Büroarbeit ist die Ausnahme
Philipp Zimmer fiel die Entscheidung leicht. Kaum hatte er das erste Staatsexamen in der Tasche, startete der damals 29-Jährige bei dem internationalen Prüfungs- und Beratungsunternehmen Ernst & Young als Consultant durch. Weitere zwei Jahre Referendariat kamen für ihn nicht in Frage. Statt Pauken von Schemata und Gerichtsentscheidungen stand für den frischgebackenen Juristen nun fachübergreifende Projektarbeit an wechselnden Einsatzorten auf dem Programm. Oder wie Zimmer es nennt: "Power Point und Excel statt Gesetzestexte." Für den Berater im Düsseldorfer Büro von Ernst & Young war es ein logischer Schritt. Schon im Studium gründete er mit einem Kommilitonen eine kleine Beratungsgesellschaft und unterstützte etwa kleine Handwerksbetriebe bei ihrer Finanzplanung. Es folgten eine Tätigkeit als Werkstudent bei den Advisory Services bei Ernst & Young und nach dem Examen schließlich die Festanstellung als Consultant. Heute berät der 33-Jährige Kunden hinsichtlich interner Kontrollsysteme und profitiert dort sowohl von seiner juristischen Arbeitsweise als auch von seinem Fachwissen im regulatorischen Umfeld. Kein untypischer Weg für einen Juristen, dessen Leidenschaft schon immer das Beraten war. Viele seiner Kollegen haben die Branche über ein Praktikum oder die Wahlstation im Referendariat kennengelernt. Marcus K. Reif, im selben Unternehmen Leiter für Recruiting & Employer-Branding für Deutschland, die Schweiz und Österreich, rät jedem Interessenten, so früh wie möglich den Kontakt mit Unternehmensberatungen zu suchen, beispielsweise auf Messen oder Inhouse-Veranstaltungen, um herauszufinden, ob eine Tätigkeit als Berater für einen selbst in Betracht kommt.
Selbst entscheiden, statt nur umsetzen
Auch Paul Philipp Hermann entschied sich nach dem ersten Examen gegen das Referendariat und damit bewusst gegen eine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Vielmehr ließ er eine Promotion und einen Master folgen, um dann bei der Boston Consulting Group (BCG) in Berlin anzufangen. An der Tätigkeit als Berater reizt ihn vor allem die Möglichkeit, wirtschaftliche Entscheidungen selbst mitzugestalten, anstatt sie nur juristisch umzusetzen. "Als Rechtsanwalt wird man oft erst gerufen, wenn die maßgeblichen Entscheidungen bereits gefallen sind und es nur noch darum geht, wie diese rechtlich umgesetzt werden können. Als Unternehmensberater kann ich hingegen bereits bei der Entscheidungsfindung selbst mitwirken." Ein weiteres Argument sei das Arbeitsumfeld: "In Kanzleien arbeitet man häufig alleine am Schreibtisch, oft sogar in Einzelbüros", erzählt der 31-Jährige. "Bei BCG ist das ganz anders. Hier wirken wir in einem fachlich gemischten Team zusammen und sind regelmäßig vor Ort bei den Kunden." Büroarbeit sei in der Unternehmensberatung nicht die Regel, sondern vielmehr die Ausnahme. Letzteres macht die Arbeit eines Beraters zwar abwechslungsreich, aber auch sehr anstrengend. Im Durchschnitt verbringt Hermann vier von fünf Arbeitstagen pro Woche nicht in seinem Büro in Berlin, sondern berät seine Kunden bei ihren Projekten vor Ort. Keine Seltenheit in der Branche. In einer typischen Arbeitswoche steigt ein Berater am Montag in den Flieger und kommt erst am Donnerstag wieder zurück. Nur am Freitag befindet er sich im Büro. "Was die Stundenanzahl angeht, ist die Arbeitsbelastung ähnlich hoch wie in einer Großkanzlei, allerdings anders verteilt", berichtet Hermann. "Während sich die Zeit von Montag bis Mittwoch vor Ort beim Kunden intensiv gestaltet, flacht dies zu Ende der Woche wieder etwas ab." Das Wochenende habe er dagegen immer frei. "Das ist mir auch heilig."Gefragte Exoten
Zwar gehören Juristen neben Medizinern, Natur- sowie Geisteswissenschaftlern zu den Exoten der Unternehmensberatungsbranche, in der Wirtschaftswissenschaftler die große Mehrheit stellen. Dennoch haben sie gute Chancen. "Juristen bringen neben ihrem versierten Umgang im Bewerten von Verträgen ein sehr strukturiertes und methodisches Denken sowie Abstraktionsvermögen mit – für unsere Beratungstätigkeit sehr wichtige Fähigkeiten", verrät Marcus K. Reif. Ähnlich sieht das Philipp Härle. Er ist Partner bei der Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey und selbst promovierter Volljurist. Auch er hält die Arbeitsweise für den entscheidenden Faktor: "In Unternehmensberatungen wird weniger das juristische Wissen gebraucht, sondern vielmehr die Eigenschaft von Juristen, strukturell denken zu können." Dies käme Juristen bei der Beratung zu Gute. "Daneben zeichnen sich Juristen aber auch durch gute Kommunikationsfähigkeiten und eine klare Ausdrucksweise aus." Klassisch juristisch arbeitet Härle allerdings schon lange nicht mehr. Vielmehr berät er als Direktor bei der Risk Management Practice im Londoner Büro Bankinstitute und unterstützt Unternehmen unterschiedlichster Branchen bei Transaktionen. Dass Beraten nicht mehr viel mit Subsumtion zu tun hat, sollte einem Juristen bewusst sein, der in der Branche tätig werden will. Härle, der selbst jahrelang als Anwalt in einer Großkanzlei gearbeitet hat, warnt daher vor überstürzten Entscheidungen: "Juristen hängen oft an Jura, für sie ist es schwer, sich davon zu verabschieden."Grundvoraussetzung: Interesse an Wirtschaft
Im Einstellungsverfahren behandeln Unternehmensberatungen alle Fachrichtungen grundsätzlich gleich. Allerdings sollte bei jedem Bewerber eine grundsätzliche Affinität zu wirtschaftlichen Themen bestehen, denn ohne ein gewisses Grundinteresse an Wirtschaft geht in der Branche gar nichts. Dass Juristen keine vertieften wirtschaftlichen Kenntnisse mitbringen, ist man sich bei den Prüfungs- und Beratungsunternehmen aber bewusst. Viele von ihnen bieten Neuanfängern daher entsprechende Intensivkurse an. Keinen Unterschied macht es hingegen, ob man sich nach dem ersten oder dem zweiten Staatsexamen bewirbt. "Das zweite Staatsexamen ist keine Einstellungsvoraussetzung", so Reif. Allerdings suchen Beratungsgesellschaften aus jedem Fachgebiet die erfolgreichsten Absolventen. Dem leidigen Thema der Examensnote kann man daher auch im Beratungsbereich nicht entkommen. "Gute Noten sind Grundvoraussetzung. Vollbefriedigend sollte es im Jurabereich daher schon sein", meint Hermann von der Boston Consulting Group. Für Philipp Zimmer ist es eine Grundentscheidung gewesen: "Man sollte sich Dingen nicht verschließen, sondern Neues wagen und einfach offen dafür sein." Daher will er es auch nicht ausschließen, irgendwann einmal wieder klassisch juristisch zu arbeiten, wenn auch nicht in naher Zukunft. "Ich habe mir durch meine Entscheidung als Jurist in die Unternehmensberatung zu gehen, ja nichts verbaut. Im Gegenteil: Alles ist noch möglich."Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2013 M06 26
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