Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat einen 93-Jährigen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Auschwitz festgenommen. Ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Nach dem Urteil zu John Demjanjuk muss dem Mann womöglich kein konkreter Mord nachgewiesen werden.
Am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart einen 93 Jahre alten Mann aus Aalen in Baden-Württemberg in Haft genommen. Er steht unter dem dringenden Tatverdacht, im Konzentrationslager Auschwitz ab Herbst 1941 bis zur Auflösung des Vernichtungslagers an Morden beteiligt gewesen zu sein.
Nach dem Urteil des Landgericht (LG) München II zu John Demjanjuk sehen die Stuttgarter Ermittler offenbar eine ausreichende Chance auf eine Verurteilung. Der Ukrainer Demjanjuk war 2011 vom Münchener Gericht zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, obwohl ihm kein konkreter Mord vorgeworfen werden konnte. Das LG München II hielt es für ausreichend, dass Demjanjuk im Konzentrationslager Sobibor als Wachmann tätig war. Damit habe er sich bereits der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht. Das Urteil erlangte jedoch keine Rechtskraft. Bevor es zur Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) kommen konnte, verstarb Demjanjuk.
Weitere Prozesse sollen folgen
Im aktuellen Fall soll der Mann als Angehöriger des sogenannten Totenkopf-Sturmbanns der SS den Ausbruch von Gefangenen in Ausschwitz verhindert haben. Nach dem Krieg wanderte der Verdächtige in die USA aus. 1982 wurde er jedoch ausgewiesen, da er den Behörden seine SS-Vergangenheit verschwiegen hatte. Nach Angaben des Wiesenthal-Zentrums stand der Mann auf der Liste der zehn meistgesuchten Nazi-Verbrecher auf Platz vier.
Der Leiter der Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, Kurt Schrimm, ging zuletzt davon aus, dass sich möglicherweise 50 mutmaßliche KZ-Aufseher aus den Vernichtungslagern Auschwitz und Auschwitz-Birkenau noch in diesem Jahr wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht verantworten müssen.
Die NS-Stelle hatte im vergangenen Jahr zwei wichtige Vorermittlungsverfahren abgeschlossen, die sie an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergab. In beiden Fällen handelt es sich um frühere Aufseher im Konzentrationslager Auschwitz und den Vorwurf, Beihilfe zur Ermordung von mehreren hunderttausend Menschen geleistet zu haben, überwiegend Juden.
una/dpa/LTO-Redaktion
Nach Demjanjuk-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8690 (abgerufen am: 13.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag