Hat die Justiz-Staatssekretärin dem Generalbundesanwalt wirklich mit Entlassung gedroht, falls er seine Ermittlungen gegen die Blogger von Netzpolitik.org fortsetzen sollte? Im Rechtsausschuss stand Aussage gegen Aussage. Die Sicht des BMJV liegt schriftlich vor, veröffentlicht bei netzpolitik.org.
Bei einer Sitzung des Rechtsausschusses zur Netzpolitik-Affäre haben Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und der von ihm in den einstweiligen Ruhestand versetzte Generalbundesanwalt Harald Range einander heftig widersprochen. Das berichteten Mitglieder des Bundestagsausschusses am Mittwoch nach einer nicht-öffentlichen Sitzung. Dabei ging es um die inzwischen eingestellten Ermittlungen gegen zwei Blogger von Netzpolitik.org.
Range beharrt darauf, Justiz-Staatssekretärin Stefanie Hubig habe ihm in einem Telefonat die Weisung erteilt, den Auftrag für ein externes Gutachten zurückzuziehen und die Ermittlungen wegen Landesverrats einzustellen. Sie habe ihm gesagt, falls er sich weigern sollte, würde ihn das seinen Job kosten. Dem widersprachen Maas und Hubig, die ebenfalls befragt wurde. Range traf in der Sitzung erstmals seit Beginn der Affäre auf seinen ehemaligen Dienstvorgesetzten* Maas. Sie grüßten einander höflich.
Die Opposition kritisierte vor allem den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Beide hatten sich am Mittwoch entschuldigen lassen und Vertreter in den Ausschuss geschickt. "Die ganze Geschichte wurde im BfV ausgeheckt, und der Einzige, an dem es jetzt hängenbleibt, ist Maas", sagte Konstantin von Notz von den Grünen.
BMJV: einvernehmlich und in Unkenntnis des Ergebnisses des Gutachtens
Der Bundesjustizminister hatte über seinen Staatssekretär Christian Lange am Dienstag eine ausführliche schriftliche Erklärung gegenüber dem Rechtsausschuss abgegeben, welche Netzpolitik.org veröffentlicht hat.
Staatssekretär Lange hält in diesem Schreiben, dessen Inhalt und Versendung an den Ausschuss das Bundesjustizministerium (BMJV) gegenüber LTO bestätigte, daran fest, dass man Ende Juli einvernehmlich mit Range und in Unkenntnis des Ergebnisses beschlossen habe, das externe Gutachten, welches der GBA in Auftrag gegeben hatte, nicht fertigstellen zu lassen, sondern durch eine rechtliche Einschätzung der Strafrechtsabteilung des BMJV zu ersetzen. Vom GBA über die Einholung dieses externen Gutachtens informiert worden ist das BMJV nach eigenen Angaben "am 17. Juli, mit Schreiben vom 2. Juli". Der externe Gutachter, der prüfen sollte, ob Staatsgeheimnisse veröffentlicht wurden, ist laut Lange Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.
Das Ministerium bleibt auch dabei, dass die Staatssekretärin erstmalig bereits am 21. April, also vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, gegenüber dem GBA auf die Bedeutung der Pressefreiheit "und die besondere Brisanz der Sache" hingewiesen und besondere Sorgfalt angemahnt habe. Ebenso vage wie unbelegt bleibt die Behauptung, dass nach Kenntnis von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens die "Zweifel im BMJV" daran, dass die Macher von netzpolitik.org die Absicht hatten, durch die Veröffentlichung die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, "Anfang Juni der Bundesanwaltschaft mitgeteilt" worden seien.
Der geschasste Range berichtete am Rande der Sitzung des Rechtsausschusses, er erhalte für seine Haltung in dieser Affäre bis heute Zuspruch von vielen Menschen. Abgeordnete der Grünen sagten, sie hätten sich gewünscht, Range hätte in der Affäre um die Spionagevorwürfe gegen den US-Nachrichtendienst NSA genauso viel Ehrgeiz an den Tag gelegt wie bei den Ermittlungen gegen die Blogger.
Der Verfassungsschutz hatte nach der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente im vergangenen Frühjahr zwei Strafanzeigen gegen die Blogger gestellt. Range leitete daraufhin gegen die Macher des Blogs Netzpolitik.org Ermittlungen wegen Landesverrats ein. Als sich Range Anfang August nach mehreren Telefonaten mit dem Ministerium über einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" beklagte, schickte ihn Maas in den Ruhestand. Kurz darauf wurden die Ermittlungen eingestellt.
dpa/pl/ms/LTO-Redaktion
* Anm. d. Red.: Fälschlich stand hier zunächst, dass Bundesjustizminister Heiko Maas der - ehemalige - Dienstherr von Generalbundesanwalt Harald Range gewesen sei. Dies ist nicht korrekt, Dienstherr ist der Bund. Daher unsere Korrektur hin zum "Dienstvorgesetzten" am 19.08., 18:31 Uhr. (pl)
Netzpolitik-Affäre im Rechtsausschuss: . In: Legal Tribune Online, 19.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16657 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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