie ist, umso höher sind auch die Notarkosten.

Dieses Gebührensystem ist genau austariert: Geschäfte wie die Vaterschaftsanerkennung sind nach dem GNotKG gebührenfrei. Hier fallen lediglich Auslagen sowie Gebühren für etwaige Sorgerechtserklärungen oder Namensbestimmungen an. Bei größeren Geschäften, etwa dem Kauf einer Villa, dürfen Notarinnen und Notare weitaus höhere Gebühren vereinnahmen.

Da ein Notar – im Gegensatz zum Anwalt – hoheitliche Funktionen ausübt, kann er sich seine Mandanten nicht aussuchen. Die Notare haben nach § 15 Abs. 1 BNotO eine sogenannte Urkundsgewährungspflicht und dürfen Beurkundungen nur aus zwingenden Gründen verweigern, z.B. wegen Befangenheit.

"Als Notarin und Notar ist man freiberuflich tätig und das Einkommen hängt damit von ganz vielen Faktoren ab. Es gibt sowohl regionale Unterschiede als auch Unterschiede im Hinblick auf den tatsächlichen Schwerpunkt der Tätigkeit", so Dr. Nicola Hoischen, Notarassessorin und Hauptgeschäftsführerin der Bundesnotarkammer. Notarinnen und Notare, die insbesondere im Gesellschaftsrecht tätig seien und Großtransaktionen betreuten, verdienten überdurchschnittlich gut.

Notare als Vermittler zwischen den Beteiligten

Hoischen schätzt an ihrem Beruf auch, dass sie mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt kommen. "Wir müssen sehr unterschiedlichen Beratungs- und Verhandlungssituationen gerecht werden und dabei beispielsweise zwischen geschäftlich erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmern auf der einen Seite und Verbraucherinnen und Verbrauchern auf der anderen Seite vermitteln", so Hoischen.

Ein Anwaltsnotar beurkunde im Schnitt circa 400 bis 500 Urkunden im Jahr, oft gehe es dabei um kleinere Angelegenheiten wie die Beurkundung eines Testaments, eines Ehevertrags oder einer Vorsorgevollmacht. Aber größere Immobiliengeschäfte oder komplexe Gesellschaftsgründungen mit Steuerkonstruktionen kämen daneben natürlich auch vor, sagt Dominik Schüller.

Auch Uwe Fischer hebt die Vielseitigkeit seines Berufs hervor. Manchmal beurkunde er den Kaufvertrag über eine Villa, teilweise gehe es aber auch um menschliche Notlagen. Das komme nicht häufig vor, aber doch alle zwei bis drei Jahre. So war er auch schon im Hospiz, um Testamente oder Vollmachten zu beglaubigen. Da geht es dann etwa um Krebskranke, die Kinder haben und das Thema deshalb lange Zeit verdrängt haben. "In solchen Situationen weiß ich zu schätzen, wie gut es mir selbst geht", so Fischer. Bedingt durch die Corona-Krise sind solche Termine momentan aber eher die Ausnahme.

Wenig Bewerber für viele Notarstellen

Notarinnen und Notare sind öffentliche Amtsträger, die vom jeweiligen Bundesland bestellt werden. Die Zahl der Notarstellen ist am örtlichen Bedarf ausgerichtet und daher zahlenmäßig beschränkt, erklärt Hoischen. Nach Angaben der Bundesnotarkammer arbeiten in Deutschland im Jahre 2021 6.860 Notarinnen und Notare, davon 5.143 Anwaltsnotare und 1.717 Nur-Notare.

Allerdings gibt es aufgrund der Altersstrukturen mancherorts Nachwuchssorgen, so Fischer, der dies als Vorsitzender der AG Anwaltsnotariat im DAV aus erster Hand mitbekommt. "Das Notariat ist überaltert", sagt er, und für die ausgeschriebenen Stellen gebe es häufig nicht genug Bewerber:innen.

Die Chancen für junge Jurist:innen stehen deshalb gut, auch wenn am Ende natürlich die Noten eine entscheidende Rolle spielen. Für Anwaltsnotare schreibt das Gesetz ausdrücklich vor, dass sich die fachliche Eignung für den Notarberuf zu sechzig Prozent nach dem Ergebnis der notariellen Fachprüfung und zu vierzig Prozent nach der Examensnote richtet. Auch bei den Nur-Notaren sind gute Noten wichtig: Der BGH befand, sechs Punkte seien zu schlecht, um in Baden-Württemberg Notaranwärter zu werden. Ein Doppelprädikat dürfte wohl derzeit noch Voraussetzung sein.

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