Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. Juni 2015: Mansour festgenommen – BGH zu Hoeneß-Erpresser – Medienschelte durch Richter

22.06.2015

Der Al-Dschazira-Journalist Ahmed Mansour wurde in Berlin festgenommen. Wird er nach Ägypten ausgeliefert? Außerdem in der Presseschau: BGH rügt Strafschärfung bei Hoeneß-Erpresser und Medienschelte bei Urteilsverkündungen.

Thema des Tages

Al-Dschazira-Journalist Mansour in Berlin festgenommen: Die Bundespolizei hat den Al-Dschazira-Journalisten Ahmed Mansour am Berliner Flughafen Tegel festgenommen, als dieser nach Doha fliegen wollte. Mansour wurde 2014 von einem Gericht in Kairo und in dessen Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt. Mansour soll laut Urteil 2011 an der Folter eines Anwalts in Kairo beteiligt gewesen sein; er selbst bestreitet die Vorwürfe. International wurde das Urteil als politisches Schauspiel kritisiert: Der Sender Al-Dschazira gehört zu den größten Kritikern des ägyptischen Regimes. Laut Mansours Anwalt liegen den deutschen Behörden eine Fahndungsnotiz sowie ein Auslieferungsbegehren vor. Das Berliner Kammergericht wird wohl über den Auslieferungshaftbefehl entscheiden. Die politische Entscheidung darüber, ob wirklich ausgeliefert wird, würde letztlich die Bundesregierung treffen. Es berichten unter anderem die Montags-FAZ (Günter Bannas/Markus Bickel), die Montags-taz (Karim El-Gawhary) und die Montags-SZ (Ronen Steinke).

Ronen Steinke (Montags-SZ) meint in einem gesonderten Kommentar: "Der Journalist wurde in Auslieferungshaft genommen, so als sei Ägyptens hoch politisierte Henkerjustiz ein Partner, auf dessen Wort irgendein Verlass sei. Und als spotte eine mögliche Auslieferung dorthin nicht jedem Recht." Ähnlich entschieden äußert sich Dominic Johnson (Montags-taz): Würde Deutschland ausliefern und sei man hier der Meinung, die ägyptische Justiz halte völkerrechtliche Mindeststandards ein, sei die Berliner Ansage an kritische Journalisten in der Welt: "Bleibt zu Hause. Sobald eure Regierung gegen euch Haftbefehl erlässt, seid ihr hier nicht mehr sicher."

Die Montags-taz (Christian Rath) informiert über die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen nach dem Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen die Auslieferung bejaht bzw. verneint werden müsste. Die Auslieferungshaft müsse jedenfalls dann sofort beendet werden, wenn die Auslieferung offensichtlich unzulässig ist. Weil ihn in Ägypten kein faires Verfahren erwarten könne, hält Oliver García (blog.delegibus.com) die Verhaftung Mansours für "evident rechtswidrig".

Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: Auf dem SPD-Parteikonvent am Samstag haben sechzig Prozent der Delegierten für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Die Grünen haben daraufhin angekündigt, gegen das Gesetz zu klagen, um den "Raubbau an den Grundrechten abzuwehren", wie es in der Montags-SZ (Christoph Hickmann) heißt. Auch die Montags-FAZ (Majid Sattar) berichtet.

Pkw-Maut: Wie der Focus (Olaf Opitz) meldet, will Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die deutsche Pkw-Maut "fragwürdige Mautmodelle anderer EU-Staaten zur Sprache bringen" – unter anderem aus Österreich, dessen Modelle auch ein Fall von Ausländerdiskriminierung darstellen sollen.

Für Kerstin Schwenn (Samstags-FAZ) ist die Maut nicht "ein für alle mal" begraben – selbst wenn der Europäische Gerichtshof sie kippen sollte: Eine neue Maut sollte dann nur als entfernungsabhängige Maut gestrickt sein.

Auslandseinsätze der Bundeswehr: Rechtsreferendar Oliver Daum stellt auf lto.de das Ergebnis der Rühe-Kommission vor, die den Änderungsbedarf des Einsatzrechts der Bundeswehr geprüft hat. Die Kommission schlägt unter anderem vor, neue Berichtspflichten für den Bundestag nach Bundeswehrmissionen zu schaffen und die Entsendung von Saldaten in "konfliktfreie Staaten" nicht von der Zustimmung des Bundestages abhängig zu machen. Eine Verfassungsänderung hält die Kommission nicht für erforderlich.

Suizidhilfe: Der Juraprofessor Frank Saliger spricht sich auf lto.de gegen ein Strafgesetz zur organisierten Suizidhilfe aus. Saliger sieht auch bei geschäftsmäßiger Suizidhilfe die Rechtsgüter Selbstbestimmung und Leben nicht gefährdet; für die Befürchtung eines Todes aus "Systemzwang" fehlten jegliche Anhaltspunkte. Eine Kriminalisierung greife außerdem ungerechtfertigt in das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung ein.

Erbschaftsteuer: Der Unternehmer Martin Schoeller kritisiert in der Montags-SZ den Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform aus dem Finanzministerium. Er bewerte die Familienunternehmen falsch, lasse die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung vermissen und versteuere Privatvermögen mehrfach.

Managergehälter in Schleswig-Holstein: Der Landtag in Schleswig-Holstein hat am Freitag ein Vergütungsoffenlegungsgesetz verabschiedet. Danach werden ab 2016 Managergehälter öffentlicher Unternehmen in Schleswig-Holstein ins Internet gestellt. Das meldet lto.de.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. Juni 2015: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15947 (abgerufen am: 23.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen