Nische Fachanwalt für Agrarrecht

"Potential sicherlich noch nicht ausgeschöpft"

von Constantin KörnerLesedauer: 4 Minuten
Der Fachanwalt für Agrarrecht ist nicht nur der jüngste unter den Fachanwaltstiteln, sondern auch der bislang am wenigsten verliehene. Erst etwas über 100 Rechtsanwälte dürfen auf diese Weise ihre besondere Qualifikation nach außen tragen. Über die Potentiale und Voraussetzungen des Fachanwaltstitels in dem buchstäblichen Orchideenfach hat sich Constantin Körner informiert.

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Christiane Graß ist Fachanwältin für Agrarrecht – und damit Teil eines kleinen Kreises, dem neben ihr bundesweit nur 105 weitere Kollegen und Kolleginnen angehören (Stand: Jahresbeginn 2012). Dass das Agrarrecht neben anderen Rechtsgebieten eher ein Außenseiterdasein fristet, spielt für sie keine große Rolle. Im Gegenteil sei die Relevanz im Alltag der Menschen sogar ausgesprochen hoch: "Jeder von uns hat täglich mit dem Agrarrecht zu tun, wenn er Lebensmittel einkauft oder Feld, Flur und Wald zur Naherholung und zur Entspannung nutzt. Vielen ist gar nicht klar, dass die Frage, mit welchen Standards Lebensmittel erzeugt werden, gleich mehrere Rechtsbereiche berührt, die zu den Kerngebieten des Agrarrechts gehören." Entsprechend breit gefächert sind auch die Inhalte, die das exotisch anmutende Rechtsgebiet umfasst. Dazu zählen gemäß § 14m der Fachanwaltsordnung (FAO) das agrarspezifische Zivilrecht genauso wie agrarspezifische Probleme des Öffentlichen und des Strafrechts. Konkret betroffen sind etwa Rechtsfragen aus dem landwirtschaftlichen Familien- und Erbrecht, dem Weinrecht, dem Saat- und Sortenschutzrecht bis hin zum Staatsbeihilfen- und EU-Wettbewerbsrecht. Daraus folgt in der anwaltlichen Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Mandatstypen – beispielhaft zählt Graß die folgenden auf: "Rechtsstreitigkeiten über bestehende Pachtverträge, Verfahren mit der landwirtschaftlichen Alterskasse, Krankenkasse und Berufsgenossenschaft, Gestaltung und Begleitung von Hofübergabeverträgen sowie die Führung von Erbstreitigkeiten, bei denen die Höfeordnungen und das Landguterbrecht im Vordergrund stehen." Darüber hinaus wickelt Graß auch Wildschäden in Feld und Flur ab und berät Landwirte und andere Grundstückseigentümer in Flurbereinigungsverfahren sowie gegenüber Genehmigungs- und Bewilligungsbehörden.

Bislang nur zwei Anbieter in Deutschland

Erwerben kann man den Fachanwaltstitel bislang nur bei zwei Anbietern in Deutschland, nämlich der Deutschen Anwalt Akademie und der Hagen Law School. Während Erstere auf klassischen Präsenzunterricht setzt, ist Letztere an die Fernuniversität Hagen angegliedert und bietet den theoretischen Teil der Kurse im Fernstudium an. "Der Lehrgang umfasst 120 Zeitstunden Unterricht und Klausuren im Gesamtumfang von 15 Stunden Bearbeitungsdauer. Dieser erstreckt sich über sechs Bausteine zu je drei Vortragstagen von Donnerstag bis Samstag. Insgesamt sind die Kurse in einem Zeitraum von drei Monaten zu absolvieren", beziffert Rechtsanwalt Philipp Wendt, Geschäftsführer der Deutschen Anwalt Akademie, den erforderlichen Aufwand. Neben einiger Zeit gilt es natürlich auch Geld zu investieren: Für Mitglieder des Anwaltvereins/FORUM Junge Anwaltschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht kostet der Lehrgang bei der Deutschen Anwalt Akademie 2.600 Euro; alle anderen zahlen 2.860 Euro. Die Hagen Law School berechnet grundsätzlich 1.799 Euro. Für Anwälte mit weniger als dreijähriger Zugehörigkeit zur Anwaltschaft reduziert sich der Satz dort auf 1.649 Euro, für Referendare und Assessoren, deren Staatsexamen nicht länger als zwei Jahre zurückliegt sogar auf 1.499 Euro.

80 agrarrechtliche Mandate benötigt

Freilich ist es mit dem Lehrgang alleine nicht getan. Die angehenden Fachanwälte müssen zum Nachweis ihrer besonderen Kenntnisse zudem 80 Mandate aus dem Agrarrecht bearbeitet haben, von denen wenigstens zehn aus dem Zivil- und zehn weitere aus dem Verwaltungsrecht stammen müssen. Bei mindestens 20 muss es sich um sogenannte rechtsförmliche Fälle handeln, das heißt um solche, die (außer)gerichtliche Rechtsbehelfs-, Schlichtungs- oder Schiedsverfahren betreffen. "Es bedarf schon einer gewissen Anstrengung, diese Fälle nachzuweisen", berichtet Graß. Auch der Geschäftsführer der Hagen Law School, Dr. Stefan Kracht, räumt ein, dass die Fallzahl gerade für solche Kollegen, die sich das Feld neu erschließen wollen, problematisch sein kann. Anders sähe die Lage hingegen für Anwälte aus, die bereits im Agrarrecht Fuß gefasst haben. Diese würden von der geringen Konkurrenz profitieren; die geforderten 80 Mandate würden für sie daher keine große Hürde darstellen. Dass sich ein Lehrgang zum Fachanwalt für Agrarrecht lohnt, davon ist Graß überzeugt: "Das Potential ist mit derzeit 106 Fachanwälten, gemessen an 299.100 landwirtschaftlichen Betrieben, sicherlich noch nicht ausgeschöpft." Im Jahr 2010 seien nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 1,1 Millionen Menschen in Deutschland haupt- oder nebenberuflich im Bereich der Landwirtschaft tätig gewesen. "Allein das Zahlenverhältnis zeigt, dass die Berufsgruppe der Landwirte auch zukünftig noch Bedarf an qualifizierter fachanwaltlicher Beratung haben wird. Darauf lassen weder der Strukturwandel in der Landwirtschaft noch die Aufgabe von zumeist kleinen und mittleren Nebenerwerbsbetrieben negative Auswirkungen erwarten. Nebenerwerbsbetriebe und Kleinstbetriebe haben ohnehin nur begrenzten Beratungsbedarf. Bei den mittleren und größeren Betrieben dürfte sich dieser durch die ständige Verkomplizierung der Rechtsvorschriften eher erhöhen", so Graß abschließend.

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