Ein chinesisches Paar fürchtet wegen der strengen Familienpolitik Pekings gesellschaftliche Diskriminierung für sein viertes Kind. Deswegen muss dieses als Flüchtling anerkannt werden, entschied der VGH. Möglicherweise ein Urteil mit Signalwirkung.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss das vierte Kind eines chinesischen Paares als Flüchtling anerkennen. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim am Donnerstag (Urt. v. 15.09.16, Az. A 11 S 1125/16).
Geklagt hatten die Eltern des Jungen, weil sie für ihr 2015 geborenes Kind gesellschaftliche Diskriminierung in China fürchten. In dem Land gab es lange eine Ein-Kind-Politik. Seit Anfang dieses Jahres dürfen chinesische Paare zwei Kinder haben. Weil ihr Sohn aber bereits das vierte Kind ist, möchte das Paar in der Bundesrepublik bleiben.
Nach Ansicht der Richter in Mannheim muss dem Kind in Deutschland Asyl gewährt werden. Chinesen mit mehr als zwei Kindern können wegen der strikten Familienpolitik in ihrer Heimat also nun darauf hoffen, dass ihr Nachwuchs in Deutschland den Flüchtlingsstatus bekommt. Wie ein VGH-Sprecher sagte, könnte diese Entscheidung bundesweit Signalwirkung haben.
Entscheidung im Einzelfall
Jedes Asylverfahren sei ein Einzelfall, erklärte ein Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Bekomme das Kind den Flüchtlingsstatus zuerkannt, könne sich dadurch zwar grundsätzlich auch für die Eltern ein Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz ergeben. Das setze aber voraus, dass die Familie bereits im Heimatland bestanden habe. Das ist im konkreten Fall nicht so: Die beiden unverheirateten Chinesen lernten sich erst in Deutschland kennen und bekamen alle vier Kinder hier.
Der Anwalt der Familie aus Bruchsal hatte am Mittwoch am Rande der Verhandlung gesagt, die Eltern könnten ihrem Sohn in ihrer Heimat keine Zukunft bieten. "In China würde er nicht registriert werden, könnte nicht in die Schule und bekäme keine Sozialleistungen. Er wäre ausgegrenzt von jeder Förderung der Entwicklung." Außerdem müssten die Eltern mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen. Die Familie lebe mit der Angst, nach China abgeschoben zu werden.
Das Paar und das erste und zweite Kind haben in Deutschland den Status der Duldung. Für das dritte und vierte Kind der beiden Chinesen galt bislang subsidiärer Schutz. Dieser wird Menschen zugestanden, die in ihrer Heimat zwar nicht individuell verfolgt werden, aber dennoch wegen Gefahr für Leib und Leben vorläufig in Deutschland bleiben dürfen.
dpa/nas/LTO-Redaktion
VGH Baden-Württemberg zu chinesischen Eltern: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20595 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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