Legal Technology

Dann eben umsonst

von Henning ZanderLesedauer: 4 Minuten
Längst ist die Wahl der richtigen IT eine wichtige Säule der Kanzleistrategie. Inzwischen auch, um dem Anspruch der Mandanten an mehr Leistung für weniger Geld zu entsprechen. 

Der Kostendruck wächst. "Mandanten sind häufig nicht mehr bereit, für Standard-Leistungen hohe Stundensätze zu zahlen", sagt Lars Kuchenbecker, Managing-Partner bei der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler. Wenn ein Mandant einen Anwalt brauche, könne er meist zwischen fünf bis acht guten Kanzleien wählen, die sich weder im Preis noch in der Qualität sonderlich unterschieden. "Es wird darauf ankommen, welche zusätzlichen Serviceleistungen angeboten werden, welchen Mehrwert – neben der juristischen Expertise – die Zusammenarbeit mit einer bestimmten Kanzlei für ihn bringt. Zusatzleistungen werden von immer mehr Mandanten erwartet, und zwar ohne dass es einen Aufschlag aufs Honorar gibt." Auf diese Haltung müssen die Kanzleien reagieren – und viele investieren daher mehr Geld in die digitale Infrastruktur. Konkret bedeutet das die Automatisierung von Standard-Leistungen und neue Formen der Kommunikation und der Zusammenarbeit mit den Mandanten. Klar ist: Kanzlei-IT ist inzwischen eine wichtige Säule der Kanzlei-Strategie. Hier sehen die Berater Chancen, sich von Wettbewerbern abzusetzen.

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IT als zusätzlicher Service

Bei Menold Bezler arbeiteten im Gründungsjahr 2004 lediglich 25 Rechtsanwälte, heute sind es rund 90. Im vergangenen Jahr stellte die Kanzlei ihre IT auf ein neues Kanzleimanagementsystem um und hat für die digitale Infrastruktur einen hohen sechsstelligen Betrag ausgegeben. Insgesamt wird die IT von über 160 Menschen genutzt – das ist kostspielig auf aufwendig. "Es ist wie mit dem Strom aus der Steckdose", sagt Kuchenbecker. "Es muss eben immer funktionieren." Die Kanzlei denkt darüber nach, Mandanten über geschützte Datenräume ein Archiv mit Vertragsmustern zugänglich zu machen. Gegen eine Gebühr - oder vielleicht sogar gleich unentgeltlich, als besonderen Service on Top. Angedacht wird bei Menold Bezler auch, Mandanten beim Dokumentenmanagement zu unterstützen. "Wir werden immer wieder nach alten Unterlagen gefragt, nach Gutachten oder Akten über Gesellschaftsgründungen", sagt Lars Kuchenbecker. "Es wäre eine Idee, das Dokumentenmanagement für unsere Mandanten gleich mit zu übernehmen." Kollaboration ist das Stichwort. Bald soll es nicht mehr nötig sein, zum Beispiel für Vertragsmodifikation umfangreiche E-Mail-Korrespondenzen zu führen. Dokumente sollen zentral vorgehalten werden, Rechtsanwalt und Mandant sollen gemeinsam Zugriff haben. Die Kanzlei ist dabei, ein entsprechendes System zu entwickeln und einzuführen. Es ist ein gewagter Schritt, Services, die vorher kostenpflichtig waren, plötzlich kostenlos anzubieten. Nicht für jede Kanzlei wird sich dies rechnen. Die Kosten müssen über die Honorare eingespielt werden. Dennoch scheint es keinen Weg zurück zu geben. Denn gerade langjährige Mandanten wissen sehr gut, wie aufwendig oder eben nicht aufwendig bestimmte Arbeitsschritte bei den Kanzleien sind. Und dass immer wieder Aufwand der Kanzlei und Kosten für den Mandanten in keinem vernünftigen Verhältnis stehen. Und wenn sich Standard-Leistungen nicht mehr verkaufen lassen, warum sollte man sie nicht zumindest so verpacken, dass der Mandant einen Mehrwert hat?

Informationsflutbeherrschbar machen

Um diesen Mehrwert geht es. Martin Sundermann, Partner bei Osborne Clarke, koordiniert bei der Kanzlei den Einsatz einer neuen Software für das Projektmanagement. "Wir müssen Beratungsempfehlungen und unser juristisches Know-how so liefern, dass unsere Mandanten sie bestmöglich verarbeiten können; das ist oftmals aber nicht Textform", erklärt Sundermann. Die Projektmanagement-Software, die Osborne Clarke derzeit einführt, soll es Mandanten einfacher machen, sich über jeden Projektschritt informieren. Klare visuelle Botschaften werden dabei verwendet, etwa Ampelsymbole. Hier passiert etwas, dort geht es nicht voran, hier sind kritische Themen. "Das ist für alle Beteiligten einfacher und vor allem schneller, als wenn ich den Projektstand  mit zusätzlichem Aufwand in einem gesonderten Report zusammenfasse ", sagt der Rechtsanwalt.   Die visuelle Aufarbeitung von juristischen Inhalten – dahin geht nach Sundermann der Trend. "Man kann nicht einen Harry Potter lesen und sich zwei Tage später daran erinnern, was auf Seite 205 passiert ist", sagt Martin Sundermann. So wie es für Betriebswirte ganz selbstverständlich sei, Charts zu nutzen, müssten auch Rechtsanwälte lernen, ihren Mandanten Informationen visuell aufzubereiten. Die Informationsflut von Kanzleien, Steuerberatern und eigenen Mitarbeitern sei für Entscheider anders kaum mehr beherrschbar.

Langfristige Einführung neuer Software

Kanzleien, die neue Software implementieren, dürfen nicht vergessen, dass es letztendlich die Mitarbeiter und Rechtsanwälte sind, die die Programme nutzen müssen. Es ist deshalb sinnvoll, deren Einführung gut vorzubereiten und möglichst alle Beteiligten in die Planungsphase einzubeziehen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Software auch den Bedürfnissen der Praxis entspricht. Und potenziellen Bedenkenträgern kann schon frühzeitig der Wind aus den Segeln genommen werden. Seit drei Jahren arbeitet Martin Sundermann an der Einführung des Systems. "Es schreien nicht alle Hurra, wenn ich mit einer neuen Software um die Ecke komme", sagt der Partner. "Es gibt ja überall Tools, die keiner nutzt." Schritt für Schritt erprobt die Kanzlei deshalb Einsatzfelder. Erste Tests waren bei der Due Diligence erfolgreich. Der ständige Austausch mit den Kollegen sei wichtig um auszuloten, was gebraucht werde und wo der Einsatz der Software sinnvoll sei. Auch bei den Mandanten müsse man die Technik erst noch bekannt machen. Es sei ein gemeinsamer Lernprozess. "So wie damals, als die ersten Handys auf den Markt kamen", meint Sundermann. "Heute ist es ganz selbstverständlich, das man eins hat und jeder weiß, wie man es bedient."

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